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Kommentar zu Parkgebühren in BerlinDas Auto ist noch nicht teuer genug

Anna Klöpper
Kommentar von Anna Klöpper

Verkehrsexperten haben „flächendeckende Parkgebühren“ in Berlin gefordert. Tatsächlich ist das Auto für Innenstadtbewohner ein viel zu billiger Luxus.

Volle Auto-Stadt: Berliner Straßenszene Foto: Alexander Heinl/dpa/picture alliance

N atürlich ist das ein kalkulierter Aufreger: Ein Verkehrsexperte fordert am Wochenende „flächendeckende Parkgebühren“ für Berlin. Der stets gegen das Auto und für mehr Bus, Bahn und Fahrrad kämpfende Verkehrsclub Deutschland sprang dem Professor sogleich zur Seite: 10 Euro Parkgebühren für NichtanwohnerInnen, derzeit sind es maximal 3 Euro pro Stunde, warum nicht? Die Botschaft: Fahrt mehr Bus (oder macht wenigstens Carsharing)! Die Autolobby stöhnte via Berliner Kurier sogleich gequält auf: Immer wird bloß alles teurer!

Leider ist das Autofahren in Berlin noch nicht teuer genug – und zwar vor allem auch für die Gruppe der autofahrenden AnwohnerInnen. Die zahlen für eine zwei Jahre gültige Parkvignette in ihrer Straße rund 20 Euro.

Das sind Kosten, aber die meisten trifft das längst nicht empfindlich genug. Lieber noch dreimal um den Block fahren, als ernsthaft überlegen, ob ein Leben mit S-Bahn und Fahrrad vorstellbar wäre. Zur Not parkt man eben zweite Reihe auf dem Gehweg und kassiert ein Knöllchen, kostet mit maximal 35 Euro auch nicht viel mehr als die Spritkosten und Nerven beim Weitersuchen. In meiner Straße eine Einstellung, die man täglich beobachten kann.

Die Forderung nach „flächendeckenden“ Parkgebühren mag zwar Aufmerksamkeitshascherei eines grünen Lobbyverbands sein – ob 10 Euro Parkgebühren draußen in Spandau noch zu vertreten sind, sei mal dahingestellt. Aber den Zwischenruf kann man zum Anlass nehmen, um den grün mitregierten Senat daran zu erinnern, was im Koalitionsvertrag Ende 2016 beschlossen wurde: „Umverteilung des Straßenraums zugunsten des ÖPNV, des Rad- und Fußverkehrs“. Bis 2021 wollte man die Parkraumbewirtschaftung – also das gebührenpflichtige Parken – auf das gesamte Gebiet innerhalb des S-Bahn-Rings ausdehnen.

Mag sein, dass manch InnenstadtbewohnerIn ihr Auto wirklich braucht. Für alle anderen wären höhere Gebühren – für AnwohnerInnen könnte man sie ja nach Einkommen staffeln – ein Anreiz, genau darüber kritischer nachzudenken: Ist das Auto Luxus oder kann das weg?

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Anna Klöpper
Leiterin taz.eins
Seit 2011 bei der taz. Leitet gemeinsam mit Sunny Riedel das Ressort taz.eins. Hier entstehen die ersten fünf Seiten der Tageszeitung, inklusive der Nahaufnahme - der täglichen Reportage-Doppelseite in der taz. Davor Ressortleiterin, CvD und Redakteurin in der Berliner Lokalredaktion. Themenschwerpunkte: Bildungs- und Familienpolitik.
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6 Kommentare

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  • "Mag sein, dass manch InnenstadtbewohnerIn ihr Auto wirklich braucht. Für alle anderen wären höhere Gebühren – für AnwohnerInnen könnte man sie ja nach Einkommen staffeln – ein Anreiz, genau darüber kritischer nachzudenken: Ist das Auto Luxus oder kann das weg?"

