: Die „linken“ Feinde der Regierung Netanjahu
Kritiker Die israelischen Menschenrechtsgruppen Breaking the Silence, Peace Now und B’Tselem prangern die Besatzung an
Doch im Namen der Sicherheit ist vieles auch Fragwürdiges erlaubt oder zumindest geduldet, so erzählen es israelische Soldaten, die bei Breaking the Silence Zeugnis ablegen: Zerstörung von Eigentum, das Eindringen in Häuser unschuldiger Palästinenser. Zu Hause aber darf das keiner wissen.
Dieses Schweigen will Shovrim Shtika – Breaking the Silence – brechen. Daran beteiligt haben sich über 1.000 Soldaten, die seit September 2000 in Gaza, im Westjordanland oder in Ostjerusalem gedient haben. Manche von ihnen sind immer noch als Reservesoldaten tätig.
Die Organisation sammelt die Aussagen und Berichte und veröffentlicht sie, teilweise anonym, teilweise mit Klarnamen und Bild. Vorher werden die Geschichten überprüft: Gibt es weitere Augenzeugen, Soldaten oder Menschenrechtsorganisationen? Breaking the Silence bietet auch Touren durch die Region um Hebron. Das Ziel ist nicht nur, die Bevölkerung aufzuklären, sondern auch ein Ende der Besatzung herbeizuführen.
Von Besatzung wollen in Israel aber die wenigsten noch sprechen – und wer sie kritisiert, wird als Verräter, Extremist, Israelfeind oder – wie nun von Premier Netanjahu – einfach nur als „linke“ Organisationen beschimpft. Und links ist längst ein Schimpfwort.
Auch die Organisationen B’Tselem und Peace Now haben das längst zu spüren bekommen. Peace Now (Frieden jetzt) setzt sich seit mehr als 30 Jahren genau dafür ein: eine friedliche Lösung des Nahostkonflikts, zwei Staaten und damit die Gründung eines Palästinenserstaats. Dafür ziehen ihre Anhänger bei Demos mit oder halten Vorträge – und sie haben eine Abteilung, die sich „Settlement Watch“ nennt und die den Siedlungsbau im Westjordanland und in Ostjerusalem dokumentiert, den Netanjahus Regierung vorantreibt.
B’Tselem hingegen dokumentiert und veröffentlicht Menschenrechtsverletzungen in den besetzen Gebieten. Die Organisation hat vor einem Jahr Schlagzeilen gemacht, weil durch ihre Arbeit der israelische Soldat Elor Azaria vor Gericht gestellt wurde. Der hatte in Hebron einem bereits am Boden liegenden Terroristen in den Kopf geschossen. Der Mann, der den Vorfall im März 2016 filmte, heißt Imad Abu Shamsiyeh: ein freiwilliger arabischer Betselem-Mitarbeiter, den die Organisation mit einer Kamera ausgestattet hatte, um Menschenrechtsverletzungen zu dokumentieren. Der Fall von Elor Azaria wurde nur deshalb bekannt, weil B’Tselem das Filmmaterial veröffentlichte.
In Israel wurde der Soldat von einigen als Held gefeiert, der Prozess kritisiert. Premierminister Benjamin Netanjahu telefonierte mit dem Vater des damals Angeklagten. Das Gericht verurteilte Azaria zu 18 Monaten Haft.
Und so gilt auch Btselem als Nestbeschmutzer, weil sie der Öffentlichkeit vor Augen führt, was Besatzung tatsächlich bedeutet. Lissy Kaufmann
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen