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Nazis verschwören sich gegen Linksbündnis

Neonazis aus NRW marschieren am heutigen Samstag durch Hamm. Die Anti-Antifa Aktion richtet sich gegen Linkspartei, Gewerkschaften und Antifa. Mobilisierung besitzt eine neue Qualität. NPD bleibt außen vor

HAMM taz ■ So genannte „freie Kameradschaften“ und „Autonome Nationalisten“ aus ganz Nordrhein-Westfalen rufen offen zum Kampf gegen Links auf. „WASG, PDS, ver.di und Antifa keine Plattform bieten – Linksbündnis abschalten!“, heißt es in dem Aufruf zu einem Aufmarsch, der heute in Hamm stattfinden soll. In ihrer Symbolik orientieren sich die Neonazis dabei an der Autonomen Antifa. Deren Fahnen-Symbol haben die „Kameraden“ einfach übernommen, der Spruch „Antifaschistische Aktion“ wurde durch „Nationale Sozialisten – Bundesweite Aktion“ ersetzt. Eine Praxis, die die extreme Rechte seit Jahren ausübt.

„Die Kopie des äußerlichen Auftretens des Gegners durch Neonazis ist eine Besonderheit in NRW und sie hat auch eine neue Qualität“, sagt Martin Dietzsch vom Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung (DISS). Die Symbolik sei durchaus an die Antifa angelehnt, inhaltlich gebe es aber keinerlei Übereinstimmungen. „Da hat jemand den Goebbels der späten 1920er und 1930er Jahre gelesen“, so Dietzsch weiter. Im Aufruf zum Neonazi-Aufmarsch wird vor einem Linksbündnis gewarnt: Es sei „nämlich nicht die Partei des ‚kleinen Mannes, es ist viel mehr ein ultralinker Haufen...“ Weiter steht dort: „Mit dumpfen Populismus und blanker Polemik gehen sie auf Stimmenfang. Es liegt an uns, über die Bestrebungen der roten Rattenfänger zu informieren und ihre Politik öffentlich an den Pranger zu stellen.“

Von den ursprünglichen Plänen der Rechten, die Wahlalternative Arbeit und Soziale Gerechtigkeit (WASG) zu unterwandern, ist nicht mehr allzu viel übrig geblieben. „Die Stimmung ist umgeschlagen, die sehen die neue Linkspartei aus WASG und PDS mittlerweile als Hauptfeinde an“, sagt Martin Dietzsch. Die Mobilisierung nach Hamm zeige dies. Ausgangspunkt hierfür war die Infoveranstaltung „Rechtsextremismus im Rampenlicht – Gegenstrategien der WASG“ Anfang Juli in Hamm, auf der unter anderem der DISS-Mitarbeiter Alfred Schobert vor der Unterwanderung durch Neonazis warnte. Die Neonazis wollten die Veranstaltung stürmen, scheiterten aber.

Sascha Krultzig von der Kameradschaft Hamm hat den Aufmarsch angemeldet. Es ist der fünfte in zwei Jahren. 150 Teilnehmer werden erwartet. Die Antifa rechnet mit 250 Gegendemonstranten. „Wir versuchen den Aufmarsch zu verhindern“, sagt Dennis Pochmann vom Bündnis „Hamm stellt sich quer“.

„Die Neonazis nehmen auch den Wahlkampf als Aufhänger für den Aufmarsch“, glaubt Dennis Pochmann. Mitglieder der Kameradschaft Hamm hätten zuletzt auf den Demos auch Wahlkampfmaterial der NPD verteilt. Eine Strategie, die landesweit von vielen Kameradschaften nicht unbedingt geteilt wird. Die so genannte Volksfront von rechts zur Landtags- und Bundestagswahl, unter Beteiligung von NPD, DVU und einigen Kameradschaften, blieb bislang ohne Erfolg. „Vielen ist selbst die NPD zu harmlos“, sagt DISS-Mitarbeiter Martin Dietzsch. Der Kampf gegen das „Linksbündnis“ findet auf der Straße statt.

HOLGER PAULER

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