Berliner Mobilitätsgesetz: Das Ziel: keine Toten
Verkehrssenatorin Regine Günther bringt weit später als von vielen erhofft den Entwurf für ein Mobilitätsgesetz in den Senat ein.
Sehr viel später als ursprünglich erwartet hat der rot-rot-grüne Senat am Dienstag den Entwurf für ein stark vom Radverkehr geprägtes Mobilitätsgesetz gebilligt. Beschließen wird er ihn nach jetziger Planung frühestens Ende Januar. Anschließend entscheidet im Frühjahr das Abgeordnetenhaus darüber. Verkehrssenatorin Regine Günther (parteilos, für die Grünen) wies bei der Vorstellung Kritik zurück: Sie sei stolz, dass der Entwurf alle Hürden „so schnell“ genommen habe. „Entgegen der landläufigen Meinung, dass alles wahnsinnig langsam war, glaube ich, dass es Turbo war“, sagte Günther.
Das Mobilitätsgesetz ist das bundesweit erste und enthält Vorschriften und Ziele zum Rad- und zum öffentlichen Nahverkehr, also zu Bus und Bahn. 2018 sollen weitere Teile folgen, unter anderem zum Fußverkehr und zu sogenannter Intelligenter Mobilität, also Carsharing und selbstfahrenden Autos.
Der Gesetzentwurf nimmt zahlreiche Forderungen des Rad-Volksbegehrens von 2016 auf, etwa neue Fahrradabstellplätze: 50.000 mehr als bisher soll es an Haltestellen geben, weitere 50.000 im sonstigen Stadtgebiet. An drei besonders stark genutzten S-Bahnhöfen sind Rad-Parkhäuser vorgesehen: Gesundbrunnen, Ostkreuz und – hier sind laut Günther die Planungen am weitesten – Zehlendorf.
„Protected bike lines“
Der Gesetzentwurf sieht vor allem ein weitgehend lückenloses Netz von sicheren Radwegen vor. Als sicher gelten diese für die Senatorin, wenn sie breit genug zum Überholen sind. Teils sollen sie geschützt vor Autos sein, sogenannte „protected bike lines“. Ziel ist laut Günther, dass kein Verkehrsteilnehmer mehr getötet oder schwer verletzt wird. 2016 gab es in Berlin insgesamt 58 Unfalltote, darunter 17 Radfahrer. Pro Jahr, so legt es das Gesetz fest, sollen zu diesem Zweck 30 unfallträchtige Kreuzungen sicherer werden. In diesem Jahr klappte das laut Günther nur bei drei Kreuzungen.
Von den Grünen gab es erwartbar viel Applaus für die von ihnen gestellte Senatorin. Aber auch die SPD, die ihren Koalitionspartner zwischenzeitlich auf Konfrontation zu Autofahrern sah, lobte nun. Es habe ein Umdenken in der Verkehrspolitik stattgefunden, sagte Vize-Fraktionschef Andreas Kugler, „das Gesetz richtet sich an die Mobilitätsbedürfnisse aller Berlinerinnen und Berliner und zielt auf ein gleichberechtigtes Miteinander aller Verkehrsteilnehmer im Stadtraum ab.“
Bei der Industrie- und Handelskammer (IHK) ist man froh, dass nicht allein ein reines Radgesetz entsteht, sondern verschiedene Verkehrsarten berücksichtigt würden. So habe die IHK erreicht, dass auch dem Wirtschaftsverkehr künftig großer Stellenwert zugebilligt werde.
Enttäuscht äußerte sich hingegen der Unternehmerverband UVB: „Wir hätten erwartet, dass den Bedürfnissen der Unternehmen stärker Rechnung getragen wird.“ Die Politik dürfe auf keinen Fall Fakten schaffen, die zu Lasten der Wirtschaft gingen.
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