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Niedersachsen erwägt KürzungenIntegrationsarbeit in Gefahr

Das Niedersächsische Landesamt für Soziales überlegt, das Geld für die Flüchtlingssozialarbeit zu kürzen. Die Stadt Osnabrück geht schon mal auf die Barrikaden.

Nach der Willkommenskultur kommt die Integrationsarbeit – und die kostet Geld Foto: dpa

OSNABRÜCK taz | Flüchtlingssozialarbeit. Wer dieses Wort hört, assoziiert nur Gutes: Integrationsförderung, gleichberechtigte gesellschaftliche Teilhabe jenseits der Staatsangehörigkeit und des Rechtsstatus, Konfliktprävention.

Aber Flüchtlingssozialarbeit geht ins Geld. Und Jutta Cordt, Präsidentin des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, betont Mal um Mal, wie deutlich die Zahl der in Deutschland Schutzsuchenden sinkt. Kein Wunder, dass da in mancher Amtsstube über Einsparungen nachgedacht wird.

Anscheinend ist das auch im Niedersächsischen Landesamt für Soziales, Jugend und Familie der Fall. Und das könnte fatale Folgen haben. In Osnabrück etwa – seit 2014 hat die Stadt den Zuzug von 4.600 Geflüchteten erlebt.

Eines der ersten Opfer wäre dann vermutlich die „Koordinierungsstelle Flüchtlingssozialarbeit“, gegründet Anfang 2014, als Kooperative zwischen der Stadt Osnabrück und den Trägern Outlaw Gmbh und Caritasverband. Ihre derzeit 6,75 Stellen werden zu 90 Prozent aus Landesmitteln finanziert.

Stadtrat Wolfgang Beckermann, Vorstand der Stadt für Bildung, Soziales und Kultur, zuständig nicht zuletzt für Integration, ist aufgebracht. Im aktuellen Zuwendungsbescheid an Outlaw und Caritas weist das Landesamt darauf hin, die „mittelfristige Finanzplanung ab dem Haushaltsjahr 2019“ sehe „eine erhebliche Kürzung der Migrationsarbeit“ vor.

Der drohende Kahlschlag hätte für die Stadt und die Geflüchteten erhebliche negative Folgen

Anke Jackobsen , grüne Stadtratsfraktion Osnabrück

Beckermann entscheidet sich für die Offensive. In einer Sozialausschuss-Sitzung macht der Parteilose die Ankündigung des Landesamts Anfang März öffentlich, bittet die Ausschussmitglieder um Unterstützung über die Landtagsabgeordneten. Auch er selbst wird auf Landesebene aktiv.

Zwar kämen weniger Geflüchtete nach Deutschland, sagt Beckermann. Aber der Bedarf an Migrations-, an Integrationsberatung in den Kommunen sei weiterhin „enorm hoch“.

Was die Zahlen des Bundesamtes für Migration oft vergessen lassen: Es hat ein Aufgabenwandel stattgefunden. Statt um Erstversorgung geht es jetzt um die Schaffung mittelfristiger Perspektiven. Nicht weniger Arbeit also, nur andere.

Die „Weichen für eine Willkommenskultur“ seien gestellt, sagt Beckermann, jetzt gehe die Integration erst richtig los: „Das Land sehe ich in der Pflicht, die Kommunen weiterhin in der Integrationsarbeit auch finanziell zu unterstützen“, sagt er. „Wer nun Integrationsarbeit zurückfährt, begeht einen schweren Fehler und stellt alles auf den Kopf, was wir in den letzten Jahren gemeinsam als richtigen Weg beschritten haben.“

„Erhebliche Folgekosten“

Bleibt das Landesamt bei seinen Kürzungsplänen, fürchtet Beckermann „eine Verlangsamung von Integrationsprozessen“. Er warnt vor „erheblich größeren Folgekosten, wenn problematische Entwicklungen zu spät erkannt werden“.

Franziska Kückmann vom Caritasverband für die Diözese Osnabrück, sieht das ähnlich. „Das ist ja ein Dauerlauf, kein Sprint!“, sagt sie.

Beratungsbedarf bestehe weiterhin. Anfangs sei es natürlich um das ganz Grundsätzliche gegangen. Etwa: Wo soll ich wohnen? Heute stünden andere Themen im Fokus wie der Spracherwerb, das Finden eines Arbeitsplatzes. Gute Betreuung sei eben langfristig. Kückmann: „Eine Kürzung wäre das falsche Signal.“ Einerseits heiße es immer, die Integration müsse besser werden. „Und jetzt werden uns womöglich die Mittel genommen, genau das zu bewirken? – Das passt nicht zusammen“, findet Kückmann.

Noch keine Entscheidungen

Noch weiß niemand, ob tatsächlich Kürzungen kommen, wie hoch sie ausfallen, was durch sie gefährdet ist. Naila Eid, Pressesprecherin des Niedersächsischen Sozialministerium sagt knapp, es lägen „derzeit keine Entscheidungen über Kürzungen vor“. Der Haushalt für das kommende Jahr werde „zurzeit unter Berücksichtigung der aktuellen Migration und dem sich daraus ergebenden Integrationsbedarf“ aufgestellt. Das klingt so, als ob das Landesamt tatsächlich nicht bedächte, dass Geflüchtete mehr brauchen als eine Erstversorgung.

Auch politisch schlagen die Wogen in Osnabrück hoch. Allen voran: die Stadtratsfraktion der Grünen. Anke Jacobsen, ihre sozialpolitische Sprecherin, warnt: „Der drohende Kahlschlag hätte für die Stadt und die Geflüchteten erhebliche negative Folgen.“ Das bewährte und überregional anerkannte Angebot jetzt abzubrechen, obwohl es gut laufe und sich Integrationserfolge einstellten, sei verantwortungslos und sachfremd.

Michael Hagedorn, der Fraktionsvorsitzende, pflichtet ihr bei: „Das Land weist uns die Geflüchteten zu und lässt uns jetzt mit der Integrationsaufgabe allein. Das ist nicht in Ordnung.“ Die Landesvorsitzende Anne Kura, die auch im Osnabrücker Stadtrat sitzt, kündigte an, der Landtagsabgeordnete Belit Onay werde dazu eine Anfrage stellen.

Noch bietet die Caritas in Osnabrück Flüchtlingssozialarbeit an. Sie hilft, wenn es um Behördengänge geht, um die Gesundheit, um den Zugang zu Schulen und Kindergärten, zu Sprachkursen. Und der Jugendhilfeträger Outlaw kümmert sich nach wie vor um Projekte wie „Querbeet“, das Flüchtlingsfamilien Kleingärten zur Bewirtschaftung zur Verfügung stellt. Aber wie lange noch? In Hannover wird gerechnet.

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