Arabischer Boykott von Berliner Festival: Pop-Kultur als Politikum
Nach einem Boykottaufruf fehlen vier Künstler bei einem Berliner Festival. Der Grund: Die israelische Botschaft ist Partner der Veranstaltung.
Das kommende Woche in Berlin beginnende Festival Pop-Kultur wird zum Politikum: Vier Künstlerinnen und Künstler aus dem arabischen Raum haben ihre Teilnahme an der dreitägigen Musik- und Diskursveranstaltung abgesagt – mit der Begründung, dass die israelische Botschaft ein Partner des Festivals ist.
Damit folgten sie einem Boykottaufruf der „Boycott, Divestment and Sanctions“(BDS)-Initiative, deren Agenda es ist, Israel auf wirtschaftlicher, politischer und seit jüngster Zeit auch verstärkt auf kultureller Ebene zu boykottieren und isolieren. Es steht zu befürchten, dass den vier Acts – dem syrischen Rapper Abu Hajar und dessen Landsleuten Hello Psychaleppo, der tunesischen Sängerin Emel Mathlouthi sowie dem ägyptischen Elektronik-Trio Islam Chipsy & EEK – noch weitere folgen werden.
Denn BDS forderte offenbar alle der rund 100 gebuchten KünstlerInnen in persönlichen Anschreiben auf, dem vom Berliner Senat und dessen Pop-Institution Musicboard ausgerichteten Festival fernzubleiben – mit der Behauptung, die israelische Regierung nehme direkt Einfluss auf die Ausrichtung des Festivals. Katja Lucker, Chefin des Musicboards, sagt dazu, es gebe nicht die geringsten inhaltlichen Absprachen. Bei dem Sponsoring handelt es sich im Übrigen um einen Reisekostenzuschuss für Künstler in Höhe von insgesamt 500 Euro.
Verärgert zeigt sich auch der Berliner Kultursenator Klaus Lederer. Die Absage sei „enttäuschend für all jene, die wie ich dachten, wir seien weiter – wären klüger“, sagte er gegenüber der Berliner Morgenpost. Und weiter: „Mit Fake-News über eine angebliche Kofinanzierung des Festivals durch den Staat Israel zu operieren, ist widerlich und entsetzt mich“.
„Schaden vor allem für Berlins Kulturszene“
Fassungslos zeigte sich auch die israelische Botschaft in einer Stellungnahme: „Israel setzt sich gerne für die Kultur in Deutschland, für Kooperationen und für den Dialog generell ein – etwas, das die Befürworter dieses Boykotts nicht anstreben. Diese Menschen fordern, dass sich Künstler in Deutschland gegen Israel stellen. Dies schadet zuallererst und vor allem der Berliner Kulturszene.“
Die israelische Botschaft war bereits im vergangenen Jahr Unterstützer des „Pop-Kultur“ – einer von rund 40. Der Gegenwert für die 500 Euro Zuschuss ist, dass das Logo der Botschaft auf der Festival-Website abgebildet wird. Das Pop-Kultur-Festival in Berlin, das vor zwei Jahren als Nachfolger der Branchenveranstaltung Berlin Music Week ins Leben gerufen wurde und mit gut 1,1 Millionen Euro öffentlich gefördert wird, setzt inhaltlich stark auf Diskurs und Austausch. Die KuratorInnen achten bewusst darauf, dass etwa InterpretInnen und DiskutantInnen aus den arabischen Zuwandererstaaten dabei sind. „Nun fallen diese Stimmen weg, das ist traurig“, sagt Kurator Christian Morin.
Klaus Lederer, Berliner Kultursenator
Von dialogischen Stimmen ist auf der Website der deutschen BDS-Dependance naturgemäß nichts zu sehen. Dort prangt der Schriftzug: „Pop-Kultur Festival 2017, sponsored by Apartheid“. Der Support des Festivals wird dort als Versuch seitens Israel dargestellt, sich von Menschenrechtsverletzungen – die hier mit dem Prä-Mandela-Südafrika gleichgesetzt werden – gegenüber Palästinensern reinzuwaschen und „Imagepolitur“ zu betreiben. In den persönlichen Anschreiben der Kampagne verwiest BDS direkt auf die bekannte antiisraelische und -zionistische Website electronicintifada.net.
Neue Dimension des Boykotts
Die prominenteste Stimme unter den Absagen ist die Tunesierin Emel Mathlouthi, die 2011 während des Arabischen Frühlings häufig öffentlich aufgetreten ist. Sie habe nichts von dem Sponsoring gewusst und bedankt sich auf ihrer Facebook-Seite bei denen, die sie darauf aufmerksam gemacht hätten, so die Künstlerin. „Wo die Situation innerhalb und außerhalb Palästinas sich nun verschlimmert, kann jeder von uns nur Solidarität und Empathie zeigen“, schreibt Mathlouni auf Facebook. „Als ich beim Pop-Kultur-Festival zugesagt habe, waren die Sponsoren noch nicht bekannt gegeben worden.“
Die antiisraelischen Bestrebungen von BDS im Kulturbereich erreichen damit einen neuen Höhepunkt. Dass Stars wie Roger Waters, Brian Eno und einige weitere – vor allem britische – Künstler zu Boykotten aufrufen oder dass Auftritte in Israel kritisiert wurden, ist nichts Neues, dass aber das zweitgrößte staatlich geförderte Festival hierzulande systematisch attackiert wird, hat eine andere Dimension.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Alkoholpreise in Deutschland
Das Geschäft mit dem Tod
Soziologe über Stadt-Land-Gegensatz
„Die ländlichen Räume sind nicht abgehängt“
Jüdische Wähler in den USA
Zwischen Pech und Kamala
Krieg im Libanon
Netanjahu erhöht den Einsatz
US-Präsidentschaftswahlen
Warum wählen sie Trump?
Die US-Wahl auf taz.de
CNN und AP erklären Trump zum Wahlsieger