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Richter urteilt knallhart

Bisher höchste Strafe nach G20 verhängt

Von Kai von Appen

Der Hamburger Amtsrichter Johann Krieten ist von seinem Spitznamen „Richter Knallhart“, den ihm der Boulevard verpasst hat, offenbar angetan – zumindest handelt er so. Am Dienstag verurteilte er einen 28-Jährigen zu 3,5 Jahren Haft wegen schweren Landfriedensbruchs und gefährlicher Körperverletzung – das bisher höchste Strafmaß aller G20-Prozesse. Die Staatsanwältin beantragte zwei Jahre und zehn Monate.

Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der Angeklagte nach der Demo „Welcome to Hell“ im Schanzenviertel eine Bierflasche zerschlagen und den scharfkantigen Rest auf einen Polizeibeamten geworfen hatte. Krieten sprach von einem „widerwärtigen Verhalten“, das von einer „erheblichen kriminellen Energie“ geprägt sei.

Seinen Spitznamen „Richter Knallhart“ bekam Krieten schon nach dem ersten G20-Prozess, als er einen nicht vorbestraften Niederländer zu zwei Jahren und sieben Monaten Haft verurteilte – für zwei vermeintliche Flaschenwürfe ohne Folgen. Auch hier lag Krieten weit über den Antrag der Staatsanwaltschaft.

Warum der 61-jährige Krieten zum Ende seiner Amtsrichter-Laufbahn das Image des Hardliners annimmt, darüber kann nur spekuliert werden. Bisher zeichnete sich der Jugendrichter eher als Jurist mit Augenmaß aus. So sprach er 2009 Demonstranten vom Vorwurf eines Angriffes auf Polizeibeamte frei, die im Verlauf einer Demo gegen Abschiebungen am Hamburger Flughafen als Clowns verkleidet den Einsatzwagen der Polizei mit Aufklebern verziert und einen Polizisten attackiert haben sollen. 2011 trat Krieten als Entlastungszeuge für den linken Szeneanwalt Andreas Beuth auf, dem ein Verstoß gegen das Waffengesetz vorgeworfen worden war.

Einen Knacks hat Krieten offenbar bekommen, als die Anwältin Ingrid Witte-Rohde ihn 2014 in einem Prozess um die Besetzung des ehemaligen Finanzamtes Hamburg-Altona für ein autonomes Zentrum als befangen ablehnte: Krietens Sohn soll bei der Besetzung dabei gewesen sein.

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