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Analyse der Situation in SyrienDas Schlachtfeld

Längst geht es nicht mehr um den Aufstand gegen das Regime. Auch die Türkei will bei einer Aufteilung Syriens dabei sein.

Putin bleibt aktuell nichts anderes übrig, als Assads Feldzug gegen die Ost-Ghouta zu unterstützen Foto: dpa

Als der Aufstand gegen den ägyptischen Langzeitherrscher Husni Mubarak im Januar 2011 seinem Höhepunkt entgegenstrebte, war in Syrien noch alles ruhig. Die sogenannte Arabische Revolution schien an Damaskus komplett vorbeizugehen. Als später in jenem Jahr dann auch in Syrien einige mutige, demokratisch gesinnte junge Leute auf die Straße gingen, schlug das Assad-Regime sofort mit aller Brutalität zu. Die demokratische Opposition bekam keine Chance, sich zu entfalten, weil sie bald zerrieben wurde zwischen dem säkularen, von Alawiten dominierten Regime und der eigentlichen Opposition in Syrien, den sunnitischen Muslimbrüdern.

Heute sind die arabischen Langzeitherrscher, die den Nahen Osten zu Beginn des Arabischen Frühlings dominierten, allesamt in der politischen Bedeutungslosigkeit verschwunden. Nur Baschar al-Assad als Repräsentant des gleichnamigen Familienclans sitzt noch in seinem Präsidentenpalast in Damaskus.

Das hat er nicht nur seiner Brutalität und seinem kompromisslosen Herrschaftswillen zu verdanken, sondern vor allem dem geografischen und politischen Sonderstatus seines Landes. Syrien, das erkannte schon die erste islamische Kalifendynastie in der Nachfolge Mohammeds, ist der Schlüssel zum Nahen Osten. Auch die Römer, die Osmanen, die Franzosen und Briten wussten um die besondere Lage Syriens und versuchten allesamt das Gebiet unter ihre Kon­trolle zu bringen.

Heute grenzen Türkei, Libanon, Israel und Jordanien an Syrien. Das Land hat für die Region eine ähnliche geografische Schlüsselstellung wie Deutschland für Europa. Diese Lage macht Syrien zu einem Interessengebiet für alle angrenzenden Mächte und die Großmächte, die den Nahen Osten kontrollieren wollen.

Kampfzone von Stellvertretern

Auch deshalb geht es im syrischen Krieg längst nicht mehr um den Aufstand gegen Assad. Das Land wird mehr und mehr zur Kampfzone, in der zunächst die Stellvertreter der großen Mächte ihre Truppen in Stellung brachten und nun diese Mächte selbst. Russland und Iran bauen eigene militärische Stützpunkte in dem vom syrischen Regime kontrollierten Gebiet zügig aus.

Die USA wiederum sind dabei, in dem von Kurden kon­trollierten Gebiet östlich des ­Euphrats ebenfalls ihre Militärflughäfen auszubauen und ihre Spezialtruppen am Boden aufzustocken. Das soll ihnen die Möglichkeit geben, in Syrien gegen Iran vorzugehen.

Israel droht mit einem Militäreinsatz gegen die iranischen Stützpunkte in Syrien und hat dabei die Rückendeckung von US-Präsident Donald Trump. Und nicht zuletzt die Türkei schickt immer mehr eigene Truppen nach Nordsyrien – nicht nur, um einen kurdischen Staat zu verhindern, sondern auch, um bei der irgendwann stattfindenden Debatte über die Aufteilung Syriens mit am Tisch zu sitzen.

Bald die nächste Eskalationsstufe?

Russland ist mit dem ersten Vorstoß einer Syrienkonferenz zu diesem Zweck zunächst gescheitert. Auch wenn Putin ein Waffenstillstand lieber wäre, bleibt ihm nach der skrupellosen Logik des Krieges nun nichts anderes übrig, als Assads Feldzug gegen die Ost-Ghouta zu unterstützen, weshalb auch eine UN-Resolution zu einem Waffenstillstand nicht zustande kam.

Getötete Zivilisten interessieren Putin nicht, das hat er schon bei der Belagerung von Aleppo und anderen syrischen Städten hinlänglich unter Beweis gestellt.

Auch die Türkei wird von ihrem Einmarsch in Afrin nicht ablassen, nur weil dabei Zivilisten getötet werden – mehr, als Präsident Erdoğan be­hauptet – oder weil Assad-treue kur­dische Milizen jetzt zur Verstärkung der belagerten Stadt kommen. Stattdessen erhöht sie erst einmal den Einsatz.

Die nächste Eskalationsstufe könnte eine israelisch-iranische Auseinandersetzung auf syrischem Boden werden, jeweils mit amerikanischer beziehungsweise russischer Rückendeckung. Syrien droht endgültig zum Schlachtfeld der großen Mächte zu werden.

