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Urteil zu MietrückständenBesserer Schutz gegen Rauswurf

Mietern darf nicht mehr fristgemäß gekündigt werden, wenn sie binnen zwei Monaten ihre Schuld begleichen. Das entschied ein Berliner Gericht.

Wohnungen in Berlin-Mitte, wohl etwas schnieker als die vor Gericht verhandelte Foto: dpa

Freiburg taz | Das Landgericht Berlin will Mietern helfen, denen wegen Mietrückständen gekündigt wurde. Wenn die Miete kurzfristig nachbezahlt wird, soll nicht nur eine fristlose, sondern auch eine ordentliche Kündigung wirkungslos sein. Dieser Auslegung müsste sich allerdings noch der Bundesgerichtshof anschließen, der bisher anders urteilt.

Konkret ging es um eine Einzimmerwohnung in Ostberlin, für die monatlich 250 Euro Miete zu zahlen war. Als der Mieter im Juli 2016 mit zwei Monatsmieten im Rückstand war, kündigte der Vermieter fristlos und – „rein vorsorglich“ – auch noch fristgemäß.

Eine Woche später tilgte der Mieter seine Mietschulden. Damit war die fristlose Kündigung unwirksam geworden. Das sieht das Bürgerliche Gesetzbuch ausdrücklich vor (§ 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB). Der Mieter hat zwei Monate Zeit, um durch Nachzahlung der Miete die fristlose Kündigung abzuwenden. Auch eine öffentliche Stelle, zum Beispiel das Sozialamt, kann in dieser „Schonfrist“ einspringen, um Obdachlosigkeit zu vermeiden.

Doch trotz der Nachzahlung verlangte der Vermieter die Räumung der Wohnung und berief sich auf seine parallel ausgesprochene fristgemäße Kündigung. In der ersten Instanz beim Amtsgericht Pankow/Weißensee hatte er damit Erfolg. Der Mieter sollte zum April 2017 ausziehen. Das Pankower Urteil entsprach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH): Die Nachzahlung der Miete innerhalb der zweimonatigen Schonfrist lasse nur die fristlose Kündigung entfallen, nicht aber eine fristgemäße Kündigung. Der Wortlaut des Gesetzes sei eindeutig.

Kündigung geht „ins Leere“

Das Landgericht Berlin hat in einem Urteil von Mitte Oktober (Az.: 66 S 90/17) aber einen Kniff gefunden, dem Mieter dennoch zu helfen: Die fristgemäße Kündigung des Vermieters könne „keine Wirkung“ entfalten, weil das Mietverhältnis schon durch die fristlose Kündigung beendet wurde. Die fristgemäße Kündigung gehe deshalb „ins Leere“. Daran ändere sich auch nichts, wenn eine Nachzahlung der Miete später die Wirkung der fristlosen Kündigung entfallen lasse.

Mit dieser Lösung weiche man nicht von der BGH-Rechtsprechung ab, denn mit solchen Argumenten habe sich der Bundesgerichtshof noch nicht beschäftigt. Das Landgericht ließ deshalb aber Revision zum Bundesgerichtshof zu. Der Ausgang des Verfahrens ist von großer praktischer Bedeutung.

Auch eine öffentliche Stelle kann in dieser Schonfrist einspringen

Parallel dazu gibt es auch politische Initiativen, das Mietrecht an diesem Punkt nachzubessern. So schlug Justizminister Heiko Maas (SPD) in seinem Entwurf für eine zweite Mietrechtsnovelle im April 2016 vor, die Schonfristregelung auch auf fristgemäße Kündigungen auszuweiten. Er konnte sich damit in der Großen Koalition aber nicht durchsetzen.

Ein ähnlicher Antrag des rot-rot-grünen Berliner Senats liegt seit April 2017 im Bundesrat. Federführend waren in Berlin Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (Linkspartei) und Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne).

Falls sich die Rechtslage – gerichtlich oder politisch – ändert, würde dies nicht zuletzt die Bereitschaft der Sozialbehörden erhöhen, Mietrückstände zu übernehmen. Die Behörden waren hierzu oft nicht bereit, wenn sich das Mietverhältnis eh nicht retten ließ. Oder sie mussten mit dem Vermieter teure Deals schließen, dass das Amt seine Prozesskosten übernimmt, wenn er auf die fristgemäße Kündigung verzichtet.

