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Kritiker über Autobahn-Gesellschaft„Ganz offen durch die Vordertür“

Auch nach den von der SPD durchgesetzten Änderungen sieht Carl Waßmuth die geplante Infrastrukturgesellschaft als große Gefahr. Denn „die Privatisierung droht weiter“.

Die SPD meint, die von den Privatisierungsgegnern am 15. Mai vor dem Bundestag vertretene Forderung sei nun erfüllt. Die sehen das anders Foto: Malte Kreutzfeldt
Malte Kreutzfeldt
Interview von Malte Kreutzfeldt

taz: Herr Waßmuth, die SPD sagt, es sei ihr gelungen, jegliche Form der Autobahn-Privatisierung zu verhindern. Da müssten Sie sich doch freuen.

Carl Waßmuth: Wenn es stimmen würde, wäre es toll. Aber leider ist das Gegenteil wahr. Die SPD behauptet, sie habe alle Hintertüren geschlossen – aber die Privatisierung kommt ganz offen durch die Vordertür.

Wie das?

Die Zuständigkeit für die Autobahnen wird an eine Gesellschaft privaten Rechts übertragen. Das ist eine formelle Privatisierung.

Aber die Gesellschaft und alle Töchter bleiben zu 100 Prozent in staatlicher Hand.

Das ist nicht entscheidend. Sie können trotzdem Teile des Straßennetzes privatisieren, nämlich über öffentlich-private Partnerschaften, sogenannte ÖPPs, bei denen Privatunternehmen den Straßenbau finanzieren und organisieren und dafür über Jahrzehnte eine garantierte Rendite aus Maut oder Steuern erhalten.

Im Interview: Carl Waßmuth

Der 47-jährige Bauingenieur ist Vorstandsmitglied von "Gemeingut in BürgerInnenhand". Dieser Verein engagiert sich auf unterschiedlichen Ebenen gegen die Privatisierung öffentlichen Eigentums.

Solche ÖPP-Projekte gibt es doch auch heute schon.

Das stimmt. Aber durch die neue Konstruktion werden sie erst so richtig von der Kette gelassen. Wegen angeblicher Geschäftsgeheimnisse kann die Gesellschaft jede Transparenz verhindern. Der Bundestag muss künftig nicht mehr zustimmen, sondern kann nur von außen versuchen, Einfluss zu nehmen. Auch die Kontrolle durch den Bundesrechnungshof wird erheblich erschwert.

Schnell durch die Parlamente

Das Gesetz: Die Gründung einer privatwirtschaftlich organisierten Infrastrukturgesellschaft, die künftig die Autobahnen betreiben soll, ist Teil des umfangreichen Gesetzespakets, mit der die Finanzbeziehungen von Bund und Ländern neu geregelt werden sollen.

Die Abstimmung: Wegen diverser Streitfragen wurde das Gesetzespaket, das eine Zweidrittelmehrheit braucht, bereits um zwei Wochen verschoben. Auch jetzt gibt es sowohl in der SPD als auch bei der Union noch Kritiker, die eine Ablehnung angekündigt haben. Entscheiden soll der Bundestag nun am Donnerstag – und per Fristverkürzung bereits einen Tag später der Bundesrat.

Wirklich? Der Bundesrechnunghof, der die ersten Entwürfe scharf kritisiert hat, ist mit dem neuen Vorschlag zufrieden.

Ich habe auch gesehen, dass sie sich so äußern. Verstehen kann ich das nicht. Wichtige Forderungen des Rechnungshofs, etwa ÖPPs auf 10 Jahre Laufzeit oder 500 Millionen Volumen zu beschränken, wurden ignoriert. Beschlossen wurde lediglich eine 100-Kilometer-Begrenzung. Und die ist ein schlechter Witz, denn alle bisherigen Autobahn-ÖPP-Strecken sind kürzer.

Immerhin haben die Kritiker auch erreicht, dass es künftig ÖPP nur auf Einzelstrecken geben soll. Große Netze werden im Grundgesetz verboten.

Das ist ein Ablenkungsmanöver. Solche Netz-ÖPPs gibt es bisher nirgends. Es wird also etwas ausgeschlossen, was gar kein Problem ist, damit die normalen ÖPPs plötzlich klein und harmlos wirken. Dabei sind die das eigentliche Problem für den Steuerzahler – und das eigentliche Ziel der privaten Investoren.

Die Gewerkschaft Verdi, die bisher mit Ihnen zusammen gegen die Infrastrukturgesellschaft gekämpft hat, scheint mit dem Kompromiss leben zu können.

Verdi ist weiterhin Mitglied in unserem Bündnis. Für die Gewerkschaften ging es neben der Privatisierungsgefahr auch um die Rechte der Beschäftigten. Da haben sie offenbar einiges erreicht. Aber das Hauptproblem, die Privatisierung droht weiter – das sieht auch Verdi so. Wenn die SPD diese wirklich verhindern will, muss sie am Donnerstag im Bundestag gegen das Gesetz stimmen.

