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Journalistische Herausforderung AfDBleibt sachlich!

Sie nennen Medien „Lügenpresse“ und wollen per Tabubruch Aufermerksamkeit. Dennoch sollte man über die AfD objektiv berichten.

Pegida-Demo 2016: Schön, wenn man so geliebt wird. Von Umarmungen wird dennoch abgeraten Foto: dpa

Als Journalistin über die AfD zu schreiben, die für sich selbst beansprucht, Teil von Gegenöffentlichkeit zu sein, ist anders, als über andere Parteien zu berichten. Da sind Politik und Ziele der AfD, die die weltoffene Gesellschaft angreifen und den demokratischen Rechtsstaat, in dem wir leben, gefährden können. Da ist zudem der mitunter schwierige direkte Umgang mit der Partei, ihren Funktionär*innen und Anhänger*innen. Und die Gefahr, als Journalistin das Geschäft der Rechtspopulisten zu betreiben. Wie also über die Partei berichten? Fünf Gedanken.

1. Keine Pauschalurteile

Man muss die Inhalte der AfD nicht mögen, aber sie füllt eine Lücke, die am rechten Rand des demokratischen Parteienspektrums entstanden ist. Weder die Mitglieder noch die Wähler*innen sind alle Rassist*­innen oder gar Rechtsextreme. Manche von ihnen wünschen sich schlicht die schwarz-weiße Welt der Kohl’schen CDU zurück, sie haben das Recht auf eine politische Repräsentanz. Aber es gibt völkische und rechtsextreme Positionen in der AfD, Funktionär*innen und Anhänger*innen, die sich an oder jenseits der Grenze des Zulässigen bewegen, die Teil von Netzwerken weit ins rechtsextreme Lager sind. Und sie werden mehr.

Das muss gut recherchiert und präzise beschrieben werden, Pauschalisierungen sind fehl am Platz. Sie helfen weder, die AfD und ihre Anhänger*innen zu begreifen, noch bringen sie diese dazu, über ihre Entscheidung nachzudenken. Stattdessen bestätigen sie ihre Vorurteile gegen Medien und das Gefühl, mal wieder Opfer zu sein.

Benno Ohnesorg liegt blutend auf dem Boden, Friederike Hausmann beugt sich über ihn
50 Jahre gegen den Strom

2. Juni 1967: Ein Schuss tötet den Demonstranten Benno Ohnesorg. Dieses Datum markiert den Beginn einer bis heute geführten Debatte über Gegenöffentlichkeit, über die Medien, über Wahrheit und Lüge, oder, wie man heute formulieren würde, über Fake News und alternative Fakten, über Verschwörungstheorien, bürgerliche Zeitungen und alternative (auch rechte) Blätter, über die „Wahrheit“ und die Deutungshoheit gesellschaftlicher Entwicklungen. Nachdenken über 50 Jahre Gegenöffentlichkeit: taz.gegen den stromDie Sonderausgabe taz.gegen den strom – jetzt im taz Shop und auf www.taz.de/gegenoeffentlichkeit

2. Sachlich bleiben

Die taz hat jüngst die beiden Spitzenkandidat*innen der AfD auf der Titelseite als „Das Ekelpaket“ bezeichnet, ein Teil der Redaktion und der Leser*innen mag das angemessen oder witzig finden. Es bleibt aber eine persönliche Diffamierung unter der Gürtellinie, die nichts zu einer inhaltlichen Auseinandersetzung mit der AfD beiträgt. Darum aber sollte es gehen.

3. Klug sortieren

Für die AfD ist Provokation ein zentrales Mittel, um Aufmerksamkeit und Berichterstattung zu generieren, das hat die Parteispitze in einem Strategiepapier selbst so formuliert. Für Journalist*innen ist das ein Dilemma: Berichten sie, spielen sie das Spiel der AfD mit. Aber deshalb nicht schreiben? Journalist*innen sollten hier tun, was sie immer tun sollten: Sorgsam abwägen, was berichtenswert ist und was nicht. Billige Provokationen sind das eher nicht, Tabubrüche wie Höckes Forderung einer „180-Grad-Wende in der Erinnerungskultur“ oder Petrys Überlegung, an der Grenze auf Flüchtlinge zu schießen, schon eher.

4. Genau hinsehen

Die AfD benennt auch gesellschaftliche Probleme, die es wirklich gibt und die einen Teil der Bevölkerung umtreiben. Die Profillosigkeit mancher Parteien. Der Sexismus mancher Migrant*innen. Die schlechten Aussichten mancher Flüchtlinge auf dem Arbeitsmarkt. Probleme bei der Inklusion. Haben wir diese und andere Probleme deutlich genug benannt? Oder manchmal aus Sorge, es könnte die Situation weiter verschlimmern, einen Teil der Realität ausgeblendet? Und damit Platz gelassen für die einfachen Antworten der Rechtspopulist*innen? Es hilft alles nichts: Wir müssen dahin schauen, wo es wehtut. Und zwar ganz genau.

5. Haltung zeigen

Sachlich zu berichten aber heißt nicht, dies ohne Haltung zu tun. Diese kann sich in der Auswahl der konkreten Themen und ihrer Einordnung niederschlagen, in hartnäckiger Recherche oder der Auswahl von Gesprächspartner*innen. Die eigene Meinung aber kann man sich getrost für den Kommentar aufsparen.

