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Urteil zugunsten von TierschützernFreispruch nach Einbruch in Tierstall

Ein Urteil zugunsten von Tierschützern, die in Mastanlagen eingedrungen sind, bleibt gültig. Auch die Groko kann das nicht mehr kippen.

Schweine in einem konventionellen Mastbetrieb Foto: imago/Marius Schwarz

Tierschützer, die in Ställe eindringen, um Missstände zu dokumentieren, machen sich unter bestimmten Voraussetzungen nicht strafbar. Dieses Grundsatzurteil des Oberlandesgerichts (OLG) Naumburg kann auch die Große Koalition, die den Einbruch in Tierställe laut Koalitionsvertrag gezielt bestrafen will, nicht aushebeln.

Konkret geht es um zwei Vorfälle im Sommer 2013. Aktivisten von Animal Rights Watch stiegen in eine Schweinezuchtanlage in Sandbeiendorf (bei Magdeburg) ein. Sie hatten den Tipp bekommen, dass der Betreiber gegen Tierschutzvorschriften verstoße. Per Kamera dokumentierten sie zahlreiche Verstöße, insbesondere zu schmale Kastenstände. Das ARD-Magazin „Brisant“ veröffentlichte die Aufnahmen im November 2013. Daraufhin schritten die Behörden ein.

Die Aktivisten wurden in allen Instanzen freigesprochen: vom Amtsgericht Haldensleben, vom Landgericht Magdeburg und nun auch vom OLG Naumburg. Die Tierschützer hätten zwar Hausfriedensbruch begangen, die Tat sei jedoch nicht rechtswidrig gewesen. Das OLG ging bei seinem Urteil von einem „rechtfertigenden Notstand“ aus, denn dem „Tierwohl“ habe eine dauerhafte Gefahr gedroht.

Der Hausfriedensbruch sei auch zur Abwendung der Gefahr erforderlich gewesen, weil nicht mit einem Eingreifen der Behörden gerechnet werden konnte. Das Tierwohl sei hier auch deutlich höher zu bewerten als das Hausrecht. In der Urteilsbegründung betonte der Vorsitzende Richter Gerd Henss, dass dieses Urteil „kein Freibrief“ sei, in Ställe einzudringen. Hier aber hätten schon vorab glaubhafte Hinweise auf Missstände vorgelegen.

Als Leitentscheidung Wirkung entfalten

Damit hat erstmals ein Oberlandesgericht die Rechtmäßigkeit solcher Aktionen festgestellt. Das rechtskräftige Urteil gilt zwar direkt nur in Sachsen-Anhalt, dürfte aber bundesweit als Leitentscheidung Wirkung entfalten.

Dagegen heißt es im Vertrag der möglicherweise kommenden Großen Koalition aus Union und SPD: „Wir wollen Einbrüche in Tierställe als Straftatbestand effektiv ahnden.“ Zum einen soll also im Strafgesetzbuch ein neuer Straftatbestand „Einbruch in Tierställe“ eingeführt werden; zum anderen sollen die Täter auch tatsächlich („effektiv“) verurteilt werden. Freisprüche wie jetzt durch das OLG Naumburg sind so aber nicht zu verhindern.

Denn auch bei einem erneuten Delikt „Einbruch in Tierställe“ kann ein rechtfertigender Notstand zugunsten des Tierwohls bestehen. Tierschützer können nur dann nicht auf Freispruch hoffen, wenn die Behörden selbst Missstände abstellen und auch Hinweisen nachgehen, die nicht schon im Fernsehen ausgestrahlt wurden.

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7 Kommentare

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  • Man sieht wieder ganz deutlich: Wer ein Ende der Tierqual möchte, braucht auf unsere Politiker nicht zu hoffen. Sie werden den Tieren nicht helfen. Sie stehen auf der Seite der Tierquäler.

     

    Das einzige was den Tieren hilft: Den Tierquälern keine Geld mehr geben, vegan oder zumindest vegetarisch leben. Es ist leichter, als man denkt!

  • "Tierschützer können nur dann nicht auf Freispruch hoffen, wenn die Behörden selbst Missstände abstellen und auch Hinweisen nachgehen, die nicht schon im Fernsehen ausgestrahlt wurden."

     

    Was nur teilrichtig ist. Wenn die Tierschützer keine gravierenden Verstösse gefunden hätten, wären sie verurteilt worden!

  • Ich breche in 4 Stallungen ein und im 5. werde ich dann fündig.

    Dann brauchen wir uns auch nicht mehr über angeblich unbegründete oder voreilige Hausdurchsuchungen aufregen.

    • @Baidarka:

      "Einbruch" ist es in der Regel nicht. Es werden keine Türen aufgebrochen oder beschädigt.

       

      Letztendlich bedient die Koalition aus SPD und CDU/CSU den Wunsch der Landwirte, weiter Tiere unbeobachtet zur Profiltmaximierung quälen zu können.

       

      Dabei sollte es eher ein Recht für Tierschutzverbände geben, unangekündigte Besichtigungen vorzunehmen. Denn die Veterinärämter sind eh nur die Komplizen der Massentierhalter und tun in der Regel nichts.

      • @PS:

        Als Einbruch bezeichnet man das unerlaubte Eindringen in einen abgegrenzten Bereich bei Überwindung eines Hindernisses oder einer besonderen Sicherung gegen Wegnahme; Ein Einbruch geschieht in der Regel mit dem Ziel, in den Besitz von Gegenständen und/oder Informationen zu gelangen.

        Wird zum Einbruch z. B. ein Schloss oder Fenster beschädigt, liegt ferner tateinheitlich Sachbeschädigung vor.

  • Und vom "Sommer" bis in den November hatte das "Tierwohl" im "gerechtfertigten Notstand" zu warten um die Zuschauerquote einer TV-Sendung zu erfüllen.

    Das mag verstehen wer mag, mir erschließt sich die den Zweck negierende Wartezeit nicht.

  • Das Eis erscheint mir recht dünn, da ja rechtlich unbestimmt, wann denn ein Notstand vorliegt. Das subjektive Empfinden des Tierschützers ist da trügerisch.