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12 Kommentare

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  • 3G
    39201 (Profil gelöscht)

    @ DDB vom 2.6.: Wenn die Infrastrukturgesellschaft ,,nur aus bürokratischen Gründen" eine Gesellschaft privaten Rechts ist und keine ,,Gesellschaft öffentlichen Rechts", warum hat sie die CDU/CSU dann so dagegen gewehrt?! Das hat doch was mit ,,Privatisierungsoptionen" zu tun!? Was ist denn so ,,differenziert''' daran, wenn man diese öffentlich mehrfach geäußerte Kritik (auch bereits in ,,Der Anstalt") schönredet? Und war das nicht auch ein entscheidender Punkt, warum manche Abgeordnete eben mit ,,nein" stimmten!? Will man diese Stimmen gar nicht ernst nehmen?

  • Eine Privatisierung von Autobahnen ist ausgeschlossen! Zitat (neues) GG:

    "Der Bund ist Eigentümer der Bundesautobahnen und sonstigen Bundesstraßen des Fernverkehrs. Das Eigentum ist unveräußerlich." http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/111/1811131.pdf

     

    Für die Zukunft wird eine Gesellschaft gegründet, die zum ersten Mal überhaupt für eine einheitliche, konsistente Planung von Erhaltung, Instandsetzung und Neubau von Autobahnen sorgt. (Dadurch hätte es in der Vergangenheit einige Probleme des bisherigen "Planungsflickenteppichs" nicht gegeben.) Zitat GG:

    "Diese Gesellschaft steht im unveräußerlichen Eigentum des Bundes."

     

    Dass es sich um eine Gesellschaft privaten Rechts handeln kann, hat nichts mit Privatisierung des Eigentums zu tun, sondern ist eine rein bürokratisch-juristische Entscheidung über die Rechtsstellung (Rechte und Pflichten) dieser Gesellschaft.

     

    @D L:

    Es wird auch nicht zu ÖPPs aufgerufen - im Gegenteil: Sie werden nur erwähnt, da im Gegensatz zur aktuellen Rechtslage ausgeschlossen wird, dass sie sich im größeren Rahmen beteiligen.

     

    ALLERDINGS (was die Kritiker wohl meinen): Bei nicht flächendeckenden Projekten haben ÖPPs WEITERHIN die Möglichkeit, sich an der Finanzierung beteiligen. Beispielsweise durch die Garantie zukünftiger Einnahmen als Gegenleistung (versteckte Verschuldung). Das ist weiterhin problematisch (ebenso wie die mögliche Intransparenz)!

     

    ABER: DIESE ÖPPs GIBTS JA JETZT AUCH SCHON! Das Gesetz ist hier also keine Verschlechterung! Im Gegenteil: In Zukunft sind nicht nur Privatisierungen im GG! ausgeschlossen (was ÖPPs schon einmal entscheidend zum jetzigen Status einschränkt), sondern es sind noch weitere Einschränkungen für ÖPPs festgelegt.

    UND: Mit der CDU hätte man mit absoluter Sicherheit keine bessere Lösung finden können, da sie niemals eines Ausschlusses von ÖPPs zustimmen würden!

    UND: Solange es keine rein bürgerliche Mehrheit gibt, muss es auch keine ÖPPs geben. Eine 2/3-Mehrheit ist hier also auch in Zukunft nicht nötig.

    • @DerDifferenzierteBlick:

      Ihre Argumente überzeugen - allerdings nur zum Teil. Durch die Auslagerung in eine private Gesellschaft wird die Kontrolle des Parlamentes reduziert. Das ist dann ähnlich wie bei der Deutschen Bahn: Betriebsgeheimnis.

      • @Velofisch:

        Da stimme ich Ihnen vollkommen zu. Hatte ich ja selber geschrieben (s. mögliche Intransparenz). Allerdings existiert diese Problem auch heute schon genau so bei ÖPPs, da diese sich auch jetzt schon oft auf ihr Betriebsgeheimnis berufen.

        Daher mein Fazit:

        Die Gesetzesänderung ist eine Verbesserung (verhindert/behebt einige Probleme), allerdings ist sie noch nicht ideal - nur das ist mit der Union eben leider nicht zu machen. Deswegen finde ich die Zustimmung der SPD richtig und hoffe darauf, dass es keine rein bürgerlichen Regierungen gibt, so dass keine intransparenten (und teueren) ÖPPs mehr geschaffen werden.