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10 Kommentare

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  • Naja, ein Artikel der Sachlichkeit fordert, dann aber die Äußerung über einen angeblichen Schießbefehl auf Kinder einbaut, widerspricht sich selbst.

     

    Grenzen werden auch mit Waffengewalt verteidigt, deshalb haben wir eine Armee - das kann man für falsch halten - aber wer daraus einen "Schießbefehl" konstruiert, muss Merkel als Mörderin bezeichnen. Denn die Schießbefehle in Afghanistan sind nicht weniger unmoralisch als die Verteidigung der Landesgrenze.

     

    Soviel zum Umgang mit der AFD.

     

    Was passiert, wenn jemand offen über Probleme spricht musste Frau Wagenknecht erfahren. dabei war auch die Taz nicht ganz unschuldig. https://www.taz.de/Archiv-Suche/!5368997

  • Um sachlich zu bleiben, muss man immer wieder betonen, dass die pauschale Diffamierung der Presse durch Äußerungen wie „Lügenpresse“, wie die AfD und Pegida das tun, gab es schon mal in der Geschichte Deutschlands. Adolf H. mit seinen nahestehenden Nazis haben früher genau so gehandelt.

     

    Was kann die Gesellschaft daraus entnehmen? Was können Journalisten tun?

     

    Fehler der Vergangenheit dürfen nicht wiederholt werden, die Folgen können fatal sein! Journalisten dürfen nicht wieder mundtot gemacht werden und sollen durch das Schreiben die Gesellschaft vor erneuten Fehlern bewahren!

  • 5G
    571 (Profil gelöscht)

    "Die AfD füllt eine Lücke, die am LINKEN Rand des demokratischen Parteienspektrums entstanden ist, ..."

     

    Und wer belegte vor der AfD diese "Lücke" am LINKEN Rand?

    • 5G
      571 (Profil gelöscht)
      @571 (Profil gelöscht):

      War als Antwort an

      @MOWGLI gedacht...

  • Die AFD macht genau das was auch Trump in Amerika macht, sie stellt Journalisten als politische Akteure dar und jeder Meinungsartikel dagegen wird von der Bevölkerung idR auch so wahrgenommen.

     

    Wie ging noch der Satz für Journalisten früher?

    "man darf sich mit keiner Sache gemein machen, auch nicht mit einer guten"

    • 5G
      571 (Profil gelöscht)
      @Dideldidum:

      "Wie ging noch der Satz für Journalisten früher?

      "man darf sich mit keiner Sache gemein machen, auch nicht mit einer guten""

       

      An ein Zitat von Hajo Friedrichs angelehnt, einstiger Tagesthemen-Moderator.

      Warum hat er 's gesagt? Weil sich schon damals viele nicht daran hielten. Ist aber auch verdammt schwierig...

  • Einen wichtige Erinnerung nicht nur für die, die schreiben, sondern auch für die, die lesen.

    Demokratie und Meinungsfreiheit bedeutet schließlich eben nicht, dass alle einer Meinung sein müssen. Jeder muss auch andere Ansichten anerkennen und sich damit auseinandersetzen.

    Das Schlimme momentan ist nicht, dass immer mehr Menschen eine wenig freiheitliche Meinung vertreten, sondern die Rücksichtslosigkeit und Sturheit, mit der diese Meinung vertreten wird.

  • Falsch, werte Sabine am Orde. Die AfD füllt eine Lücke, die am LINKEN Rand des demokratischen Parteienspektrums entstanden ist, nicht am rechten. Die Rechten machen sich diese Lücke und die mangelhafte politische Bildung gewisser Wählergruppen – die Teil der Lücke ist – lediglich zu Nutze.

     

    Im Übrigen haben Sie natürlich völlig recht: „Das muss gut recherchiert und präzise beschrieben werden, Pauschalisierungen sind fehl am Platz.“ Meinung ist etwas für die Kommentarspalten.

     

    Apropos recht haben: Ja, auch die taz muss mitunter „dahin schauen, wo es wehtut. Und zwar ganz genau.“ Wenn sie aber weiter nichts tut als das, macht sie sich mitschuldig am (Wieder-)Aufstieg der Rechten. Die Lücke, schließlich, der die Rechten ihre aktuelle Popularität und ihre Chance, vermeintlich unpolitische Wähler zu missbrauchen, verdanken, wird sich von alleine niemals schließen. Eventuelle Alternativ-Ideen, die die entstandene Lücke füllen könnten, müssten schon auch publiziert werden, damit sie Raum greifen in der Gesellschaft.

     

    Haltung, werte Sabine am Orde, zeigt man keineswegs nur, indem man darüber schreibt, wie sehr man GEGEN etwas ist. Sie sollten jenen Männern, die das Gegenteil behaupten, nicht alles glauben, was sie zu ihrer Selbstberuhigung so von sich geben. Haltung zeigt man vor allem, indem man sagt, WOFÜR man eigentlich ist. Auch auf die Gefahr hin, dass im „Säurebad“ öffentlicher Kritik davon nicht sehr viel übrig bleibt.

  • "Die eigene Meinung aber kann man sich getrost für den Kommentar aufsparen."

     

    Wohl wahr, nur scheint das kein Konsens mehr in vielen Berichten und Nachrichten von TAZ bis Welt!

    • @Tom Farmer:

      Wundet Sie das? Mich nicht. Nichts ist billiger zu haben als eine Meinung, die auf der Meinung anderer basiert..