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11 Kommentare

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  • Lach. Ein Vertragsverhältnis wird durch eine außerordentliche Kündigung (vermeintlich) beendet, hilfsweise durch eine ordentliche. Dann wir die fristlose Kündigung für unwirksam erklärt, so dass das Vertragsverhältnis eigentlich wieder auflebt oder eigentlich sogar nie beendet war. Dennoch soll die (nicht gültige!) Vertragsbeendigung durch die unwirksame außerordentliche Kündigung dazu führen, dass auch die ordentliche Kündigung unwirksam ist, weil ja kein Vertragsverhältnis bestand. Also, wenn ich so einen Unsinn in einer meiner Jura-klausuren geschrieben hätte, dann hätte ich mich mal über 3 Punkte freuen dürfen.

  • Habenichtse sollten Wohnungs- und Arbeitgebern mehr Dank zollen!

    Denn diese edle Gattung ist das Wertvollste im Kapitalistenstaat.

    • @amigo:

      Ich hoffe, Sie tun das selbst auch und nicht gar gegensätzliches. Diese edle Gattung steht nämlich unter besonderem Schutz. ;)

    • @amigo:

      Wir können gerne auf Wohnungsgeber verzichten... die kaufen dann Immobilien nur noch für den Eigenbedarf und legen das Geld dann in Aktien, Anleihen oder Ähnlichem an.

      Blöd nur für alle die kein Eigentum erwerben können... aber.. es gibt ja genug kuschelige Brücken in Deutschland.. und auch Zelte bekommt man billig über Amazon oder Ebay.

      Arbeitgeber sind auch doof... egal.. dann stellen die halt nur noch gut ausgebildete Eu-Arbeitssuchende ein.

      aber... dann wirds leider auch knapp mit dem Zeltkauf bei Ebay.... wie gesagt.. kuschlige Brücken hats noch genug.

  • Glaubt irgendwer, dass derartige Urteile dafür sorgen, die stets kritisierte Wohnungsnot zu beseitigen?

    Solche Urteile und Forderungen wie von den Berliner Grünen und Linken schrecken immer mehr Privatanleger ab, die gerne in Betongeld investiert hätten.

    • @Thomas März:

      Nö, sicher nicht. Wer klagt denn schon dagegen? Der soziale Staat ist eine Illusion.

       

      Oftmals wird das Betongeld gerne in neue Bürogebäude, Eigentumswohnungen und teuervermietete Wohnungen sowie Sanierung, um dann teurer weiterzuvermieten, gesteckt. Denke nicht, dass da Menschen mit niedrigen Einkommen viel vom Betongeld haben.

  • Zukünftig muss im Falle des Mietrückstandes also erst die ordentliche Kündigung zugestellt werden (das Mietverhältns besteht ja dann noch) und erst dann die außerordentliche Kündigung ausgesprochen werden. Gegebenenfalls sollte einfach auf die außerordentliche Kündigung verzichtet werden.

     

    Die Rechtsprechung wird kaum beim BGH durchkommen.

  • Da haben ein paar Richter beim Landgericht offensichtlich zu tief ins Glas geschaut: Ein Vertragsverhältnis kann nicht gekündigt werden, weil es durch Kündigung bereits aufgelöst ist aber die erste Kündigung ist nachträglich wirkungslos und das Vertragsverhältnis ist fortzusetzen. Demnach könnten gekündigte Vertragsverhältnisse nicht erneut gekündigt werden. Gehts noch??

    • @DiMa:

      Die eigentliche Frechheit ist, dass die Schonfristzahlung nur die fristlose un nicht auch die fristgemäße Kündigung heilen soll. Der BGH hat sich da was vollkommen Idiotisches ausgedacht, die CDU verhindert, dass das BGB die Sache wieder klarstellt und tausende Menschen, die ihre Mietschulden innerhalb kürzester Zeit beglichen haben, mussten dennoch ihre Wohnungen räumen. Das ist der eigentliche Skandal. Und deswegen versuchen Gerichte bundesweit nun, sich eine Argumentation auszudenken, die Mieter wieder wirksam zu schützen. Denn bevor der BGH die Revisionsinstanz im Mietrecht wurde (2002?), haben alle deutschen Gerichte das Gesetz so angewendet, dass die Nachzahlung immer die Kündigung insgesamt beseitigte.

      • @Max Mutzke:

        Sie sagen es, der Ball liegt bei der Politik. Das rechtfertigt jedoch keine politischen Entscheidungen.

    • @DiMa:

      Den Punkt habe ich ehrlich gesagt auch nicht so ganz verstanden...