piwik no script img

Kolumne Press-SchlagBecker für Bares

Martin Krauss
Kolumne
von Martin Krauss

Boris Becker gab einem nicht ganz unsymphatischen Nachkriegsdeutschland ein Gesicht. Jetzt blamiert er sich. Sein Absturz ist eine gesellschaftliche Zäsur.

Er stand mal für eine neue Demokratisierung des Sports, heute ist vom Glamour nicht viel übrig Foto: dpa

A m mittlerweile historischen 7. Juli 1985 gewann der Mann, der danach noch länger als ein Jahrzehnt der „17-jährige Leimener“ war, erstmals das Tennisturnier von Wimbledon. Im Jahr 2017 ist Boris Becker 50 Jahre alt geworden, und aktuell ist über ihn zu lesen, dass er bei „Bares für Rares“, eine Sendung, in der üblicherweise der „Fernsehkoch“ Horst Lichter für 20 Euro löchrige Zinkwannen verscherbelt, den Schläger, mit dem Becker 1999 sein letztes Wimbledon-Spiel absolvierte, per Auktion für 10.000 Euro losschlug. Kleiner Nachteil der ohnehin tragischen Geschichte: Becker war, wie er nun einräumen musste, nicht mit dem Originalschläger in die Sendung gekommen.

Becker ganz unten. Meldungen über eine Insolvenz des einstigen Weltstars und über seine Versuche, bei Pokerturnieren in Tschechien irgendwie an Geld zu kommen, gehörten mit zum Jahr 2017. Dabei zählt Boris Becker – wie auch Franz Beckenbauer oder Lothar Matthäus – ganz unmittelbar dazu, wenn es darum geht, die Erfolgsgeschichte der alten Bundesrepublik zu beschreiben.

Becker machte aus dem elitären weißen Tennis einen Volkssport, den plötzlich viele betrieben und alle schauten. Für die Übertragung eines Becker’schen Vorrundenspiels bei einem ATP-Turnier verschob die ARD sogar die „Tagesschau“. Beckers Unwille, in der Bundeswehr zu dienen, war Ausdruck einer Zivilisierung der bundesdeutschen Nachkriegsgesellschaft. Und die Frauen, mit denen sich der – wie selbstverständlich im Ausland lebende – Becker umgab, entsprachen nicht dem üblicherweise mit Häme gezeichneten Bild einer Spielerbraut, die dumm und möglichst stumm sei. Beckers erste Ehefrau war Barbara Feltus, Schauspielerin, Tochter eines schwarzen US-Fotografen, und den Rassismen, denen Boris und Barbara Becker ausgesetzt waren, begegnete das Paar selbstbewusst.

Doch dieser Befund, dass nämlich der Weltstar Becker einem nicht ganz unsympathischen Nachkriegsdeutschland sein Gesicht gab, war nie ganz eindeutig. „Bum-Bum“ war nicht nur in der englischen Boulevardpresse sein Spitzname. Das wurde auch hierzulande gerne aufgegriffen, um eine angebliche Schlichtheit Beckers auszudrücken.

Kein Ausdruck eines zivilisierten Deutschlands mehr

Vielleicht war Becker es also nie so ganz, jetzt aber – so der traurige Befund – ist nicht nur die Person Boris Becker kein sportlicher Ausdruck eines zivilisierten Deutschlands mehr, sondern: Im Grunde ist dies derzeit auch kein anderer Athlet.

Beckers Absturz, der ihn in Insolvenz und Horst Lichters Sendung treibt und der mit unangenehm viel Häme kommentiert wird, ist eben Ausdruck einer Zäsur der Gesellschaft, die doch einst den „17-jährigen Leimener“ hervorgebracht hatte.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Martin Krauss
Jahrgang 1964, Mitarbeiter des taz-Sports schon seit 1989, beschäftigt sich vor allem mit Fußball, Boxen, Sportpolitik, -soziologie und -geschichte
Mehr zum Thema

17 Kommentare

 / 
  • Der Absturz Beckers soll eine gesellschaftliche Zäsur sein? Immer ärgerlich, wenn der Sport zu sehr sozialpolitisch aufgeladen wird.

     

    Die Verdienste des Sportlers Becker sind unstrittig, dass er im Leben "danach" nicht immer eine so gute Figur machte ebenso. Der Hauptfehler Beckers war und ist es bis heute, das Ganze in der Öffentlichkeit stattfinden zu lassen.

     

    Menschen hatten auch früher Erfolge und sind gescheitert, ohne dass man permanent den gesellschaftlichen Umbruch beschwört, ein äußert nerviges Detail unserer heutigen Zeit.

