: DER ENTFESSELTE MANN
VON ROLAND TICHY Der politische Radau um die Frauenquote wirkt. Müssen wir Kerle jetzt trauern?
Männer, jetzt ist EdeKa: Weil viele Großunternehmen Topjobs nur noch an Frauen vergeben, stehen hoffnungsvolle Männer vor dem Ende der Karriere. Der politische Druck Richtung Frauenquote wirkt; rabiater vielleicht sogar als eine gesetzliche Regelung, die noch Hintertürchen ins Vorstandsbüro öffnen würde.
Ist das jetzt die ausgleichende Gerechtigkeit für zig Jahrhunderte Machismo? Muss eine verlorene Generation von Männern jetzt büßen, dass ihre Vorväter Frauen ausgebremst haben? Jetzt erleben Manager in der Blüte ihrer Jahre, was ihre Söhne an den Schulen schon tagtäglich mitmachen:
Die herrschende Pädagogik fördert Mädchen; Eigenarten der Jungs werden als Verhaltensauffälligkeit behandelt. Die Ära der Diskriminierung erreicht die Wirtschaft, nachdem Gleichstellungsbeauftragte im öffentlichen Dienst, an Hochschulen und Medizin das alte Ungleichgewicht in ein neues zulasten der Männer verschieben.
Das gebietet die Political Correctness. Dass in den weichen Wissenschaften Männer Professuren nur noch als Schwangerschaftsvertretung erringen können, hat bislang der Qualität der Forschung nicht geschadet, und talentierte Frauen treiben die DAX-Konzerne nicht in den Untergang. Junge Männer gehen erstaunlich gelassen damit um – viele sind familienorientiert, wollen nicht wie ihre Väter nur Gastarbeiter am Kinderbett sein. Karriere- und Einkommensverzicht werden erst möglich, wenn die Partnerin gut verdient. Selbstverwirklichung tritt an die Stelle von Leistungs- und Karriereorientierung. Sollen sich doch die Mädels durch MINT quälen, die schweren Studiengänge für Maschinenbau, Informatik, Naturwissenschaften und Technik. Allmählich spricht sich herum, dass Männer gerade in traditionellen Männerdomänen keine Führungschance mehr haben werden, weil die Quote Frauen besonders in diesen Fächern nachholen muss. Diese Abwertung von männertypischen Qualifikationen werden den Ingenieurstandort massiv verändern. Die meisten Männer treten lässig hinaus ins Reich der Freiheit jenseits des Fabriktores, des Labors und der elektronischen Zeiterfassung. Magengeschwüre, Herzinfarkt und Burn-out – die Quote fordert auch Frauenopfer. Und während die Fortune im Geschlechterkrieg die Männer auf dem Karriereschlachtfeld verlassen hat, machen sie andernorts fette Beute: Im Scheidungsrecht wurden die Unterhaltsverpflichtungen, lange der Ruin für viele Männer, auf drei Jahre verkürzt; das kann man schneller absitzen als eine Strafe für Körperverletzung. Im Bundestag hat die fraktionsübergreifende Koalition derer im Zweitfrühling durchgesetzt, dass die Rechte der hübsch jüngeren Zweitfrau verbessert, das verlassene Altmodell billiger entsorgt werden kann. Der Kreis schließt sich: Das neue Unterhalts- und Sorgerecht zwingt Frauen in die Karriere, weil die klassische Einverdiener-Ehe ein Armutsrisiko ist, wenn die Liebe Alltag wird. Alle Parteien nagen an der besonderen Stellung der Ehe und haben fast alles der Gleichstellung mit wem auch immer geopfert, was Ehe schützt und Männer einhegt. „Seemanns Braut ist die See, und nur ihr kann er treu sein“, hat Hans Albers 1944 in „La Paloma“ gesungen. Die neue Freiheit gilt auch für gut verdienende Frauen. Materiell Ungebundene gehen auf die Reise. Im fortschrittlichen Skandinavien werden gezielt Männer in Kindergärten eingesetzt, weil Kinder auch das „Rollenbild Mann“ erleben sollen, nachdem sich die Väter verabschiedet haben.
Das klingt schmerzhaft zynisch. Aber das Recht steht nicht mehr auf der Seite der Familien. Sind Männer also die Verlierer? Ja, in der klassischen Rollenverteilung; das trifft auch familienorientierte und ältere Frauen. Die Kassiererin bei Aldi hat von der Quote nichts; von der profitieren Jüngere, für die Spitzenkarrieren erreichbar scheinen. Das Spiel der Geschlechter wird also anders – unumkehrbar.
Roland Tichy, 57, ist Chefredakteur der „Wirtschaftswoche“, bekannt durch seine Teilnahme an Rainer Calmunds RTL-Show „Big Boss“ und Gewinner des Ludwig-Erhard-Preises für Wirtschaftspublizistik. Er liebt die Früchte seines Vertikal-Gartens und hasst die flache Denke des Mainstreams.
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