  • 3G
    39201 (Profil gelöscht)

    Ja, im Grunde wiederholt Schäuble ja Wagenknechts Kritik von der gestrigen Sitzung, nur eben nicht als Vorwurf, sondern um zu ,,spalten". (Er spaltet eben gerne, in ,,fleißig" und ,,faul", ,,arm" und ,,reich", ,,Nord" und ,,Süd", ,,Privatisierungskritiker der SPD" und ,,-befürworter" der SPD etc.). Solange sich alle spalten lassen, lässt es sich einfacher regieren, separare et imperare. Deshalb möchte ich ja ein Plädoyer halten dafür, Allianzen in der Sache zu bilden. Es finden sich Kritiker der Privatisierungspolitik bei den Linken, bei den Grünen, bei denen in der SPD, die gestern mit ,,nein" gestimmt haben, bei denen, die mit ,,ja" gestimmt haben (mit Bauchweh, z.B.). Alle diese Stimmen sollten viel mehr gehört werden, laut werden. Vor allem die gelobten differenzierten, sachorientierten, am Gemeinwohl interessierten Stimmen. Man sollte die Diskussion nicht Herrn Oppermann überlassen, der bei Frau Wagenknecht laut wird, obwohl er kein Rederecht hat und dann in seiner Rede die CDU/CSU kritisiert, obwohl er selbst kein authentischer privatisierungskritischer Politiker ist. Die SPD sollte mehr Kampf und Auseinandersetzung nach außen transportieren und zu den Kontroversen stehen, voller Stolz und Selbstbewusstsein, anstatt sich ,,spalten'' zu lassen oder zwanghaft zu ,,harmonisieren" (kritische Stimmen in den eigenen Reihen zu unterdrücken). Aber Martin Schulz musste ja auch unbedingt mit 100% gewählt werden, dabei gab es zu dem Zeitpunkt z.B. eine von SPD-Genossen organisierte Petition gegen die ,,Privatisierung der Autobahn''. Viele hatten gehofft, dass es dazu eine Kontroverse geben würde. Stattdessen musste man klebrige ,,Einigkeit" demonstrieren. (Aber ich war auf dem Parteitag nicht, bin auch keine ,,Genossin"). Der Erfolg oder Misserfolg der SPD kann mir auch egal sein. Ich finde wichtig, eine Spaltung der Gesellschaft und ,,erfolgreichen Rechtspopulismus'' zu verhindern. Da können PolitikerInnen, Medien, NGOs und jede/r Einzelne noch ganz viel tun!

  • Kleiner Mann was nun?

    Willst Du weiterhin mitmarschieren, weiterhin der Gemeinschaft dienen, weiter still halten? Oder??

    Ach! Du willst resignieren! - wie schon so viele vor Dir!

    Der Postbeamte Emil Pelle

    Hat eine Laubenlandparzelle

    Wo er ...

    Viele Grüße

  • 3G
    39201 (Profil gelöscht)

    Man kann Vieles sicher nach wie vor kritisch sehen, aber Carl Waßmuth hält mit vielen Vorgängen sehr stark ,,hinter'm Berg". Im Interview wird nicht deutlich, dass es aus Sicht einiger Privatisierungs-Gegner in der SPD jetzt darum geht, das Grundgesetz zu VERBESSERN. Waßmuth mag das kritisch sehen. Ich sehe kritisch, dass er es gänzlich verschweigt. Meine Vermutung: Es geht um eine Unterstützung der Politik DER LINKEN. Der SPD will man ,,keinen Zentimeter" überlassen, zum Schaden der Sache wird Parteipolitik gemacht. Bettina Hagedorn (SPD), Vorsitzende des Rechnungsprüfungsausschusses, sagt von sich, dass sie seit langem die Sichtweise des Bundesrechnungshofes teile und dessen Kritik an der Autobahnprivatisierung umzusetzen versuche, gegen die Widerstände der CDU/CSU. Sie teile die Kritik von ,,Gemeingut in Bürgerinnenhand'' und der Change-Petition. Sie sagt auch, dass diese Kritik Rückenwind war - für eine Sache, an der man lange ,,dran'' gewesen sei. Aber sie sagt auch: Es gibt SPD-Abgeordnete, die VERHINDERT haben, dass die CDU/CSU damit durchkommt, der öffentlichen Forderung nach VERHINDERUNG von Privatisierung nur in Form eines EINFACHEN Gesetzes nachzukommen (welches später keine Zweidrittelmehrheit braucht, um es aufzuheben). Noch in der Monitor-Sendung vom 27.4. machen sich die Herren Kauder und Dobrindt arrogant über das Ansinnen all derer lustig (SPD, Journalisten), die eine solche Verhinderung der Privatisierung im GRUNDGESETZ festgeschrieben sehen wollen. JETZT wird genau diese, von der CDU/CSU unerwünschte Formulierung, im Grundgesetz stehen: ,,Eine unmittelbare oder mittelbare Beteiligung Dritter an der Infrastrukturgesellschaft und möglicher Tochtergesellschaften ist ausgeschlossen." und ,,Eine Beteiligung Privater im Rahmen von Öffentlich-Privaten Partnerschaften ist ausgeschlossen für Streckennetze, die das gesamte Bundesautobahnennetz oder das gesamte Netz sonstiger Bundesfernstraßen in einem Land oder wesentliche Teile davon umfassen."