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14 Kommentare

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  • Es scheint, dass sowohl Erdogan als auch Putin die Angriffe der jeweils anderen Seite nutzen um im medialen Schatten des anderen Grauens selber möglichst ungestört Gegenden zu bombardieren und einzunehmen.

    Wir müssen Regime, die Völker- und Kriegrecht grob missachten oder die Terroristen finanzieren und bewaffnen genauso wie Terroristen ächten. Dazu gehört leider auch Deutschland, welches die Panzer für Erdogan finanziert und liefert, obwohl - oder gerade weil - Erdogan damit einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg angekündigt und durchgeführt hat.

  • Das mit Afrin und Ost Ghotha. Ist der Olivenzweig zwischen Russland/Syrien und der Türkei/Katar. Wieviel hat Katar dieses Jahr in die Türkei gepumpt oder als Darlehen verliehen? Es sollen 19 Milliarden sein. Der syrischen Opposition Muslime Brüder gehören viele an als Mitglieder Erdogan..oder als Verein an. Es gibt kein arabisches Land auf der Welt in dem sie nicht unter einem anderen Namen als gefährdende Gruppierung daherkommt. Zurück zum Thema. Putin hat die Kurden in Afrin nicht unterschätzt aber Erdogan schon, ob wohl er eine Kombi aus IS/Kaida(Anführer angeblich 'nur' früher Muslime Bruder) und türkischen Spezialisten unter seiner Führung angeblich nach drei Tagen zum Sieg verhelfen wollte. So fällt das eine und andere Gebiet bevor die Türkei Afrin einnimmt und dann machen die Kurden mit den Syrieern noch ein Tausch und können wieder nachrüsten. Als Türkei würde ich mir ziemlich dumm vorkommen, wenn ich merke das meine gezinkten Karten immer noch schlechter sind als die der anderen.....

  • Interessen- und Machtkämpfe sind in diesem Gebiet nichts Neues, der Libanon-Krieg von 1976 bis 1989 war lang und blutig, auch hier starben vorzugsweise Zivilisten, litten die am stärksten, die sowieso nichts hatten, wie zum Beispiel die Palästinenser und Schiiten. In Syrien ist das Morden und der Kampf Teil des regionalen Kampfes. Angefeuert von den Golf-Staaten und dem Iran: Die einen wollten endlich ein Sultanat nach Muster Taliban oder Saudi Arabien installieren, die anderen die schiitische Dominanz durch die Allawiten in Syrien aufrechterhalten. Irgendwann haben dann die Türkei und die Golf-Staaten ihr Ziel mit dem IS erreicht: Ein islamisches Staatsgebilde, gegen Kurden, Alawiten, Baathisten und gegen die Regierung in Damaskus. Jetzt sind eigentlich alle äußeren Pläne gescheitert, außer vielleicht der iranische Plan. Und gegen den geht es jetzt und dafür müssen die Syrer sterben und bluten. Langfristig sollen die Kurden auch extrem verfolgt und entmachtet werden - sie waren bis vor Kurzem die heimlichen Gewinner des Kampfes. Und mit dabei: Die Russen, die USA und indirekt auch der Westen bzw. die EU. Damit Deutschland nicht Schiffsladungen voller Syrer und Iraker als Flüchtlinge erhält, sucht Deutschland ein Bündnis mit der Türkei, ignoriert und toleriert die innere Entwicklung in diesem Land. Und so vegetieren die Syrer jetzt in ihrem kaputten Land dahin, über die Grenze kommt kaum noch jemand in die Türkei und von dort gibt's auch kein Weiter mehr. Egal wie idiotisch und mies es unter Hafiz Assad war, man sehnt sich danach zurück, weil die Syrer wenigstens unterdrückt, aber in Frieden leben konnten. Bescheidenen Fortschritts gabs damals auch, jetzt steht nur noch Zerstörung, Mord und Plünderung auf dem Programm.

  • 8G
    81622 (Profil gelöscht)

    Auch wenn in seiner Bedeutung nebensächlich, so doch interessant, ist dabei das alte Blockdenken einiger sog. "linker Antiimperialisten " in Deutschland. Sie rechtfertigen oder schweigen zu Assads und Putins Kriegsverbrechen und können nicht erklären, wieso ihr „Erzfeind“ USA plötzlich die linke kurdische YPG in Syrien unterstützt, die wiederum von Russland an Erdogan verraten werden. Dahinter steckt das alte Feindbild, das sich aus Verschwörungstheorien und dem alten Ost-West-Konflikt nährt und sich in vielen Punkten mit der AFD-Ideologie deckt. Imperialismus wird synonym für USA verwendet, während Russland berechtigte Interessen und kein Imperialismus unterstellt wird. So war auch die Erregung groß über sog. "humanitäre Interventionen" des Westens in Bosnien oder Kosovo , woran auch Massaker wie in Srebrenica nichts geändert hat. Wenn der Westen in Ruanda eingegriffen hätte, wäre eine „humanitäre Intervention“ akzeptiert worden, weil dort dem Völkermord kein Ost-West-Konflikt zu Grunde lag. Der Islamismus wird in Syrien nur als Argument gegen die syrische Opposition vorgeschoben. Im Grunde geht es aber um das alte Blockdenken, in dessen Namen diese Leute im wahrsten Sinne des Wortes über Leichenberge gehen.

