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Kommentar Frauen- und MännerpreiseDas teure Geschlecht

Dinah Riese
Kommentar von Dinah Riese

Frauen verdienen weniger als Männer und zahlen für viele Produkte mehr. Die Gesellschaft scheint sich mit der Ungleichbehandlung arrangiert zu haben.

Teuer, wenn es Männerhaare sind, teurer wenn Frauenhaare Foto: dpa

F rauen zahlen drauf. Beim Friseur, für Rasierklingen, in der Reinigung, auch für manches Duschgel und für Parfüm. Und für Bratwurst. Ja, richtig. Edeka bewarb vor einiger Zeit mal eine „Frauen-Bratwurst“, die pro Kilo 2,02 Euro mehr kostete als die „Männer-Bratwurst“.

Dass es diese Preisunterschiede gibt, war schon vor der Studie der Antidiskriminierungsstelle des Bundes bekannt. Ihre Existenz ist auch nicht erstaunlich: Wenn ich als Unternehmerin zwei Shampoos pro Haushalt, zwei Packungen Bratwurst pro Grill­abend und an Sohn und Tochter des Kunden ihr je eigenes Bobbycar verkaufen kann – eins in Rot und eins in Rosa –, dann mache ich das doch. Und wenn ich für eins der Produkte mehr Geld nehmen kann, um so besser. Warum darauf verzichten, wenn ich nicht muss?

Nun ist es so, dass die Unternehmen müssten. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verbietet es, gleichwertige Produkte aufgrund des Geschlechts der Verbraucher unterschiedlich teuer zu verkaufen. Da greift auch das Argument, ein Frauenhaarschnitt sei in der Regel aufwendiger oder eine Bluse komplizierter zu bügeln als ein Hemd, nur bedingt – zumindest wenn selbst eine Frau mit schlichter Bluse und einfachem Kurzhaarschnitt mehr zahlt als ein langhaariger Mann mit Rüschenhemd. Und das ist zurzeit Realität. Nur: Als Einzelperson dagegen zu klagen lohnt nicht. Die Möglichkeit einer Verbands- oder Sammelklage gibt es nicht.

Damit, dass Frauen in vielerlei Hinsicht fi­nanziell stärker belastet sind, scheint sich diese Gesellschaft ganz gut arrangiert zu haben. Höhere Preise trotz eines Gender Pay Gap von 21 Prozent – als sei das naturgegeben. Die Bösen in diesem Spiel sind allerdings nicht nur Un­ter­nehmen – auch der Staat macht fleißig mit. Frauen zahlen 19 Prozent Mehr­wert­steuer auf Tampons und Binden, während für Klopapier, ­Schnittblumen und Schokolade der reduzierte Steu­ersatz von 7 Prozent für „notwendige Produkte“ gilt. Wie wäre es, wenn dieser Missstand mal behoben würde?

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Dinah Riese
Ressortleiterin Inland
leitet das Inlandsressort der taz. Davor war sie dort seit Oktober 2018 Redakteurin für Migration und Integration und davor von 2016-17 Volontärin der taz Panter Stiftung. Für ihre Recherche und Berichterstattung zum sogenannten Werbeverbot für Abtreibungen, Paragraf 219a StGB, wurde sie mehrfach ausgezeichnet. Im März 2022 erschien von Gesine Agena, Patricia Hecht und ihr das Buch "Selbstbestimmt. Für reproduktive Rechte" im Verlag Klaus Wagenbach.
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17 Kommentare

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  • 8G
    80576 (Profil gelöscht)

    Let's talk about "gender lifespan gap"!

  • Andere Zeitungen schaffen es, die Studie der Antidiskriminierugsstelle differenzierter darzustellen.

    https://www.berliner-zeitung.de/ratgeber/preisunterschiede--frisoer-und-reinigung-fuer-frauen-teurer-29327576

     

    Zum einen stellt die Studie fest, dass eben auch Männer mehr zahlen müssen, beispielsweise im Fitness-Studio, in Diskotheken, bei Dating-Portalen, beim Waxing oder beim Schuster.

     

    Zum anderen stellt die Studie, dass es in 96 % der geprüften Fälle keine sinnlosen Preisunerschiede gibt.

     

    Sachlich falsch - andere würden "Fake News" sagen - ist der Artikel beim Bobby-Car. Rot ist die geschlechtsneutrale Grundvariante und wird zum Teil mit einem Mädchen beworden. Die auf Jungen ausgerichteten Sondervarianten in Schwarz oder Grün sind genauso teuer wie die Mädchen-Variante in Rosa. (Ich finde es persönlich ok, dass Eltern für Sexismus tiefer in die Tasche greifen müssen.)

    https://www.otto.de/spielzeug/kinderfahrzeuge/bobby-car-rutscher/bobby-car

    https://www.real.de/product/300518466/?kwd=&source=pla&sid=4397641&gclid=EAIaIQobChMIqqDiy7ab2AIVChQbCh1DlwIHEAQYAiABEgJ-0vD_BwE

    • @rero:

      Danke für die hilfreiche und entlarvende Recherche.

