piwik no script img

Kolumne LiebeserklärungGegen den Schlussstrich

Israels Premier Benjamin Netanjahu stellt weiterhin Bedingungen für Beziehungen zum NS-Nachfolgestaat. Dafür verdient er Liebe.

Der deutsche Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) hat sich zum Schmock gemacht Foto: ap

K urzfristig hat Israels Premier sein Treffen mit Sigmar Gabriel gecancelt. Dieser hatte sich unbedingt mit Organisationen treffen wollen, die die israelische Armee als notorische Kriegsverbrecher darstellen. Die deutsche Volksseele brodelt. Aus vielen Kommentaren klingt heraus: Deutschland habe sich aus historischer Verantwortung von Israel lange genug alles Mögliche gefallen lassen. Irgendwann müsse es mal gut sein. Das erinnert an den ironischen Ausspruch des Psychoanalytikers Zvi Rix, dass die Deutschen den Juden ­Auschwitz niemals verzeihen würden.

Solchen Schlussstrichziehern spuckt Netanjahu in die Suppe. Dafür verdient er Liebe. Und dafür, dass er weiter Bedingungen für die Beziehungen zum NS-Nachfolgestaat stellt. Diese sind nicht hoch: Das israelische Außenministerium hatte angeregt, zum Ausgleich auch andere Vertreter der israelischen Zivilgesellschaft zu treffen. Dies habe Gabriel jedoch „brüsk zurückgewiesen.“

Dass Gabriel ein von Netanjahu gewünschtes klärendes Telefonat abgelehnt hat, legt nahe, dass der Eklat gewollt war – und zwar von Gabriel. Im Iran standen übrigens keine Treffen mit regimekritischen Oppositionellen auf dem Terminplan. Der israelische Premier hat richtig gehandelt, wie schon kurz zuvor, als er Gabriels israelisch-palästinensische Vermittlungsversuche zurückgewiesen hat. Dafür ist der Vizekanzler ohnehin nicht geeignet, weil befangen: Zuletzt bezeichnete er Palästinenserpräsident Abbas als „seinen Freund“.

Für Gabriel ist ein Freund also jemand, der in einem zukünftigen palästinensischen Staat „keinen einzigen Israeli“ sehen will, wie Abbas 2013 anlässlich von Friedensgesprächen in Washington klarstellte. Der den Familien von antisemitischen Terroristen staatliche Renten zahlt, wie das ARD-Magazin „Kontraste“ letztes Jahr berichtet. Mit seiner Erfindung des „Holocausts an den Sozialdemokraten“ hat sich Gabriel dann endgültig zum Schmock gemacht. Dass sich Netanjahu mit dem nicht treffen will, ist verständlich. Mehr noch, ihm ist zu danken, dass er dem deutschen Außenminister Grenzen gesetzt hat.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Frederik Schindler
Freier Mitarbeiter
Bis Juni 2019 freier Mitarbeiter in den Ressorts Gesellschaft/Medien und taz.de. Themenschwerpunkte: Antisemitismus, Islamismus, LGBT-Politik und Fankultur. Jahrgang 1993.
Mehr zum Thema

12 Kommentare

 / 
  • Wirrer Artikel.

    Was will der Dichter damit sagen ?

    Vielleicht hätte man ihm mehr Platz einräumen sollen ...

  • Prima!!

    Etwas besseres kann man zu dem Thema nirgendwo lesen!!

  • Ok - & wg Awarness - als Messlatte. Gestaltflaneur - mal einer aus der Selfiekiste!

     

    Beim "Kontaktreigen" glaubte ich erschrocken - eher was in der Art einer Litfaßsäule zu umfassen!! & ich -

    "Das sagt aber mehr als tausend Worte!" & ebenso spontan " Weißt du eine Lösung? Niemand hat eine. Na & Wir erst recht - im inneren Widerstreit nicht!" - eine bekannt-renommierter jüdischer Gestalttherapeut! &

    Nahm mich in den Arm.

     

    kurz - Awarness halt - & davon les ich Mit Verlaub - hie da & dort - wenig - Krieg ich nur wenig mit. Leider.

    So jet halt.

  • @MOWGLI: Deutsche und Juden gleichermaßen als Opfer von Machtmissbrauch darstellen... Respekt, so einfach kann man die Geschichte und damit die Shoa auch relativieren.

    Ich vermute, Zvi Rix hat den Satz auch für dich geschrieben.

     

    Ansonsten mal ein lesenswerter Kommentar in der taz zu Israel, der nicht Gift und Galle sprüht.

  • Muss ein Mann mit Humor gewesen sein, dieser Zvi Rix – oder ein Mensch, der seinen Hass nicht kontrollieren konnte bzw. wollte.

