UN-Ozeankonferenz in New York: Themen, so weit wie das Meer
Mehr Plastik als Fisch im Meer? So weit könnte es 2050 sein. Die UN sprechen über Plastikmüll, Fischerei, Klimawandel und Rohstoffabbau.
Wie die gewaltigen Ressourcen der Meere erhalten und möglichst nachhaltig genutzt werden können, darüber diskutieren bis Ende der Woche Politiker, Nichtregierungsorganisationen, Unternehmen, Wissenschaftler und Institutionen auf der ersten großen Ozean-Konferenz der Vereinten Nationen.
Die Ozeane seien weltweit „bedroht wie nie zuvor“, sagte UN-Generalsekretär António Guterres in seiner Eröffnungsrede am Montag. Die Zahl der Tonnen Plastik könnte im Jahr 2050 in den Ozeanen größer sein als die Zahl der Tonnen Fisch, warnte Guterres. Das werde geschehen, wenn sich am Betrieb und Umgang mit den Weltmeeren nichts ändere. Er forderte Präsidenten, Minister und Diplomaten von fast 200 Ländern auf, territoriale und rohstoffbedingte Interessen zu überwinden. Sonst werde sich der Zustand der Ozeane weiter verschlechtern.
Die Konferenz tagt ausgerechnet in der Woche nach dem großen Knall, mit dem US-Präsident Donald Trump sein Land aus der internationalen Klimapolitik verabschiedet hat. „Die Bedeutung der Ozeankonferenz nimmt seit der Ankündigung des US-Präsidenten, aus dem Pariser Klimaabkommen auszusteigen, durchaus zu“, urteilt das Bundesumweltministerium.
So sollte beispielsweise die klimaregulierende Rolle der Meere klar thematisiert werden. Die Themen der Konferenz sind so weit wie das Meer: Vom Plastikmüll über nachhaltige Fischerei und die großen Gefahren des Klimawandels gerade für die Weltmeere bis eben zum Rohstoffabbau reichen sie.
„Gemeinsames Erbe der Menschheit“
Der häufig beschriebene „Run“ der Unternehmen auf die Erzschätze des Meeresgrundes sei allerdings eher ein vorsichtiges, in die Zukunft gerichtetes Interesse, sagt Ulrich Schwarz-Schampera, der den Arbeitsbereich Lagerstätten der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) leitet. So wie die Erzreste in den Überbleibseln mittelalterlichen Bergbaus stellten Kupfer, Gold, Zinn und Seltene Erden der Tiefsee eine Art stille Reserve dar, sollten die Erze auf der Erde tatsächlich einmal knapp werden.
„Immer, wenn wichtige Rohstoff-Förderländer wie China damit drohen, die Versorgung einzustellen, oder wenn die Preise steigen“, so Schwarz-Schampera, „dann kommt der Tiefseebergbau wieder auf die Tagesordnung von Politik und Wirtschaft.“ Die Unternehmen verschicken Absichtserklärungen, und die Staaten verstärken ihre Anstrengungen, ein nationales Recht zum Bergbau im Meer zu schaffen. Das brauchten sie nämlich, um bei der Internationalen Meeresbodenbehörde eine Lizenz zu erwerben, mit der sie dann nach Manganknollen oder Massivsulfiden suchen könnten, die die begehrten Metallerze enthalten.
Deutschland besitzt derzeit Lizenzen für zwei Gebiete im Indischen Ozean und im Pazifik, genau wie China, Russland, Japan und andere Staaten, die sich den Erstzugriff in anderen Gebieten gesichert haben. 2021 laufen die Lizenzen aus, bis dahin müssen sich die Staaten entschieden haben, ob sie tatsächlich konkrete Förderprojekte auf den Weg bringen wollen.
Sollten Unternehmen auf dem Grund der Tiefsee, der als „gemeinsames Erbe der Menschheit“ bestimmt ist, nach Rohstoffen suchen, müssen sie einen Teil der Gewinne an die Meeresbodenbehörde mit Sitz im jamaikanischen Kingston abführen. Die Behörde wird das Geld dann an die Mitglieder verteilen.
„Es wird noch interessant werden, ob das wirklich funktioniert“, sagt Nele Matz-Lück, Professorin für Seerecht an der Universität Kiel. Die Regime seien zwar entwickelt, müssten aber noch nicht angewendet werden – schließlich fördert bislang keine Firma Gold oder Kupfer.
Mit einer zentralen Behörde dem Tiefseebergbau einen rechtlichen Rahmen zu geben, hält Matz-Lück für einen guten Ansatz. Überhaupt gebe es einige gute gesetzliche Regelwerke für die See, etwa für Abfallmanagement von Schiffen oder das Seerechtsabkommen für eine nachhaltige Fischerei.
Bewahrung und nachhaltige Nutzung der Ozeane
„Es hält sich nur leider niemand daran“, so Matz-Lück. Es gebe keine zentrale Kontrollinstanz, vielen Staaten fehlten der Wille oder die Mittel, um illegale Fangflotten oder Müllverklappungen zu bekämpfen. In der Praxis würden noch die Regeln der „Freiheit der Schifffahrt“ aus dem 17. Jahrhundert gelten. Von der Ozean-Konferenz in New York erwartet Matz-Lück zwar keine konkreten Ergebnisse wie Geldzusagen oder rechtsverbindliche Beschlüsse, aber immerhin: „Das Thema gelangt weltweit wieder prominent auf die Tagesordnung“, sagt die Juristin, „und das ist wichtig, vor allem wenn es zurück auf die Ebene der Staaten spielt.“
Mehr Meeresschutz, weniger Plastik
Die UNO hatte die Konferenz auf Initiative Schwedens und der Fidschi-Inseln organisiert. Im Zentrum steht die Frage, wie die Nummer 14 der Ziele für Nachhaltige Entwicklung (SDG für Sustainable Development Goals) umgesetzt werden kann: die Bewahrung und nachhaltige Nutzung der Ozeane, Meere und maritimen Ressourcen. Es ist eins von 17 Zielen, auf die sich 193 Staaten in der UN-Generalversammlung 2015 im Rahmen der „Agenda 2030“ geeinigt haben.
Am Ende der Fünftagekonferenz soll laut Peter Thompson, dem Vorsitzenden der UN-Generalversammlung, eine politische Erklärung, eine „Call for action“, stehen. Bislang geht dem Bundesumweltministerium die aktuelle Fassung des Dokuments nicht weit genug, „hier möchten wir weitere Verbesserungen erreichen“, so ein Sprecher.
Während sich Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) zur Plenardebatte nach New York begibt – dort wird sie am Donnerstag sprechen –, lädt die BGR nach Hannover zu einem „Umwelt- und Ressourcen-Symposium“ ein. Die dem Bundeswirtschaftsministerium nachgeordnete Behörde will dort die Ergebnisse ihrer Rohstofferkundung in der Tiefsee vorstellen.
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