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Wissenschaft bei Öffentlich-RechtlichenWieso, weshalb, weggespart?

Die Öffentlich-Rechtlichen müssen sparen – auch bei Wissenssendungen. Einem Bereich, den kein privater Anbieter übernehmen wird.

Was wird aus seinen Sendungen? Wissenschaftsmoderator Ranganathan Yogeshwar Foto: WDR/Jonny Ellers

Ein Jahr ist es mittlerweile her, dass beim Programmausschuss des ZDF-Fernsehrates eine Beschwerde über Harald Lesch einging, beziehungsweise dessen Sendung „Leschs Kosmos“ zur „verborgenen Gefahr“ Zucker. „Der Zuckerlobby war das offensichtlich zu viel Aufklärung“, erinnert sich Peter Arens, der die Hauptredaktion Geschichte und Wissenschaft des Mainzer Senders leitet. Arens kann diese Anekdote problemlos erzählen: Die Kontrolleure haben die Beschwerde als „unbegründet“ abgewiesen.

„Es gehört zu unserem Auftrag, dort stark zu sein“, sagt der Programmmanager über die Wissenschaftsberichterstattung bei den Öffentlich-Rechtlichen.

Stärke ist allerdings keine Selbstverständlichkeit mehr: Die Anstalten müssen sparen, das ZDF gleich mehrere hundert Stellen – auch, weil Verantwortliche einst auf eigene Faust aufgerüstet und dabei sogar Warnungen der Politik ignoriert hatten. Die Sender reagieren, indem sie hinter den Kulissen umbauen. Dabei verschwinden Mauern, die erstaunlich lange auch benachbarte Redaktionen getrennt haben – mindestens in den Köpfen. Das hat sein Gutes, aber nicht nur.

„Wir lösen das, indem wir neue Stoffe nicht mehr nur in einer Sendung zeigen, sondern etwa aus ‚TerraX‘, ‚Leschs Kosmos‘ oder unseren Wissenschaftsdokus etwas für ‚Nano‘ auskoppeln“, sagt Arens, der in einer Redaktion alle Wissenschaftsressorts von ZDF und 3sat fusioniert hat, darunter auch „History“ und „Scobel“. Praktisch heißt das: Wo früher jede Redaktion zu einem Thema ihren eigenen Film bestellt hat, greifen nun mehrere Sendungen auf ein und denselben Stoff zurück. Unter dieser Synergie leidet die Vielfalt in den Häusern. Arens sagt andererseits, er habe so „alle Sendeplätze behalten können“. Nur: Lesch sendet monatlich. Sein Vorgänger Joachim Bublath durfte noch wöchentlich auf den Schirm.

Was rosig klingt, lief nicht reibungslos ab

Der WDR hat nicht nur Fachredaktionen zusammengeführt, sondern dabei auch Fernsehen (u. a. „Quarks“) und Hörfunk (u. a. „Leonardo“). „Dahinter steht kein Sparzwang“, sagt Florian Quecke, der Wellenchef von WDR5 ist und die Wissenschaft im Hörfunk leitet. Gleichzeitig spricht der Radiomanager aber auch von der „Idee, dass die crossmediale Redaktion eine Art digitale Dividende liefert“, also mit denselben Mitteln mehr produziert.

Vor dem Umbau haben die Redaktionen nur Beiträge aus den klassischen Sendungen herausgeschnitten und ins Netz gestellt. „Heute produzieren wir Clips, die speziell für Smartphones gemacht sind“, sagt Quecke. „Bisher für Facebook, bald auch für YouTube und Instagram.“ Außerdem sei der WDR nun „de-facto die zentrale Wissenschaftsredaktion der ARD“ und liefere im Verbund der neun Landesrundfunkanstalten mehr Beiträge für „Tagesschau“ und „Tagesthemen“ zu, „ohne dass wir dafür an anderer Stelle sparen mussten“.

taz am wochenende

Dieser Text stammt aus der taz am wochenende. Immer ab Samstag am Kiosk, im eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo. Und bei Facebook und Twitter.

