Sicherheitskonferenz in München: Auf Konfrontationskurs
Der Krieg in Syrien, der Konflikt zwischen dem Iran und Israel, die Beziehung zwischen den USA und Russland – die Debatten in München verliefen hitzig.
In seinem Auftritt vor der „Sicherheitskonferenz“ bezeichnete der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu Iran als „die größte Bedrohung dieser Welt“. Teheran verstärke seine militärische Präsenz, in Syrien, Libanon und anderen arabischen Staaten und unterstütze „terroristische Aktivitäten“, um seinen Einfluss „in der ganzen Region von Teheran bis zum Mittelmeer zu stärken“.
Das Abkommen zur Begrenzung des iranischen Nuklearprogramms auf zivile Aktivitäten kritisierte der israelische Premier erneut als „völlig unzureichend“ und verglich es mit dem „Münchner Appeasement-Abkommen“ von 1938. Der ehemalige US-Außenminister John Kerry, unter dessen Ägide das Atomakommen zwischen 2013 und 2015 ausgehandelt wurde, wies diese Kritik als „faktisch falsch“ zurück und widerlegte sie im Detail. Irans Außenminister Mohammad Java Sarif wies die Vorwürfe Netanjahus als „Komikerzirkus zurück, der keine weitere Beachtung verdient“.
Am Samstag hatten die angespannten Beziehungen zwischen Russland und dem Westen sowie die atomare Aufrüstung die Debatten beherrscht. Der nationale Sicherheitsberater von US-Präsident Donald Trump, Generalleutnant Herbert Raymond McMaster, rechtfertigte Washingtons neue Nuklearstrategie mit der geplanten Entwicklung kleinerer Atomwaffen als „Vorsichtsmaßnahme gegen die Aufrüstung Russlands“. McMaster erklärte, Atomwaffen mit geringerer Sprengkraft würden „die Schwelle für den Einsatz von Atomwaffen nicht senken, sondern erhöhen“.
Polen will Aufrüstung der EU- und Natostaaten
Der polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki forderte unter Verweis auf „die russischen Aggressionen 2008 gegen Georgien und 2014 gegen die Ukraine“ deutlich verstärkte Aufrüstungsanstrenungen der Mitgliedsstaaten von NATO und EU. „Die Appeasement-Politik der 30er Jahre und die Entspannungspolitik der 70er Jahre haben nicht funktioniert“ erklärte Moraviecki und stellte damit das Münchner Abkommen von 1938 über die Annexion des tschechoslowakischen Sudetenlandes an Nazideutschland auf eine Stufe mit der wesentlich von der westdeutschen Regierung Brandt betriebenen Ost- und Entpannungspolitik.
Bundesaußenminister Sigmar Gabriel plädierte für eine UNO-Truppe in der Ostukraine, die schrittweise Lockerung der Sanktionen gegen Russland sowie – in Widerspruch zur Haltung der EU-Kommission – für die Realisierung der Northstream-Pipeline.
Der türkische Ministerpräsident Binali Yildirim und Außenminister Mevlit Cavusoglu wiesen jegliche Kritik am Krieg ihres Landes gegen die syrischen Kurden zurück und warfen den USA und anderen NATO-Staaten die Unterstützung von Terroristen in Syrien vor. Unter Berufung auf das Selbstverdigungsrecht nach Artikel 51 der UNO erklärten sie, das militärische Vorgehen ihres Landes „gegen die syrisch-kurdischen Terrororganisationen YPG und PYD“ sei „genauso legitim wie der Kampf der USA, Rußlands und über 60 weiterer Länder gegen die Terroristen des Islamischen Staat in Syrien und im Irak“.
Auf die Frage nach der Drohung des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan, US-Soldaten in diesem Konflikt eine „osmanische Ohrfeige“ zu verpassen, sagte Yildirim: „Es ist egal, ob es in Syrien oder im Irak ist: Wenn es dort terroristische Aktionen gegen unser Land gibt, dann ist es doch klar, dass wir hier die stärkste mögliche Ohrfeige geben würden.“ Wenn sich ein anderes Land kriegerisch gegen die Türkei wende, werde sie „natürlich“ zurückschlagen.