     

    Irgendwie hat dieser Kommentar etwas sehr Kindlich-Naives und man fragt sich, was ist die Botschaft der Autorin? Und wieso maßt Sie sich an, mit erhobenem Zeigefinger auf das Fortbewegungsmittel Auto herabzublicken? Keiner zwingt sie, ein PKW zu nutzen. Bei aller berechtigten Kritik an der zunehmenden Zahl von PKWs und der dadurch bedingten Umweltbelastung, Radfahrer sind leider auch nicht das Gelbe vom Ei. Zumindest mache ich als Fußgänger aus, dass 99% der Radfahrer anarchistisch und rücksichtslos unterwegs sind: sie fahren bei Rot über Ampeln, missbrauchen Zebrastreifen und Fußgängerampeln, fahren unerlaubt auf Gehwegen und belästigen dadurch Fußgänger - ja, gefährden sie sogar an Bushaltestellen, fahren in der Dunkelheit ohne Licht. Ich finde, Radfahrer sollten erstmal vor der eigenen Türe kehren.

  • Fahrräder, deren Zubehör und Ersatzteile müssen so teuer werden, dass sie nur noch der nutzt, der sie wirklich braucht. Dann verschwinden auch die Kampfradler von meinem Bürgersteig und können mich nicht mehr von hinten kommend umnieten.

    Mal sehen, was mir alles nicht passt und wo man dann die Kosten erhöhen müßte.

  • Sinnvoll wäre es, dass man erstmal eine BVG-Umweltkarte (Tages/Wochen/Monatskarte) als Zufahrts- und Parkberechtigung für den Innenstadtbereich kaufen muss.

     

    Dann hätte man mit der Karte immer die Wahl, das Auto oder aber kostenlos den ÖPNV zu nutzen. Das Auto würde öfter stehen bleiben.

     

    Noch sinnvoller wäre ein für Alle kostenloser ÖPNV.

  • "Noch nicht teuer genug" bedeutet - leider - unter dem Strich auch, es soll ein Privileg nur für Reiche sein, und wer arm ist, soll alleine zusehen, wie er zurecht kommt.

     

    Doch ist es richtig, für Reiche das Privileg zu schaffen, die Umwelt zu vergiften und Menschen krank zu machen und u. a. auch solche Menschen krank zu machen, die es sich finanziell nicht leisten können, aktiv an der Umweltzerstörung mitzuwirken?

     

    Ganz sicher dürfte es der falsche Weg sein, die (Um)welt dadurch retten zu wollen, daß man möglichst viele Menschen so arm hält, daß sie sich das eine oder andere nicht mehr leisten können.

     

    Drastische Strukturänderungen, die Dinge wie z. B. auch das Auto nahezu überflüssig machen, wären da mit Abstand die besssere Wahl. Doch genau das würde wieder die Gewinne der Reichen ein wenig schmälern und die Existentenzchancen der Armen verbessern - was für allzu viele offenbar bereits im Denken ein NoGo ist.

    • @wxyz:

      Man könnte Autozulassungen auch verlosen. Dann entfällt das Argument, dass nur die Reichen autofahren dürfen. Grundsätzlich könnte Singapur als Vorbild herhalten. Dort gibt es bei 5,5 Mio Einwohnern nur 550.000 Kfz.

      Zum Vergleich Hamburg: 780.000 Kfz bei 1,8 Mio Einwohnern und ähnlicher Fläche. Gut, Singapur hat natürlich auch einen super ÖPNV, aber das bekommen die autoindustriehörigen Politiker in D ja nicht hin.

      • @Senza Parole:

        @Senza Parole und @WXYZ:

         

        Stimme Ihnen beiden zu, da liegt wohl der Hase im Pfeffer: Um den Autoverkehr zurückzudrängen, muss ich dann halt auch den ÖPNV-Takt erhöhen, die Radwege ausbauen und von Wildparkern freihalten (das wär mal was!) und auch ausserhalb des S-Bahn-Rings massiv in alternative Verkehrsstrukturen investieren. Aber wer soll dem klammen Berlin hier finanziell unter die Arme greifen, unser kommissarischer Verkehrsminister, der mit der "konservativen Revolution"? So wird des nix.