Was rosig klingt, lief nicht reibungslos ab. Im Sommer 2015 protestierten JournalistInnen zusammen mit WissenschaftlerInnen in der Aktion „Keine Nische – Wissenschaftsjournalismus ist wichtig!“ gegen die Reform, die sich auch im Programm zeigte: WDR5 dehnte „Leonardo“ zwar – zulasten eines Servicemagazins – täglich um eine auf zwei Stunden aus, setzte dafür aber stärker auf Gespräche statt Beiträge. Außerdem schrumpfte das tägliche Wissenschaftsfeature von zirka 15 auf 10 Minuten, offiziell wegen „veränderter Mediennutzung“.

„‚Keine Nische‘ war der Versuch, auf einen schleichenden Prozess aufmerksam zu machen“, sagt Franco Zotta, der Geschäftsführer der Wissenschaftspressekonferenz (WPK), in der sich etwa 250 FachjournalistInnen organisieren. Er beobachtet „praktisch überall Ero­sions­prozesse“ – und das, obwohl kaum Programmflächen verloren gingen. So hätten sich die für die Sender günstigen Kollegengespräche, in denen sich letztlich JournalistInnen gegenseitig interviewten, in den Wissenschaftssendungen „explo­sions­artig“ ausgebreitet.

„Die Sendungen stärker inhaltlich verzahnen“

Mit Sorge beobachtet Zotta auch die laufenden Veränderungen im Deutschlandfunk. Dort steigt der Druck, weil Fachredaktionen wie die Wissenschaft neuerdings selbst das Internet mit ihren Manuskripten bespielen müssen. Die zentrale Onlineredaktion gibt diese Aufgabe ab, aber nicht das entsprechende Budget. Die taz hatte über die Konsequenz berichtet: Die Wissenschaft ersetzt zumindest einige Features durch günstigere Reportagen. Etablierte AutorInnen fragten ihren Intendanten, „ob unsere Arbeit uns noch eine Perspektive bietet“.

WPK-Geschäftsführer Zotta spricht von „anekdotischer Evidenz“, wenn er sagt: „Immer mehr KollegInnen leben in so prekären Modellen, dass sie sich fragen, ob sie sich das noch weiter antun sollen.“ Die Verlagslandschaft biete „wenig Möglichkeiten, das zu reparieren“. Also verabschiedeten sich die KollegInnen „nach und nach in die Wissenschafts-PR“.

Matthias Gierth, der zuständige Hauptabteilungsleiter im Deutschlandfunk, deutet an, dass letztlich auch seine Wissenschaftssendungen Themen künftig gemeinsam anpacken sollen. „Um publizistisch noch profilierter aufzutreten und auf den digitalen Wandel zu reagieren, wollen wir die Sendungen stärker inhaltlich verzahnen“, sagt Gierth. Seine Redaktionen setzten „auch dafür auf die herausragende Arbeit“ der AutorInnen. Man bitte aber „um die Bereitschaft, sich bei wandelnden Rahmenbedingungen und neuen journalistischen Ideen konstruktiv einzubringen“.

WDR5-Wellenchef Quecke, der diesen Prozess bereits hinter sich hat, sagt wiederum offen: „Ja, mit dem Umbau sind auch ein paar AutorInnen abgesprungen, weil sie glauben, dass das für sie kein Modell mehr ist.“ Zwei seien Lehrer geworden. Gleichwohl habe die Redaktion auch Zuwachs bekommen – AutorInnen, die „mehrere Plattformen bespielen und so effizienter arbeiten“ könnten, kurz gesagt also: eher AlleskönnerInnen statt SpezialistInnen.

Erstmal Erfahrungen sammeln

Beim WDR-Hörfunk könnte es indes bald wieder „Kommando zurück!“ heißen, zumindest bei „Leonardo“. Die Medienforschung liefere „widersprüchliche Signale“, sagt Quecke. Befrage man die WDR-HörerInnen, lobten sie die „zweistündige Strecke besonders“. Allein: In der Media Analyse – quasi den bundesweiten Radioquoten – spiegele sich das nicht wider.