  • 2G
    2730 (Profil gelöscht)

    Ich weiß nie, ob diese Artikel ernst gemeint sind. Bereits zum 11.11. (mensch beachte das Datum!) konnte ich anhand einer expliziten Rechnung nachweisen, dass die Einführung einer ermäßigten Umsatzsteuer auf frauenspezifische Hygieneprodukte jeder Frau eine monatliche Ersparnis von 24 Cent pro Monat einbringen würde.

    Nur - Zahlen und Fakten scheinen nicht zu interessieren (vgl. auch das immer wieder wiederholte Märchen von den 21% gender pay gap). Es interessiert scheinbar auch nicht, dass man durchaus eine Frauen-Friseuren-Genossenschaft gründen, den Friseur wechseln oder einen blauen Rasierer käuflich erwerben kann. Das alles fällt bei mir unter die Rubrik S wie "schmunzeln".

    Was aber wirklich ärgerlich ist: Gibt es außer den im Artikel aufgeführten Petitessen nichts wichtiges in dieser Welt? Sollte für solch einen larmoyanten Kleinkram wirklich Ressourcenverschwendung (Papier, Strom, Lebens- und Arbeitszeit) betrieben werden? Oder darf ich schließen, dass alle anderen Probleme gelöst sind? Na dann....

  • 7G
    73176 (Profil gelöscht)

    Ich hoffe, sehr geehrte Frau Riese, dass meine Antwort nicht zu einfach ist.

    Keine Angst, die Welt hat sich nicht gegen die Frauen verschworen - auch das Universum nicht.

    Kennen Sie aus dem Buch "Wunder wirken Wunder" von Hirschhausen die Geschichte von Paul (Stichwort "Frühstück")? Falls nicht, unbedingt mal nachlesen.

     

    Wenn Sie das gemacht haben:

     

    Googeln Sie mal Preiselastizität der Nachfrage und das Stichwort "Zahlungsbereitschaft".

    Die Antwort, warum manche Produkte für Frauen teurer sind, erklärt sich also - weitesgehend - ziemlich unspektakulär.

  • 8G
    849 (Profil gelöscht)

    Ist doch gelogen: Männerautos sind viel teurer als Frauenautos und Männerklos sind wahrscheinlich ob der zusätzlichen Urinale auch teurer als Frauenklos und sind sicher auch teurer bei der Reinigung.

  • Ich gehe davon aus, dass die medizinische Forschung bereits mit Nachdruck darin arbeitet, per gentechnischer Mutation Frauen Zeugungsfähigkeit zu verschaffen und Männern das Kinderkriegen zu ermöglichen. Was auch sonst ?!

    Geschlechtergerechtigkeit ist unsere oberste Prämisse !

  • Hindert die Frauen denn jemand zu den blauen statt den rosa Rasierern zu kaufen oder für den Kurzhaarschnitt zum Herrenfriseur zu gehn? Toll, dass hier so begrenzte Sichtweisen aufgezeigt werden.

  • Dass in einem empörten Aufschrei wie dessem auch der Verweis auf das angebliche "Gender-Pay-Gap" von 21%, dessen Zustandekommen jeglichem Prinzip der Statistik Hohn spricht, nicht unerwähnt bleibt, war ebenso vorauszusehen wie das Fehlen jeglicher Faktenorientierung.

     

    Dass baugleiche Rasierer und Bobby-Cars in "weiblicher" Farbgebung mehr kosten als die "männlichen" Produkte, ist in der Tat ein Skandal - der sich leicht beheben lässt, wenn die Käuferinnen einfach nachweisen, dass sie eben nicht so dämlich sind wie von den Herstellern oder Händlern eingeschätzt. Bei den meisten anderen erwähnten Produkten hätte ich aber schon gern zunächst den Nachweis der "Gleichwertigkeit" - selbst bei der lustigen "Frauen-Bratwurst" ist ja nicht a priori auszuschließen, dass sie Zutaten enthält, die dem weiblichen Geschmack besonders entgegenkommen.

     

    Zum Thema "Haarschnitt" und "Blusenreinigung" habe ich inzwischen Argumente gelesen, die nicht völlig abwegig sind (z.B. größeren Zeitbedarf bzw. manuell zu behandelnde Applikationen). Da kann man dann natürlich nicht alle Haarprachten und Blusen über einen Kamm scheren - aber das gälte dann auch beim Vergleich verschiedener Männerfrisuren und -hemden gegeneinander.