Macron droht mit „Vergeltungsschlägen“
Präsident Trumps Sicherheitsberater drohte zumindest indirekt damit, dass die USA – wie schon einmal im April 2017 – mit militärischen Schlägen auf einen etwaigen C-Waffeneinsatz durch die syrischen Regierungsstreitkräfte reagieren würden. Der französische Präsident Edouard Macron hatte vor kurzem sogar ausdrücklich mit „Vergeltungsschlägen“ gedroht.
Auf die Frage, wie militärische Schläge ohne ein vorheriges Mandat des UNO-Sicherheitsrates mit dem Völkerrecht zu vereinbaren seien, wollte Ministerpräsident Edourd Phillippe am Sonntag auf der Sicherheitskonferenz keine Antwort geben. Phillipe, die britische Premierministerin Theresa May sowie EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker forderten in ihren Reden , die Anstrengungen der EU im militärischen Bereich erheblich zu verstärken durch deutliche erhöhte Ausgaben, den Ausbau gemeinsamer Strkuturen sowie eine Vereinheitlichung der Rüstungs- und Beschaffungspolitik der 28 Mitgliedsländer.
Beim Thema Iran wurden transatlantische Differenzen deutlich. Der geschäftsführende Bundesaußenminister Sigmar Gabriel warnte die USA vor einer Gefährdung des Atomabkommens mit Teheran. „Wir raten unseren amerikanischen Freunden, dieses Abkommen nicht scheitern zu lassen“, erklärte Gabrie. „Wir haben dieses Abkommen in Partnerschaft verhandelt, und wir wollen und werden es nicht aufgeben.“
Hingegen kritisierte Trumps Sicherheitsberater McMaster wie auch Netanjahu „schwerwiegende Mängel“ des Abkommens. McMaster warf Iran und seinen Revolutionsgarden zudem vor, durch „Unterstützung terroristischer Aktivitäten“ in arabischen Staaten diese Länder zu destabilisieren. McMaster forderte Deutschland, Japan und Südkorea auf, „sämtliche Wirtschaftsgeschäfte mit Iran einzustellen, von denen die Revolutionsgarden profitieren“.
Protest gegen Münchner „Unsicherheitskonferenz“
Mit Blick auf Nordkorea verlangte McMaster von China – ohne namentliche Nennung – deutlich verschärfte Sanktionsmaßnahmen. „Alle wirtschaftlichen und diplomatischen Beziehungen müssen abgebrochen und sogenannte Gastarbeiter ausgewiesen werden“, betonte Trumps Sicherheitsberater.
Eröffnet wurde die Konferenz am Freitag von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen mit einem Plädoyer für die milittärische Stärkung der EU. Sie forderte „ein Europa, das auch militärisch mehr Gewicht in die Waagschale werfen kann“. Das bedeute nicht nur den Aufbau von Fähigkeiten und Strukturen, auch „der gemeinsame Wille, das militärische Gewicht auch tatsächlich einzusetzen, wenn es die Umstände erfordern“, gehöre dazu. Deutschland solle sich als gefestigte Demokratie nicht hinter seiner Geschichte verstecken, sondern akzeptieren, dass Soldatinnen und Soldaten für Sicherheit und Freiheit kämpfen müssten.
Aus dem Rahmen der Konferenz fiel am Samstag der Auftritt von Beatrice Fihn, Direktorin der Internationalen Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen (ICAN), die 2017 den Friedensnobelpreis erhielt. In einem nur noch halb gefüllten Konferenzsaal kristisierte Fihn, dass die Befürworter von atomaren Waffen und Abschreckung „niemals über die katastrophalen humanitären Folgen eines Einsatzes von Atomwaffen sprechen“. Fihn zeigte sich überzeugt, dass „die Abschreckung nicht ewig funktionieren wird, und Atomwaffen eines Tages eingesetzt werden, wenn sie nicht weltweit abgeschafft werden“. Rund 2.500 Menschen protestierten am Samstag trotz eisiger Kälte gegen die Münchner „Unsicherheitskonferenz“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Bundestag reagiert spät auf Hamas-Terror
Durchbruch bei Verhandlungen zu Antisemitismusresolution
Resolution gegen Antisemitismus
Nicht komplex genug
US-Präsidentschaftswahl
50 Gründe, die USA zu lieben
Grundsatzpapier des Finanzministers
Lindner setzt die Säge an die Ampel und an die Klimapolitik
Höfliche Anrede
Siez mich nicht so an
BSW in Thüringen
Position zu Krieg und Frieden schärfen