Ob die Reform tatsächlich greife, könne man seiner Erfahrung nach erst nach mindestens zwei Jahren beurteilen. Das wäre mit der nächsten halbjährlichen Media Analyse der Fall, die in den nächsten Tagen erscheint. „Vielleicht müssen wir am Ende sagen, dass zwei Stunden Wissenschaft am Stück doch zu viel sind, und reagieren“, sagt der Wellenchef.

ZDF-Hauptredaktionsleiter Peter Arens denkt zumindest akut nicht über Veränderungen im Programm nach. Er muss aber weiter Stellen abbauen. Momentan zählt er für ZDF und 3sat zusammen noch etwa 120 feste MitarbeiterInnen, die pro Kopf immer mehr Programm bespielen müssen und so einer immer stärkeren Arbeitsverdichtung ausgesetzt sind. „Wenn alles gut läuft, sparen wir sogar so viel, dass wir an anderer Stelle auch mal wieder etwas investieren können“, sagt Arens. Er denkt bereits laut über einen „aufwendigen ‚TerraX‘-Mehrteiler“ nach. Avisiertes Thema: die Zukunft.

Der Autor berichtet für öffentlich-rechtliche Sender und Verlage über Medienpolitik.

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9 Kommentare

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  • Das hier beschriebene Ausdünnen der journalistischen Vielfalt ist allerdings eine gefährliche Entwicklung. Aber das gibt es schön länger und es betrifft nicht nur das Thema Wissenschaft, Journalisten müssen für immer mehr Ausspielwege (TV-Radio-Online) produzieren - Recherche kommt dabei zu kurz. Konservative Politiker forderten schon mal die Zusammenlegung der ARD-Kultur-Radiowellen zu einem bundesweiten Klassik-Programm. Die ARD-Dritten TV-Programme verkommen - in der Primetime - zu Abspielstätten abgehangener Tatorte und Schlagershows. Auch das so hoch gelobte ZDF-Neo greift tief in die Wiederholungsksite und lässt Krimiserien rundlaufen (Lewis, Bella Block oder Inspector Barnaby).

  • Wie viel Mrd werden bei den ÖRR für die Zusatzrenten der MA verpulvert? ca 46 % der Zwangsgebühren gehen für die MA drauf. Jedes private Unternehmen wäre Insolvent.

  • das ist doch im kulturbereich dauernd so...ständig die widerholungen bei kulturzeit von ttt-beiträgen etc.-und täglich grüßt das murmeltier!

  • 9G
    97796 (Profil gelöscht)

    Keine Wissenssendungen mehr? Aha. Jetzt noch bei der Nachrichtenberichterstattung sparen und wir haben ein zwangsfinanziertes RTL II für Menschen 60+

  • Es ist eine Tatsache, dass die ÖR lichen zur Sendung von Bildungsthemen verpflichtet sind.

     

    Laut Rundfunkstaatsvertrag sollen die ÖR lichen auch ein gewisses Bildungsprogramm erstellen und auch Ausstrahlen, welsches sich zur Nutzung für Schulen eignet.

    Dies wird zwar seit Jahren nur noch durch die Ausstrahlung von den allgemeinen Wissenssendungen erfüllt, so wie z.B. Terra X!

     

    Jetzt auch noch an den einzig relevanten Sendungen für viele, die es eh Satt haben, permanente, seichte Telenovelas sehen zu müssen, die mindestens 6 mal die Woche wiederholt werden, ist ein Unding, wenn man bedenkt, wer diesen ganzen Ramsch zahlen muss.

     

    Seit Jahren erhöhen sich die Beiträge zu den ÖR lichen, aber die Programmqualität sinkt rasant.

     

    Denn Programmmanagern geht es hauptsächlich darum ein Programm auf die Beine zustellen, auch wenn es noch so schlecht ist, Hauptsache die Gelder kommen. sieht man sich die Paläste an, die sie sich bauen, weis man auch wo das Geld der Gebührenzahler hingeht.

