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Kolumne LiebeserklärungGefährlich gescheit

US-Vizepräsident Mike Pence ist ein erzkonservativer Hardliner. Er lässt sogar Donald Trump erträglich erscheinen.

Unangenehme Nebenwirkung: Wird Trump abgesetzt, folgt automatisch Pence Foto: tom

E igentlich gibt es an US-Vizepräsident Mike Pence nicht viel zu lieben. Der Exgouverneur von In­dia­na ist ein erzkonservativer Hardliner, reaktionär, evangelikaler Christ, Abtreibungsgegner, hat nichts übrig für Minderheiten und Frauen – und ist zudem auch noch gefährlich gescheit. Er würde am liebsten die Zeit zurückdrehen und die US-Gesellschaft wieder in die 50er verfrachten.

Er ist Trumps blondes Fallbeil und der Albtraum aller linken und progressiven Bewegungen. Zwischen ihm und der Erfüllung seiner politischen Agenda steht das „Vize“ und damit der Mann, der gemeinhin als Super-GAU der US-Politik gilt: Donald Trump.

Die New York Times analysierte Trump kürzlich (mal wieder) als Kind im Körper eines Mannes: ohne Aufmerksamkeitsspanne, ohne Berechnung, vor allem darauf erpicht, dass seine unmittelbaren Bedürfnisse befriedigt werden, dass er gesehen und gemocht wird. Immer wieder sind Beobachter wie David Roberts auf vox.com darüber erschüttert, dass Trump gar keine nachhaltigen Ziele, keine politische Strategie verfolgt. Man muss aber eigentlich sagen: Ein Glück, dass er das nicht tut.

Wie viel größer könnte der Schaden sein, wenn ein Mann mit Chuzpe eine stringente Politik verfolgen würde. Wenn er die Finessen des Politikbetriebs kennen würde, die republikanischen Mehrheiten in Repräsentantenhaus und Senat zu nutzen wüsste, um seine politische Agenda durchzudrücken. Wenn er sich nicht ständig selbst öffentlich entlarven würde. Wenn er Mike Pence wäre.

Donald Trump steht wegen Russlandkontakten seines Teams, des Rausschmisses von FBI-Chef Comey und Geheimnisweitergabe an die Russen in den USA unter Beschuss – auch in seiner eigenen Partei. Viele sprechen schon von Impeachment, also einem Amtsenthebungsverfahren. Das würde automatisch Mike Pence an die Spitze des Staates spülen – wo er sich als verlässlicher Erneuerer präsentieren und hintenrum seine reaktionäre Agenda durchpeitschen würde.

taz.am wochenende

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Pence ist der einzige Grund dafür, dass man sich wünscht, Donald Trump möge durchhalten. Am besten bis zur nächsten Wahl.

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Malte Göbel
Autor_in
Berliner mit Kartoffelhintergrund. 2011-2020 bei der taz, u.a. als Ressortleiter Online, jetzt Autor, Themen: Privilegien, Machtstrukturen, USA, Italien, Fußball, Queer, Comics u.a.
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1 Kommentar

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  • Ich muss Herrn Göbel leider zustimmen. Zu meinem großen Bedauern scheint Trump nicht das einzige Kind im Körper eines US-Politikers zu sein. Auch unter seinen Gegnern gibt es offensichtlich eine ganze Menge Menschen, die darauf erpicht sind, sich ihre unmittelbaren Bedürfnisse befriedigen zu lassen, statt der Verantwortung gerecht zu werden, die sie ganz dringend haben wollten - oder war es doch nur das Geld und die Publicity? Die Bedürfnisse dieser Leute fokussieren sich im Augenblick darauf, Trump schnellstens wieder los zu werden, koste es, was es wolle. Was dann im Anschluss kommt, ist diesen Leuten vollkommen egal.

     

    Muss schon ein echter Schock gewesen sein, dass diese Wahl nicht ausgegangen ist, wie sie hat ausgehen sollen aus Sicht der Kindsköpfe im US-Polit-Betrieb. Verwöhnte Bälger, schlecht erzogen, zur Selbstkritik vollkommen unfähig. Wenn wir so richtig Pech haben, war Trump also noch nicht die letzte Katastrophe ihrer Art.