    • @81622 (Profil gelöscht):

      Ich sehe die Realitätsverweigerung eher in der Gruppe der unabdingbaren Gläubigen der NATO Linie, und westlicher Werte Ideologie. Es gibt jedenfalls weder bei den 'linken Antiimperialisten' noch bei der AFD Leute die auch nur im enferntesten mit der Inbrunst russischen hegemonialen Interventionismus wünschen wie das bei den zuvorgenannten der Fall ist.

       

      Und die Heuchelei ueber Assad und westliche Werte ist schwer auszuhalten, hat man doch anderorts jeden Diktator unterstützt der auf eigener Linie war, siehe z.B. zur Zeit in Saudi Arabien, aber da heißt es dann vornehm ja 'Königshaus'.

       

      Heuchlerisch ist auch die Aufregung ueber Aleppo oder Ost Ghoutha, während man ueber Mossul kaum etwas hörte und auch der Jemen in unseren Medien ein praktisch vergessener Konflikt ist obwohl aufgrund der saudischen Blockade dort viel mehr Menschen unter Hunger leiden als in Syrien.

       

      Naive Realitätsverweirung ist es zu denken, dass die eigene Seite die Guten sind, während es in Wirklichkeit auch bei uns um die selben knallharten geopolitische Ansprüche und Methoden wie bei der 'Feindseite' geht.

    • 7G
      74450 (Profil gelöscht)
      @81622 (Profil gelöscht):

      "während Russland berechtigte Interessen und kein Imperialismus unterstellt wird."

       

      Und das, obwohl Russland das einzige Land ist, dass sich nach dem 2.Weltkrieg Territorium eines Nachbarstaates einverleibt hat!

      • @74450 (Profil gelöscht):

        "Und das, obwohl Russland das einzige Land ist, dass sich nach dem 2.Weltkrieg Territorium eines Nachbarstaates einverleibt hat!" Stimmt leider nicht: Sie vergessen Israel (wird immer vergessen beim Begriff Annektion; Russland scheint da ein Monopol zu haben...), und da gab es noch Indonesien/Timor, Indien/Sikkim, und man kann auch Türkei/Zypern dazurechnen.

      • @74450 (Profil gelöscht):

        Das kann man auch andersherum sehen. Russland/Sowjetunion ist die einzige Großmacht, die seit dem zweiten Weltkrieg einen Großteil ihres Territoriums aufgegeben hat.

    • @81622 (Profil gelöscht):

      Ich komm bei den ganzen Hitlern nicht mehr hinterher. Assad, Gaddafi, Saddam Hussein … Wen müssen wir jetzt noch einmal befreien?

      Den befreiten geht es so gut, dass sie sich ständig vor Freude in die Luft sprengen. So geschehen auch heute wieder in Afghanistan, wo inzwischen im großen Stile Opium durch die CIA angebaut wird (kann man leicht auf Satellitenfotos sehen und könnte man leicht abstellen, wenn man denn wollte). Dem Irak geht es wohl auch ganz Prima. Libyen ist das Paradies ... Es ist langsam an der Zeit, die USA zu befreien. ;-)

       

      YouTube:

      "General Wesley Clark: Wars Were Planned - Seven Countries In Five Years"

      "General Wesley Clark: The US will attack 7 countries in 5 years"

      • 7G
        74450 (Profil gelöscht)
        @xxxLCxxx:

        "Ich komm bei den ganzen Hitlern nicht mehr hinterher."

         

        Wo haben Sie den Namen Hitler im Text oder Kommentar gelesen? Es handelt sich bei Ihrer Liste um grausame Diktatoren, aber der Hitler existiert wohl nur in Ihrem Kopf! :D

  • An dem Desaster hat einzig und allein Genosse Putin Schuld. Ohne Putin wäre der Massenmörder Assad schon lange erledigt.

    • @Klartexter:

      Und würde nach Ihrer Meinung Frieden in Syrien einkehren?

  • Ein gewagter (interessanter) Vergleich: "Das Land hat für die Region eine ähnliche geografische Schlüsselstellung wie Deutschland für Europa."

    Unmittelbar fällt mir dazu die von Christooher Clark beschriebene Situation vor dem ersten Weltkrieg ein.

    -Die Schlafwandler-

    • @Günter:

      Da ist nicht viel Gewagtes bei.

      Das ist die klassische geopolitische Sichtweise anhand der Landkarte.