  • 3G
    32795 (Profil gelöscht)

    Selten so nen Schwachsinn gelesen (mal von der MWSt abgesehen).

     

    Wer hindert Frauen daran den Männerrasierer zu kaufen? Wer zwingt sie zur „Männerbratwurst“?

     

    Sogar der „Frauenhaarschnitt“ ist kein Muss. Dann nehmt doch den „Männerhaarschnitt“. Kurz bisschen naß machen, schneiden, fertig, nach 20 Min. erledigt. Auch Frauen können sich nen Männerhaarschnitt kaufen, ist überhaupt kein Problem (OK, der Frisör kuckt erstmal dumm, kann da aber nicht viel dagegen machen).

  • Neulich hat mir eine Frau ausführlich betont, warum ihre Kurzhaarfrisur etwas ganz andere als eine Männerfrisur ist. Da wäre jedes Haar einzeln gestylt.

    Bei Rasierern stelle ich mir die Frage, warum Frauen dafür, dass der Rasierer eine andere Farbe hat das doppelte zahlen. Dabei sind die Preise für Rasierer sowieso Mondpreise - da wird pro Kundengruppe genommen, was gezahlt wird.

    Bei Kleidung haben Frauenkleider einen wesentlich schnelleren Saisonzyklus als Männerkleider, die es teilweise mehrere Jahre lang gibt. Der Second-Hand Markt hat fast nur Frauenkleider - da ist das Angebot für günstige Klamotten für Männer sehr begrenzt.

    Dann gibt es die Fälle, in denen der Aufwand unterschiedlich, aber der Preis pauschal gleich ist. Frauen sind im Schnitt leichter, zahlen aber den gleichen Preis beim Fliegen. Sie essen weniger und zahlen den gleichen Preis. Man könnte aber sagen, dass diese Gleichbehandlung bei ungleichen Voraussetzungen gerade Gleichberechtigung ist. Schließlich sollen Menschen nicht für ihr Gewicht oder ihren Appetit benachteiligt werden. Wenn nun aber eine kleinere Portion für weniger Geld verkauft wird, könnte man darin dann schon fast wieder einen Gleichheitsverstoß sehen. Ist die Portion dann nur etwas billiger und damit pro Gramm teurer, ist das quasi dazwischen und eben kein Beispiel für einen Gleichheitsverstoß.

    Das mit der Gleihberechtigung ist so eine Sache. Ein Damenrasierer darf nicht teurer als ein baugleicher Herrenrasierer sein. Ein Rosarasierer darf aber teurer als einer in Hellblau sein.

    • 8G
      849 (Profil gelöscht)
      @Velofisch:

      Also ich bin sehr dafür, dass man beim Fliegen nach Gewicht bezahlt! :-)

    • @Velofisch:

      Wenn mensch das nicht weiter aufschlüsseln kann als Mann/Frau, dann ist es Sexismus. Das ist eine rationale Erkenntnis, die auch überall sonst genau so funktioniert.

  • Liebe Autorin, und auch der der Staat macht fleißig mit - ich sehe schon die GroKo, wie sie sich einen Kopf macht, Frauen noch Einen über zu braten. *Ironie off*

     

    Die Märchensteuer ist überhauot überwiegend schwachsinnig.

    Nicht der "Staat" ist es, sondern die Parteigänger der Vermögenden. Dies muss nicht zwangsläufig der "Staat" sein.

  • Frauen sind bereit für weniger Geld zu arbeiten und mehr Geld für bestimmte Produkte zu bezahlen - als Männer. Ausserdem haben sie bessere Schulabschlüsse - als Männer. Nur in Mathematik gibt es offensichtlich ein paar Probleme ...

     

    Da müssen jetzt unbedingt Initiativen und Gesetze her, um all diese Missstände zu beseitigen!

  • Also, das mit der unterschiedlichen Besteuerung von Klopapier und Tampons ist schon heftig. Danke für diese Aufklärung.

     

    Das mit den unterschiedlichen Preisen beim Friseur wäre ja bei unterschiedlichem Aufwand völlig in Ordnung, aber das schlicht am Geschlecht festzumachen ist in der Tat Sexismus. Früher hatte ich mal lange (und mehr) Haare und meine damalige Freundin einen kurzen Maschinenschnitt. Wer hat wohl mehr bezahlt? Siehste!

  • Ich kaufe mir aus Solidarität alle 28 Tage ein paar Packungen Damenbinden, die ich dann umgehend an die Bahnhofsmission weitergebe, verlange aber auch von meiner Freundin, dass sie sich täglich rasiert. Nur so lässt sich Geschlechtergerechtigkeit erzielen.