    Viele der Arbeiter beim ÖR haben nur Minijobs oder aber Zeitverträge, mit denen sie kaum den Mindestlohn erreichen.

     

    Es ist schon eine Frechheit, dass die Politik hier nicht einschreitet, denn das Problem ist bereits seit Einführung der GEZ bekannt, den ziemlich kurz danach begann die Qualität der ÖR lichen ins Bodenlose zu sinken!!!

  • Braucht Deutschland wirklich so viele Krimis?

    Alleine der Tatort schlägt ja mit 1,5 bis über 2 Millionen€ pro Folge zu Buche.

     

    Müssen wirklich jedes Jahr im durchschnitt über 50 Millionen ausgegeben werden aus öffentlicher Hand für ein alle 4 Jahre stattfindendes sportevent?

     

    Kein Wunder das dann am Ende für wirklich wichtige Themen das Geld fehlt.

    • @Obscuritas:

      Sie überschätzen so wie ich, obwohl ich selbst auch nur ein durchschnittlich intelligenter Mitteleuropärer bin, maßlos die intellektuellen Fähigkeiten der BundesbürgerInnen. Doch, die wollen einmal die Woche die immer gleichen Ermittlerpaare und Sonderkommissionen, die wollen den Sonntagsgarten, Rosamunde Pilcher, Traumschiff und die wollen 18 Stunden Langlauf am Stück, denn die Quoten lügen nicht. Bsp:

      Das Traumschiff fuhr ja schon vor Zeiten nach Myanmar. Wir hätten gesagt, dass da eine grausame Militärdiktatur herrscht, die hätten erwidert, dass die Landschaft da doch so schön ist und die Schicksale an Bord so anrührend wären.

      Das macht fassungslos und frustriert zutiefst, aber ich kann uns das nicht ersparen.

  • "Die Öffentlich-Rechtlichen müssen sparen – auch bei Wissenssendungen. Einem Bereich, den kein privater Anbieter übernehmen wird."

    Das stimmt nicht. Die Öffentlich-Rechtlichen müssen sparen - und sie entscheiden sich dafür, dies auch bei Wissenssendungen zu tun. Und das ist eine Entscheidung, eine Fehlentscheidung, die man auch anders treffen könnte.

     

    Man könnte stattdessen auch nur bei seichter Unterhaltung sparen, und bei teuren Sportübertragungsrechten. Und bei Internetangeboten, für die es mehr als genug kostenfreie alternative Anbieter gibt.

     

    Denn das Kernproblem ist der Anspruch der Wettbewerbsfähigkeit. Eigentlich sollte bei einer immer größeren Verfügbarkeit anderer kostenfreier Medienangebote - hinsichtlich Unterhaltung durch private Sender, hinsichtlich Informationen durch das Internet - der Angebots- und Kostenumfang des zwangsfinanzierten öffentlich-rechtlichen Rundfunks zurückgehen. Aber das Gegenteil ist der Fall.

     

    Wir brauchen einen öffentlich rechtlichen Rundfunk. Aber nicht für das, was man auch ohne weiteres anderswo bekommt. Sondern gerade für diejenigen Angebote, die ohne den gebührenfinanzierten Rundfunk nicht vorhanden wären.

    • @arunto:

      Wenn es nur noch ein Nischenprogramm ist, welches das bietet, was es anderswo nicht gibt, dann werden ganze Bevölkerungsgruppen nie mehr auf öffentlich-rechtliche Sender umschalten.

      Allerdings finde ich auch, dass unsere Öffentlich-Rechtlichen es übertreiben. Lieber weniger Sender und weniger teuren Kommerz, dafür mehr Qualität und bitte komplett ohne Werbung, denn es soll doch 'unabhängig' sein.

      Ich gehöre aber schon lange nicht mehr zur Zielgruppe. Schaue kaum TV (wenn dann nur ÖRR) und nie mehr Radio.