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Wenn die Bürgerinitiative plötzlich für Wohnungsbau ist

Kaum werden irgendwo in Bremen neue Wohnviertel geplant, gründen Anwohner sofort Initiativen. Die Genese des Hulsberg-Quartiers mitten in der Stadt gilt als ganz besonders vorbildlich

Im Bettenhaus des Klinikums Mitte könnten 90 Wohnungen entstehen Foto: Peter Bargfrede/Hulsberg eG

Von Karolina Meyer-Schilf

Wenn irgendwo ein neues Wohnquartier entsteht, bildet sich meistens eine Bürgerinitiative dagegen. Dass es auch anders geht, zeigt das Projekt Hulsberg, ein stadtnahes Filetstück, das direkt an das begehrte Bremer „Viertel“ grenzt. Dort ist aus einer Bürgerinitiative eine Genossenschaft entstanden, die seit Jahren aktiv an der Planung mitwirkt.

Das Klinikum Bremen Mitte macht Platz für den Wohnungsbau: Von 19 Hektar Klinikgelände werden bald nur noch rund sechs Hektar gebraucht. Ein Neubau vereint künftig fast alle Abteilungen, die derzeit über das gesamte Gelände verstreut liegen. Einige Gebäude wie etwa die Augenklinik stehen unter Denkmalschutz und sollen umgenutzt werden. Andere wie das neunstöckige Bettenhaus, sollen abgerissen werden – jedenfalls, wenn es nach der Grundstücksentwicklungsgesellschaft GEG geht, die die Stadt für die Vermarktung und den Verkauf der frei werdenden Klinikareale gegründet hat. Sie will mit Investoren auf dem freiwerdenden Areal ein Parkhaus sowie ein neues Wohngebäude mit 120 Wohneinheiten bauen.

Die Stadtteilgenossenschaft Hulsberg jedoch möchte das Bettenhaus erhalten und in Wohnraum umwandeln. Das sei günstiger als ein Neubau, argumentiert die Genossenschaft, der es um die Schaffung günstigen Wohnraums geht.

Aus einer „feinen, ausdauernden Bürgerini, die sich im Rahmen des Beteiligungsprozesses zum Neuen Hulsberg-Viertel gebildet hat“, habe sich eine eingetragene Genossenschaft gegründet, sagt Florian Kommer, Geschäftsführer der Vermarktungsgesellschaft GEG, „also eine richtig echte juristische Person. Aus zivilgesellschaftlichem Engagement ist also eine regelrechte Unternehmung erwachsen“, erklärt Kommer, „und das ist ein – wie ich finde – unerhört positiver und gesellschaftspolitisch bedeutender Vorgang.“

Auch das Beteiligungsverfahren zur Entwicklung des neuen Hulsberg-Quartiers gilt als vorbildlich: Die Bürgerbeteiligung stand ganz am Anfang. „Noch ehe ein Planungsbüro einen ersten Gedanken entwickelt oder einen Zeichenstrich gezogen hatte“, sagt Kommer. „Somit wurden Bürgerinnen und Bürger nicht vor vollendete Planungsergebnisse gesetzt, die sie lediglich nur noch zur Kenntnis nehmen konnten, sondern sie hatten das erste Wort.“

Seit 2011 läuft das Beteiligungsverfahren für das neue Quartier. Wer sich hier engagieren will, braucht einen langen Atem. Ab 2019 sollten rund 1.000 Wohneinheiten entstehen, rund 18.000 Quadratmeter sind für öffentliches Grün verplant. Das könnte sich wegen Pannen beim Krankenhausneubau jetzt noch etwas hinziehen.

„Ein unerhört positiver und gesellschaftspolitisch bedeutender Vorgang“

Geschäftsführer Florian Kommer

Der Entwurf des deutsch-dänischen Architekten und Stadtplaners Carsten Lorenzen sieht verschiedene Wohnformen und Nutzungen, ein modernes Mobilitätskonzept, klimafreundliche Energieerzeugung und hohe Umweltstandards vor – trotz denkmalgeschützter Bestandsgebäude.

Die lange Beteiligungszeit sieht Florian Kommer jedoch auch als Problem an: „Eine oder sogar die Schwäche unseres Beteiligungsprozesses liegt nach meinem Dafürhalten in der langen Laufzeit“, sagt er. „Sieben Jahre ist die erste Zusammenkunft her und erst jetzt, im Jahr 2018, werden erste Steine bewegt – und letztlich erst einmal nur am Ärztehaus an der St.-Jürgen-Straße. Die großen Quartiersentwicklungsschritte lassen weiterhin auf sich warten, weil erst das ,Neue Klinikum Bremen-Mitte‘ fertiggestellt werden und in Betrieb gehen muss.“ Das sei Menschen, die sich ehrenamtlich in Bürgerbeteiligungsprozesse einbringen, kaum zuzumuten.

Die Mitglieder der Stadtteilgenossenschaft lassen sich davon aber nicht abschrecken: Gerade haben sie ein Crowdfunding für die Finanzierung einer Machbarkeitsstudie zum Erhalt des Bettenhauses angeschoben, in das viele der Mitglieder am Ende gern selbst einziehen wollen. „Bei solchen Projekten gibt es immer harte Ausein­andersetzungen“, sieht Margot Müller von der Stadtteilgenossenschaft vorher, „und zwar bis zu dem Tag, an dem das Projekt wirklich steht.“

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