Nordderby in der Fußball-Bundesliga: Stochernde Kellerkinder
Im hässlichsten Bundesliga-Spiel des Jahres verliert der Hamburger SV unglücklich in Bremen. Unterm Strich steht die nun schlechteste Saison der HSV-Vereinsgeschichte.
Es war das wahrscheinlich hässlichste Spiel der Saison. Und es bekam das Tor, das es verdiente: In der 86. Minute erzielte Hamburgs Rick van Dongelen aus Versehen und unter wildem Gestochere von Werders Ishak Belfodil ein Eigentor. Vorangegangen war ein unübersichtliches Strafraum-Geknäuel.
Es war ein Treffer irgendwo zwischen Abseits, Foul und Eigentor. Das Weserstadion jubelte, der Videoassistent aus Köln hatte keine Einwände. Schiedsrichter Felix Zwayer sagte nach dem Spiel unter viel Rumgedruckse, dass der kontroverse Treffer regulär gewesen sei. Wird schon stimmen.
Hamburgs Innenverteidiger-Kante Kyriakos Papadopoulos diktierte das zwar zahlreichen SportreporterInnen anders in den Block („Klar abseits. Arschloch“, über Schiri Zwayer nach Ansehen der Zeitlupe), aber hilft ja nichts. Unterm Strich steht für Hamburg die nun wirklich schlechteste Saison der Vereinsgeschichte mit sieben Punkten Rückstand auf einen Relegationsplatz, elf sieglosen Spielen in Folge und dem schlechtesten Sturm mit nur 18 Treffern.
Werder hat sich trotz durchwachsener Leistung deutlich besser aus der Affäre gezogen: Für die Bremer war es ein dringend benötigter, aber doch glücklicher Sieg gegen den direkten Konkurrenten im Abstiegskampf. Immerhin steht der SV Werder jetzt auf Tabellenplatz vierzehn, vor Wolfsburg und Mainz, die sich am Freitag mit einem 1:1 getrennt hatten. Der Spieltag hätte kaum besser laufen können für die Bremer.
Beide Mannschaften standen vor der Partie am Scheideweg: Seit Trainer Florian Kohfeldt da ist, hat Werder in der Vorwoche in Freiburg das erste Mal wirklich schlecht gespielt, was zum Teil an gut verteidigenden Breisgauern lag, aber auch an einer gewissen Hilflosigkeit gegen gute Defensivarbeit.
Das Heimspiel gegen Hamburg sah in der ersten Hälfte ähnlich aus: Hamburg stellte sich hinten rein und verteidigte gut. Der Ball war dem HSV dabei egal. Dennoch schien die Taktik aufzugehen. Ohne richtige Torchancen, dafür mit vielen Ballverlusten gingen beide Mannschaften in die Halbzeit. In der zweiten Hälfte spielte Werder deutlich besser. Daraus resultierte aber auch nicht mehr als Ballbesitz, mittelmäßige Chancen und viele Eckbälle.
Das Spiel bildete sehr gut die unterschiedlichen Abstiegskampf-Philosophien von Werder und dem HSV ab: Werder versuchte erfolglos, offensiv zu spielen und Hamburg beschränkte sich aufs Verteidigen und wartete auf Konter oder wahlweise den Abpfiff, ebenso erfolglos.
Dabei sah das bei Werder in den vergangenen Wochen gar nicht so schlecht aus: Seit dem Trainerwechsel hatte Bremen sogar gegen den designierten Meister Bayern München so etwas wie Spielanteile und spielte im Pokalhalbfinale zeitweise sogar Leverkusen schwindelig. Allein eine entsprechende Punktausbeute fehlte. Heute war es anders herum: schwaches Spiel, aber drei Punkte.
Der HSV hat diese Saison nur 18 Tore erzielt
Warum Hollerbach den HSV dabei so defensiv spielen lässt, bleibt sein Geheimnis. Denn tatsächlich hat Hamburg nur 18 Tore erzielt, so wenig wie kein anderes Team in dieser Saison. Und auch gegen Bremen hielt der Plan leider nur eine Halbzeit lang. Da halfen auch ein paar gute Wechsel in der Startaufstellung nichts: Hunt, Jatta und Hahn durften für Mavraj, Salihovic und Arp spielen.
Dass es am Ende nicht einmal für ein Unentschieden reichte, war bitter für den HSV. Wie sehr, merkte man den Verantwortlichen an: Hollerbach sagte, angesprochen auf die Pyro-Versessenheit des eigenen Anhangs, etwas entrückt: „Unsere Fans waren klasse. Super Support.“ Und Vorstandschef Heribert Bruchhagen bestand nach dem Spiel auf eine Abseitsposition beim Gegentreffer. Sinngemäß: Man muss selbst mal Spieler gewesen sein, um über Abseits richtig urteilen zu können.
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