  • Boris Becker konnte früher prima Tennis spielen. Das war aber auch alles. Dafür hat er vtl. Millionen an Preisgeldern erhalten und all seine mehr oder weniger dubiosen Berater haben dem -sorry- dummen Jungen das Geld aus der Tasche geleiert. Erst hatte er kein Glück und dann kam auch noch Pech dazu. Man sollte Mitleid mit ihm haben, aber jedesmal, wenn er den Mund aufmacht.... Vielleicht sollte er in seiner Alterklasse wieder mit Tennis anfangen. Seniorengruppen gibt´s ja auch.

    • @Thomas Schöffel:

      Nicht mit Geld umgehen zu können, ist nicht dumm, sondern spricht dafür, wie viel einem Geld bedeutet. Sport bedeute Becker wahrscheinlich mehr. Aus Ihren Worten klingt Häme, und der bescheidene Stolz, Ihr höchstwahrscheinlich kleineres Vermögen bisher viel besser verwaltet zu haben. Glauben Sie denn, dass die Reichsten die Klügsten sind? Becker wird nicht die letzte Koryphäe sein, die finanziell scheitert; Schauen wir bspw in die Kunstgeschichte: Würden Sie Caspar David Friedrich, den geliebten Friedrich Schiller u.v.m. als dumm bezeichnen?

      • @lions:

        Ein angesehener deutscher Journalist hat mal ein Buch betitelt mit, daß man Verbrecher auch Verbrecher nennen dürfen soll. Nun, ich halte Herrn Becker für einen begandeten Tennisspieler aber ansonsten für einen ausgemachten Dummkopf. Sorry, aber das ist meine Meinung. Ich habe ihn oft genug im Fernsehen sprechen hören. Ob das auch auf Caspar David Friedrich zutrifft, kann ich nicht sagen. Da kenne ich nur einige seiner Bilder. Aber ich denke, wir reden hier über Becker. Ich bin auch kein Professor für Atomphysik, habe aber meine Meinung über Herrn Becker. Von mir aus können Sie gern für ein Finanzgenie halten.

  • Wenn Becker sportlich für etwas stand, dann steht er heute immer noch dafür. Zur Erinnerung: Becker rief auf dem Platz nicht die Demokratie aus, noch wollte er seine finanzielle Kontinuität dort unter Beweis stellen. Wer Letzteres von einem Sportler auch erwartet, sollte mal über das Motiv seines Zuschauens oder Nacheiferns nachdenken. Als Tennisspieler hat er nicht versagt; Aus die Maus und der Rest ist Boulevardmist.

    • @lions:

      S e h r r i c h t i g !

    • @lions:

      Ich schließe mich an.

    • @lions:

      Jap

    • @lions:

      G e n a u !

  • Was ist das? Linker Boulevard-Journalismus nach dem Motto: Ätsch, wir ham erst gar nichts versucht im Leben und stehen jetzt auch nicht schlechter da? Mannomann, werter Martin Krauss, geh in Dich, zum Jahreswechsel, und fasse Dir ein paar gute Vorsätze- für Dich selbst!

  • "Er stand mal für eine neue Demokratisierung des Sports, heute ist vom Glamour nicht viel übrig

    Foto: dpa"

     

    Danke. Soran Schmarrn - wie der Rest.

    kurz - Wann begreift ihr tazler dess -

    Soran sinnfreier Satz - ist Journaille -

    Fischeinwickelgazette - pur.

    &

    Ab in die Tonne.

    • @Lowandorder:

      Apselut!

       

      So ein veröffentlichter Furzkram lässt mich denken:

       

      TAZ stand mal für linken Journalismus, heute ist vom Glamour nicht viel übrig.

       

      Guten Rutsch ;D

    • @Lowandorder:

      genau

  • 3G
    33293 (Profil gelöscht)

    komischer artikel, irgendwie hämisch, braucht die Taz sowas?

    • 8G
      80576 (Profil gelöscht)
      @33293 (Profil gelöscht):

      Der Mann hatte mal Geld, Ruhm und Frauen. Insignien eines Elitarismus'. Geht garnicht. Da muss einfach der Fäkalieneimer drüber entleert werden.

  • 1985 war "Nachkriegszeit", behauptet die Überschrift?!

     

    Auch die "Zäsur" sitzt schief:

     

    In die Brüche gegangen ist ein sehr aktuelles und im Jet-Set verbreitetes Geschäftsmodell, das in der Schweiz und in London angesiedelt ist. Insolvenzen solcher Geschäftsmodelle gibt es schon immer und wird es weiter geben: Wo ist die Zäsur?

     

    Der Artikel hätte darüber schreiben können, was die alte Bundesrepublik der Mauer und dem Kommunismus verdankt!

    Denn sie war tatsächlich zivilisiert und Boris Becker mit ihr!

     

    Den "Volkssport Tennis" gab es dagegen in Deutschland nur solange, wie 2 Deutsche Weltspitze im TV waren (außer Boris noch Steffi Graf, deren Geschäftsmodell bodenständiger gemänädschd war).