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Kolumne Familie und GedönsEin genderneutraler König

Kolumne
von Nadja Mitzkat

Die Faschingszeit steht vor der Tür. Manchmal kollidieren dabei kindliche Verkleidungswünsche mit den Vorstellungen der Eltern.

Fasching jenseits von Stereotypen: bunt und fröhlich Foto: dpa

G efühlt war eben noch Weihnachten, da steht schon das nächste Familienhighlight auf dem Programm – Fasching in Kindergarten und Schule. Zwei Wochen bleiben mir noch bis zur ausgelassenen Sause. Aber nach den Erfahrungen der letzten Jahre (ich am Vorabend des Fests bis in die tiefe Nacht hinein nähend, klebend und bastelnd) habe ich mir geschworen, diesmal rechtzeitig mit den Vorbereitungen anzufangen.

Wozu der ganze Aufwand? Im Osten wird doch gar kein Fasching gefeiert, mag jetzt der ein oder andere denken. Doch weit gefehlt. Ende der 1980er Jahre bestritten die 1.344 offiziell registrierten Karnevalsclubs jedes Jahr 120.000 Veranstaltungen mit etwa 6,5 Millionen Besuchern. Das närrische Treiben oszillierte dabei zwischen scharfzüngiger Kritik an den Verhältnissen und staatlich organisiertem Verkleidungsgebot.

Heute ist das Sichverkleiden in den großen Städten nur noch für die Kleinen festes Ritual. Und so sitze ich also meinen eigenen Kindern beim Abendbrot gegenüber und stelle die Frage, die meine Mutter mir früher gestellt hat: „Als was wollt ihr denn gehen?“

Die Zehnjährige möchte eine Römerin sein. Während ich mich schon Laken in mehreren Lagen um ihren Körper wickeln sehe, trifft mich die Antwort des Vierjährigen unvorbereitet. „Ich geh als Polizist“, verkündet er energisch. „Als Polizist!?“ Ein Plastikset mit Handschellen, Pistole und Schlagstock schiebt sich vor das Römergewand in meinem Kopf.

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Während ich grüble, ob die Abnabelung vom linksliberalen Elternhaus bei manchen Kindern schon im Kindergartenalter beginnt und wann genau das mit der genderneutralen Erziehung eigentlich gescheitert ist, kommt mein Sohn mir zuvor. „König wär auch okay.“ Ich atme aus. Mit der von ihm selbst zusammengestellten Montur aus Stoffkrone, bodenlangem weißem Schleier und Laserschwert kann ich gut leben. Vielleicht wird es ja sogar ein König mit Lidstrich oder Lipgloss. Seit Neuestem beobachtet er ganz interessiert, wie ich mich schminke.

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6 Kommentare

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  • In der alemannischen Fasnet laufen ganze Mannschaften von Burschen als Hexen oder Prinzessinnen mit blonden Zöpfen rum. Diese Tradition stammt noch aus einer Zeit, als man sich noch nicht in höchster existenzieller Not auf den Boden warf und "Gaga! Gaaaa-gaaaa!" schrie, wenn nicht alle in den ihnen verordneten Schubladen festgekettet waren. Und ebensowenig war es damals oder jemals ein politisches Statement für Gender fluidity.

     

    Diese Tradition stammt noch aus einer Zeit, als die Menschen über sich selbst (und die ihnen zugeschriebenen Rollen und Verhaltensweisen) einfach mal herzlich lachen konnte.

  • Im Namen der restlichen Bevölkerung die sich das eventuell nicht traut: ich glaube ihr seid alle völlig gaga!

  • Sie bringen Ihrem Vierjährigen also schon mal bei, das ein König was Besseres als ein Polizist ist. Seltsame Einstellung.

    • @GarretJaxt:

      Der Junge hat kapiert, wer das Sagen hat und wer nur folgsamer Büttel ist - schlaues Kerlchen.

      Und König sein ist allemal lustiger.

    • @GarretJaxt:

      Wenn sie ihn mit Handschellen gehen läßt, klagen doch die anderen wieder über Frühsexualisierung... was man auch tut, es ist verkehrt.

    • @GarretJaxt:

      Der König hat prügeln lassen, der Polizist prügelt. Ist doch klar ;)