piwik no script img

Rüstungsexporte in die TürkeiTausche Panzerung gegen Deniz Yücel

Sigmar Gabriel möchte wieder mehr Rüstungsgüter in die Türkei exportieren lassen. Los geht es offenbar mit Panzer-Zubehör.

Der Rüstungskonzern Rheinmetall will in der Türkei Kampfpanzer aufrüsten Foto: dpa

Geht es nach Sigmar Gabriel, soll die türkische Armee nicht länger auf die Schutzausrüstung für ihre Panzer warten. Immer wieder würden türkische Panzerbesatzungen in Syrien durch Minen des IS getötet, sagte der Außenminister am Samstag in Goslar. Equipment aus deutschen Rüstungsfabriken könne dagegen helfen. Sei es da nicht eine moralische Verpflichtung, die Technik zu liefern?

„Gerade, was diesen konkreten Fall angeht, werden wir in den nächsten Tagen sehr sorgfältig in der Bundesregierung reden, und ich sage Ihnen ganz offen, mir leuchten die Argumente der Türkei ein“, sagte Gabriel nach seinem Treffen mit dem türkischen Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu.

Nicht nur für die türkische Armee ist das eine gute Nachricht, sondern auch für Rheinmetall. Offenbar sprach Gabriel nämlich von Rüstungsgütern, die der Düsseldorfer Konzern an Ankara verkaufen möchte. Der Vorstandsvorsitzende Armin Papperger hatte vor Monaten selbst bekannt gegeben, Dutzende Panzer der türkischen Streitkräfte zum Schutz gegen feindliche Angriffe nachrüsten zu wollen. Das Geschäft gehe aber nicht voran, sagte er damals: Die Bundesregierung lasse Anträge auf Rüstungsexporte in die Türkei im Moment einfach liegen.

Tatsächlich genehmigte die Regierung zuletzt verhältnismäßig wenige Waffendeals mit der Türkei. Von Januar bis August 2017 gestattete sie zwar immer noch Exporte mit einem Gesamtvolumen von über 25 Millionen Euro. Gegenüber dem Vorjahreszeitraum war das aber immerhin ein Rückgang um mehr als die Hälfte. „Die großen Anträge, die die Türkei derzeit an uns stellt – und das sind wirklich nicht wenige –, haben wir alle ‚on hold‘ gestellt“, sagte Gabriel im September.

Außenminister widerspricht sich

Jetzt lenkt der Außenminister ein, Hintergrund ist möglicherweise die Freilassung mehrerer deutscher Häftlinge in der Türkei. Letzte Bedingung für neue Exportgenehmigungen könnte nun noch sein, dass die Türkei auch den Journalisten Deniz Yücel aus dem Gefängnis entlässt.

„Die Bundesregierung hat eine sehr große Anzahl von Rüstungs­exporten nicht genehmigt. Dabei wird es auch bleiben, solange der Fall Yücel nicht gelöst ist“, sagte Gabriel am Freitag dem Spiegel. Tags darauf, während des Termins in Goslar, widersprach sich der Außenminister allerdings selbst. „Das hat nichts mit Haftfällen in der Türkei zu tun“, sagte er da.

Mir leuchten die Argumente der Türkei ein.

Sigmar Gabriel

Die Opposition kritisierte Gabriel trotzdem für die Verknüpfung der Personalie Yücel mit deutsch-türkischen Waffengeschäften. Solange die Türkei keine rechtsstaatlichen Maßstäbe einhalte, dürfe es keine Rüstungsexporte geben, sagte Grünen-Chef Cem Özdemir. „Dem Geiselnehmer für die Freilassung der Geisel zur Belohnung eine Panzer­fabrik zu bauen, wäre eine komplett absurde Logik.“

Damit spielte Özdemir auf ein weiteres Vorhaben von Rheinmetall an: In einem Joint-Venture mit einem türkischen Unternehmen denkt der Konzern darüber nach, in einer Fabrik am Schwarzen Meer neue Panzer für die türkische Armee zu entwickeln. Kommt dabei deutsches Know-how zum Einsatz, müsste Rheinmetall auch dieses Geschäft in Berlin genehmigen lassen.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

10 Kommentare

 / 
  • "sollten die Europäer, die für Völker- und Bürgerrecht stehen,"

     

    Die Türkei ist - wie der Iran - ein Staat mit einer stark islamisch geprägten Gesellschaft. Man sollte das akzeptieren. Gewisse europäische Werte passen - noch nicht - zu solchen Gesellschaften.

     

    Eine Destabilisierung des autokratischen Erdogan/ Mullah-Regimes kann nicht im europäischen Interesse liegen. Ein stabiler Staat ist auch ein zu berücksichtigender Wert.

    • @A. Müllermilch:

      Vor allem wenn der stabile Staat dann noch Panzer kauft (oder Öl liefert)

    • @A. Müllermilch:

      Von welchen "europäischen" Werten sprechen Sie denn da im Detail?

       

      Demokratie und Freiheit scheinen - bei Ihnen zumindest - jedenfalls keine besondere Priorität zu besitzen.

  • und das Gute, gegen die Kurden äh Terroristen im in und Ausland kann man so ne deutsche Panzerung sicher auch gut gebrauchen.

     

    Wer hat uns verraten? Sozialdemokraten! Sigi vor, noch ein Eigentor

  • Der IS ist besiegt. Keine Panzerung mehr nötig. Diskussion beendet.

    • 9G
      96173 (Profil gelöscht)
      @El-ahrairah:

      ...es gibt doch noch genug Grenzländer,

      die man mal schnell überrollen kann!

    • @El-ahrairah:

      Nicht ganz. Daß der Leo II im Straßenkampf Schwachstellen hat, haben auch die Kurden mitbekommen :).

      • @jhwh:

        Von Kurden hat der Herr Außenminister aber garnichts gesagt, oder?

        • @El-ahrairah:

          Natürlich nicht.

          Gegen Kurden in Syrien könnten die aufgerüsteten Panzer aber vermutlich eingesetzt werden.

          Das ist der momentan wichtigste offene Konflikt der Türkei.

  • "sollten die Europäer, die für Völker- und Bürgerrecht stehen," schrieb doch heute jemand in einem anderen Taz Artikel zu Israel.

     

    Und genau wegen solcher Sachen, glaubt das kein klar denkender Mensch mehr.