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Studie über Weizenpreise und HungerSpekulation soll nicht so schlimm sein

Wetterextreme und Handelspolitik seien die wichtigsten Treiber der Weizenpreise, schreibt das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung.

Weizenernte in Pakistan: Hohe Preise können Hungersnöte in Entwicklungsländern auslösen Foto: dpa

Potsdam afp/ta |z Starke Preissteigerungen für Weizen haben einer Studie zufolge in den vergangenen Jahren ihre Ursachen in Wetterextremen und in der Handelspolitik gehabt. Dagegen hätten sich weder Spekulationen auf den Rohstoffmärkten noch die Nutzung von Landflächen für die Produktion von Biosprit entscheidend auf die Weizenpreise ausgewirkt, ergab die am Freitag vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung veröffentlichte Studie.

Die Forscher werteten weltweite Daten des US-Landwirtschaftsministeriums für die vergangenen vier Jahrzehnte aus. Dabei verwiesen sie etwa auf einen starken Anstieg der Weizenpreise in den Jahren 2007/08 und 2010/11, die starke Folgen vor allem für Menschen in vielen Entwicklungsländern gehabt hätten.

„Diese Preisspitzen sind nach schweren Dürren aufgetreten, die natürlich die Ernteerträge verringert haben. Wir können jetzt zeigen, dass solche vom Wetter ausgelösten Schocks tatsächlich starke Preisanstiege auslösen können“, schrieb Jacob Schewe, der Leiter der Studie.

Foodwatch: Unschädlichkeit von Spekulation nicht bewiesen

Zusätzlich könne eine protektionistische Handelspolitik, einschließlich etwa von mehr Lagerhaltung oder Exportstopps, die weltweiten Effekte der Produktionsausfälle noch verstärken, obwohl sie aus Sicht der jeweiligen Länder sinnvoll erscheine. Genau dies sei während der jüngsten großen Preisanstiege passiert.

Rohstoffspekulationen auf den Märkten hätten das Problem vorübergehend durchaus noch verstärkt. Nach den ausgewerteten Daten seien diese Spekulationen aber für die Jahrespreise nur ein kleiner Faktor gewesen.

„Es gibt ernst zu nehmende Hinweise aus der Wissenschaft, dass Spekulationsgeschäfte zumindest die Preisspitzen verschärfen“, schrieb dagegen Lena Blanken, Volkswirtin bei Foodwatch, der taz. Eine von der Verbraucherorganisation beauftragte Meta-Studie aus dem Jahr 2013 halte den Einfluss der Finanzspekulation auf Nahrungsmittelpreise aus wissenschaftlicher Sicht für „wahrscheinlich“. „Umgekehrt ist die Unschädlichkeit der Geschäfte nicht bewiesen“, erklärte Blanken. So lange müsse Agrarspekulation aufhören.

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11 Kommentare

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  • Einbruch der Nahrungsmittelproduktion aufgrund des Klimaerwaermung: Ich denke mal, in den kuehleren Laendern wird mehr produziert. In Afrika sind die Ertraege sowieso minimal, 1 t/ha. Anderswo 7t/ha. Aufgrund der Klimaerwaermung wird der Wasserzyklus zwischen Ozean und Atmosphaere intensiviert.

    • 8G
      83379 (Profil gelöscht)
      @Gabriel Renoir:

      Das Problem ist das Klima wird extremer, möglicherweise werden einige Gebiete mehr produzieren können, aber Hagel und andere Untwetter werden dort häufiger auftreten und mehr Ernte zerstören. Dazu plötzliche Wetter Umschwünge, Kälteinrbuch im Mai mit Frost und Schnee und eine Menge Ertrag geht verloren.

      • @83379 (Profil gelöscht):

        Soweit ich die meteorogische Forschung verfolge, ist das umstritten oder nicht statistisch beweisbar

  • Ich kenne Bio-Bauern sowie welche von der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), die predigen: Wir müssen nur alle weniger produzieren, dann werden unsere Erzeugerpreise wieder automatisch steigen. Wenn man dann darauf aufmerksam macht, dass allgemeinhin nicht gewünscht ist, dass Lebensmittel teurer werden, weil dann mehr Menschen hungern müssen, werden die Prediger aggressiv. Dabei würde mich das interessieren: Wenn in Deutschland wirklich einmal 20 Prozent der Fläche im Bio-Landbau bewirtschaftet wird und folglich unsere Ernten wesentlich geringer ausfallen werden, wie wirkt sich das auf das Preisgefüge internationaler Rohstoffmärkte aus? Wenn Spekulation die Preise treibt, ist das böse, wenn eine ideologisch motivierte Extensivierung die Preise treibt, ist das dann gut?

  • 8G
    83379 (Profil gelöscht)

    Ich denke viele Aktivisten stürtzen sich auf Nahrungsmittel spekulationen weil man da " was machen kann" schlechte Ernten lassen sich nicht verhindern, der Klimawandel lässt sich vemrutlich jetzt auch nicht mehr aufhalten und wenn wir dessen Auswirkungen erstmal richtig erleben wird es einen massiven Einbruch der Nahrungsmittelproduktion geben mit all den furchtbaren Konsequenzen. Spekulation kann man bekämpfen, man fühlt sich besser und man hat das Gefühl etwas getan zu haben, hilft mit dem Fatalismus umzugehen dass man die große Katastrophe - Klimawandel nicht aufhalten wird können und das ihre Konsequenzen für die Nahungsmittelsituation viel verheerender sein wird als alle Spekulanten zusammen.