     

    Als Psychoanalytiker muss Rix dreierlei gewusst haben: Erstens, dass es DIE Deutschen ebenso wenig gibt wie DIE Juden und Schuld nur individuell erfahren wird, weswegen die einen den anderen (und umgekehrt) auch nichts verzeihen können. Zweitens, dass sowohl DIE Deutschen als auch DIE Juden in ihrer Geschichte immer wieder kollektiv Opfer von Machtmissbrauch geworden sind, weswegen sie auch nicht so rasch aufhören werden, sich kollektiv angegriffen zu fühlen, wenn ein Einzelner sie provoziert. Und drittens, dass in einer Wettbewerbsgesellschaft die Gefahr besteht, dass solche Aussprüche wie seiner jahrzehntelang (hyper-)ventiliert werden von DEN Medien, auch wenn ihr Sinngehalt gen Null geht.

     

    Meine „Diagnose“: Zvi Rix wollte sich selbst unbedingt unsterblich machen. Es ist ihm gelungen. Leider um den Preis, dass sein Geist auch 36 Jahre nach seinem Tod noch Unfrieden stiftet mit Hilfe solcher (immerhin lebendigen) Egoshooter wie Gabriel und Netanjahu - und (hoffentlich) kostenfreier Unterstützung meiner Tageszeitung. Sehr traurig, das!

    • 8G
      88181 (Profil gelöscht)
      @mowgli:

      Etwas viel dümmeres, als einem Mann wie Zivi Rix vorzuwerfen, er habe seinen Hass nicht kontrollieren können, das ist wenigstens lächerlich, im Grunde aber bösartig.

       

      Die Deutschen wussten wer die Juden waren und waren davon überzeugt, dass man sie vernichten muss um zur völkischen Glückseligkeit zu gelangen.

       

      Der Witz ist ja, sie taten es gar nicht mit Hass sondern weil sie an die Notwendigkeit der Vernichtung der "jüdischen Rasse" glaubten. Ja, sie waren sogar stolz darauf, bei der Vernichtungsarbeit "sauber" geblieben zu sein. In seiner Posener Rede lobte Himmler die SS bei der schweren Arbeit "anständig" geblieben zu sein.

       

      Angesichts der oft mit Antisemitismus aufgeladenen "Israelkritik" die ja immer mehr an Raum gewinnt, denke man nur an den unsäglichen BDS, ist es ja nicht schwer festzustellen, dass Rix gar nicht so falsch lag.

       

      Deutschland und die Deutschen lassen sich, wenn man denn zivilisatorische Maßstäbe anlegt, nun mal nicht ohne Auschwitz denken.

      • 2G
        25726 (Profil gelöscht)
        @88181 (Profil gelöscht):

        Was genau wollten Sie zum Ausdruck bringen? Wir Linken sind alle Judenhasser?

         

        Is' ja gut, Brauner.

    • @mowgli:

      Mit Verlaub - nehme ersteres an!

       

      Kategorie "Woher willst du wissen?"

      Sagte Rabbi Katz! (gern auch Rabbi Wolff!;)) & nochens - & vor allem -

      "Das Verhältnis unserer Völker wird erst dann entspannt sein - wenn ein Goi

      Einen jüdischen Witz erzählen kann -

      Ohne daß alle Welt beleidigt auf dem Sofa sitzt!"

      • @Lowandorder:

        Tja, wenn's denn bei einem jüdischen Witz bleibt...

        Meist ist es leider so, dass, wenn ein Jude einen jüdischen Witz erzählt, der nichtjüdische Deutsche mit einem Judenwitz antwortet!

        • @Rainer David W. Früh:

          Fein. Daran könnten Sie - vllt -

          Ablesen - wie richtig der mir nicht mehr Erinnerliche - der zweiten

          Sentenz liegt - gell!

          kurz - Couchpotato klandestin - hm;)

  • Keine Frage - die Schuld aus der Vergangenheit bedingt von Deutschland aus ein spezielles Verhältnis der geerbten Verantwortung für diese Verbrechen. Das bedeutet aber nicht, dass man zu Verbrechen, die im Namen der israelischen Regierung begangen werden, schweigen soll. Die Spirale der Gewalt in diesem Land wird überwiegend durch Israel in Gang gehalten - ohne dass man die Gewalttaten vieler Palästinenser verschweigt. Für die perspektivlosen Lebensverhältnisse der Palästinenser ist Israel verantwortlich !!! Landnahme, Vertreibung, Entzug der Wasserrechte sind hier einige Schlagworte. Auch ist es keinerlei Rechtfertigung sich auf die Vergangenheit vor 2000 Jahre zu beziehen. Über viele Jahrhunderte haben die Vorfahren der Palästinenser dort gelebt und wurden nach dem zweiten Weltkrieg von den jüdischen Flüchtlingen und Emigranten aus Israel vertrieben. Würde der israelische Staat einigermaßen die Menschenrechte der Palästinenser beachten, wäre ein Frieden in diesem Teil der Welt mit der Zeit sicher zu erreichen. Religiöse Fanatiker haben einst einen Hoffnungsträger Rabin gemein ermordet (welch eine Heldentat eines asozialen Verrückten). Religiöser Fanatismus führt immer zum Leiden von der Umwelt.Wenn Gabriel sich mit Gruppen treffen will, die Verbrechen von Seiten der israelischen Armee dokumentieren- dann verdient dieser eigentlich nicht besonders fähige Politiker einmal Respekt.

  • Der Text bekommt von mir 10 von 10 Punkten. 1up!