    • @83379 (Profil gelöscht):

      Wir haben eine Klimaerwaermung. Z B verschiebt sich die Grenze des Weinanbaus 300km nach Norden. Nur ein Beispiel. Welche riesigen Reserven werden durch die Klimaerwaermung in in kalten Laendern wie Russland und Kanada freigesetzt?

  • 8G
    81331 (Profil gelöscht)

    "Spekulation soll nicht so schlimm sein", klar, in Deutschland wird kein Mensch verhungern.

  • '„Umgekehrt ist die Unschädlichkeit der Geschäfte nicht bewiesen“, erklärte Blanken. So lange müsse Agrarspekulation aufhören.'

     

    Das ist Argumentation auf Tea Party Niveau. Die Unschädlichkeit kann man nicht beweisen! Das geht auch bei der Auswirkung des Sauerstoffs auf den menschlichen Körper nicht. Man kann nur beweisen, dass wir alle ohne Sauerstoff nicht sehr lange leben.

     

    Nahrungmittelspekulation hat, wie fast alles im Leben, Vor- und Nachteile. Vorteil für den Landwirt ist zum Beispiel, dass er im Januar seine Ernte des Septembers zu einem festen Preis verkaufen kann und evtl. sogar das Geld vorab bekommt. Das macht Sinn, wenn er zum Beispiel ohne das Geld die Werkzeuge, Maschinen und Löhne nicht bezahlen könnte und wird deshalb seit Hunderten von Jahren gemacht. Dass er in der Regel im Januar weniger Geld als im September bekommt, ist logisch, weil der Spekulant das Risiko für die Preisentwicklung übernimmt.

     

    Dass Spekulation kurzzeitige Preisspitzen erhöhen kann, bestreitet die Studie übrigens nicht. Entweder hat Frau Blanken die Studie nicht gelesen oder ignoriert das einfach. Die Aussage der Klimaforscher geht dahin, dass die Preise im Jahresmittel davon praktisch nicht beeinflusst werden, während Missernten (zum Beispiel durch Klimawandel), politische Entscheidungen (Protektionismus, Embargos, ...) aber auch Lagererhöhungen (typische Reaktion von Verbrauchern bei steigenden Preisen) signifikante Auswirkungen auf die Preisentwicklung haben.

  • Spekulation verschärft die Ausschläge nach oben und nach unten. Nahrungsmittel lassen sich nicht dauerhaft horten. Daher kann Spekulation die verfügbaren Nahrungsmittel nicht beeinflussen. Jeder Spekulant, der heute den Preis hochtreibt, da er Nahrungsmittel kauft, treibt ihn morgen runter, da er sie auch verkaufen muss. Spekulanten machen dies nur, wenn sie einen Profit machen können. Dies ist bei Knappheit oder Überangebot (durch Spekualtion auf einen Preisverfall) der Fall. In beiden Fällen wird durch Spekulation die Preisspitze oder das Preistief verschärft und nach vorne verschoben. Zudem wird das Geld, was Spekulanten verdienen, dem sonstigen Geschäft entzogen. Das bedeutet, dass in der Summe Produzenten, Handel und Verbraucher das Geld weniger haben, welches Spekulanten verdienen.

    • @Velofisch:

      Spekulatnen besitzen die Handelsware ja zu keinem Zeitpunkt physisch und machen ja auch gar keine Geschäfte mit Erzeugern wie Verbrauchern. Ihre Geschäfte machen sie ja nur mit anderen Spekulanten. Wenn Sie in Chikago Schweinebäuche "kaufen" beteiligen Sie sich an einer Wette über die Preisentwicklung. Es ist nicht vorgesehen und technisch gar nicht möglich, daß die Schweinebäuche in Ihre Garage geliefert werden.

       

      Von daher ist klar, daß die Spekulanten überhaupt keinen Einfluß auf Erzeuger - wie Verbraucherpreise haben KÖNNEN.

      • 7G
        73176 (Profil gelöscht)
        @Werner W.:

        Das ist zum Teil korrekt und zum Teil nicht.

        1. Die meisten prof. "Spekulanten" sind am Terminmarkt tätig (Hauptsächlich Futures und Optionen). Und dabei ist eine physische Lieferung möglich!

        2. Im Gegensatz zu Optionsscheinen (bei denen die Emittenten die Gegenposition einnehmen) treffen sich am Futures Markt "normale" Marktteilnehmer. Dabei übernehmen Spekulanten i.d.R die Gegenposition von sog. Commercials (also z.B. Unternehmen). Um im Agrarmarkt zu bleiben: Wenn ein Landwirt zu einem hohen Weizenkurs den Preis sichern will, kann er einen Futures verkaufen. Das Problem ist: bei hohen Kursen wird das weiterverarbeitende Gewerbe eben ungern den Futures kaufen (und somit die Gegenposition einnehmen) - die wollen ja einen geringen Preis. Die Gegenposition wird dann von einem Spekulanten übernommen – sprich, der kauft den Future. Die Aussage, Spekulanten würden ausschließlich die Gegenposition anderer Spekulanten übernehmen ist also nicht korrekt!

        3. Den größten Einfluss haben Spekulanten auf den Preis des jeweiligen Futures (bzw. Option) – die Kursentwicklung von Futures hat aber einen Einfluss auf den Preis des zu Grunde liegenden Wertes (Basiswert / Underlying). Spekulanten haben also tatsächlich einen Einfluss auf den Markt – allerdings in beide Richtungen (nach oben und unten!) aber in einem eher geringen Umfang. Die wahren Treiber von Märkten sind langfristig immer Fundamental Daten.