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Kommentar Die neue Schulz-SPDVom Ich zum Wir

Stefan Reinecke
Kommentar von Stefan Reinecke

Im Kern sagt Schulz das Gleiche wie Gabriel, es klingt aber freundlicher, wärmer, bedeutender. Nicht alle gehören jedoch zum SPD-Wir.

Gabriel und Schulz: Haben eigentlich das Gleiche gesagt, aber Schulz kriegt mehr Beifall Foto: reuters

E s ist gut, dass Sigmar Gabriel nicht mehr SPD-Chef ist. Bei der Krönungsmesse für Martin Schulz redete Gabriel eine Dreiviertelstunde länger als geplant, über Europa, Wirtschaft, Rüstung, eigentlich alles. Nebenbei schmiedete er noch einen neuen Slogan – die SPD als „Heimatpartei“. Das Ganze klang mehr wie eine Antritts-, nicht wie eine Abschiedsrede. Bei Gabriel ist immer viel Ich. Er wirkt oft wie der, der sich in der Warteschlange immer vordrängelt.

Bei Schulz dreht sich scheinbar alles um das Wir. Seine Rede glüht vor Gefühlsworten. Respekt, Dankbarkeit, Demut. Die Partei wird dem neuen SPD-Chef gleich zur „Familie“. Dass Schulz mit 100 Prozent gewählt wurde, zeigt, wie sehr die zerzauste SPD sich nach einem neuen Wir sehnt.

Im Kern sagt Schulz das Gleiche wie Gabriel. Aber bei ihm klingt es freundlicher, wärmer, oft auch bedeutender. Das rheinische Idiom hat die erfreuliche Eigenschaft, Pathos wie von selbst abzudämpfen. Mit Schulz’ Kandidatur öffnet sich die Aussicht auf eine interessante Wahl im Herbst. Nicht nur, weil die SPD unverhoffte Chancen hat. Das Duell mit Merkel wird auch gewohnte Gender-Klischees recht hübsch auf den Kopf stellen. Hier die sachliche, emotionsfrei wirkende Kanzlerin, dort der vor Wir-Gefühl scheinbar dampfende Herausforderer.

Schulz will als Nächstes Familienpolitik in den Fokus rücken. Bildung soll komplett gratis werden, ein Konzept zur Familienarbeitszeit ist in Planung. Das passt zum neuen, wärmenden SPD-Wir. Die SPD, so die Botschaft, kümmert sich um die Mitte der Gesellschaft, um Familien und Berufstätige.

Doch das Wir, das bei Schulz so empathisch klingt, meint nicht alle. Langzeitarbeitslose und Hartz-IV-Empfänger fehlen nicht nur in den beseelten Reden des SPD-Chefs, sie gehen auch in den Konzepten leer aus. Das SPD-Wir meint: alle, die arbeiten. Kann sein, dass dies Angriffe der Union gegen Schulz’ Agenda-Korrektur abfedern soll. Herzlos wirkt es trotzdem.

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Stefan Reinecke
Korrespondent Parlamentsbüro
Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.
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7 Kommentare

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  • Wenn man mit 100% gewählt wird, kann es eigentlich nur noch nach unten gehen.

     

    Ehrlicherweise, wie ja auch im Artikel schon angeklungen, muss man berücksichtigen, dass die 100% Zustimmung zu Schulz vor allem ein Indikator für die Verzweiflung der SPD ist.

  • Mir ist das Ganze ein Rätsel: Ich habe nichts gegen Schulz, aber auch nichts für ihn, wie sollte ich auch ? Ohne Programm , nur mit wohlklingenden Worten .

    Eigentlich sagt es nur etwas über die bisherige Situation der SPD aus ,und wie das Führungspersonal einschätzt: Nämlch gar nicht.

    Diese Riege von Gabriel bis Nahles hat sich einen Namen als Postensucher gemacht, sonst war da nichts.

    Und nun kommt einer, der anscheinend oder scheinbar unbelastet ist - und die Hoffnung blüht wieder auf.

    Übrigens: Natürlich geht die SPD wieder in die GroKo und nicht in die Opposition.

    • @Parisien :

      Mit etwas Glück muss die SPD in die Opposition, wenn Schwarz-Grün eine Mehrheit bekommt.

  • Der letzte Absatz im Artikel fasst so gerade noch fast alles zusammen, was dem Schulz und seinen jaulenden Genossen/innen fehlt: nämlich Konkretheit und Taten. Solange die SPD ihr ach so wohlklingendes Gerechtigkeitsgeschwafel nicht auf die gesamte Gesellschaft ausdehnt und durch Taten im derzeitigen Bundestag, in der bestehenden Legislative untermauert, können Grüne und Linke leider nicht von einem möglichen Koalitionspartner bei der nächsten Bundestagswahl ausgehen. Und, liebe Leser: wir Wähler sollten uns hüten in den 100 Prozentjubel einzustimmen, denn wie oft schon wurden wir von den Sozialdemokraten enttäuscht.

    Viele Grüße

  • Es bleibt die Frage, ob sich die SPD mit Schulz nicht wieder auf eine GroKo orientiert. Bei einem besseren Wahlergebnis könnte man auf eine stärkere sozialdemokratische Handschrift der Regierung orientieren. Dafür spricht, dass Themen wie Hartz IV oder Mindestlohn bei Schulz nicht vorkommen. Die davon Betroffenen enthalten sich bisher der Wahl oder votieren für die Linke bzw. die AfD. Diese Klientel will Schulz jetzt mit sozialer Wärme anlocken - aber ob das reicht. Sein 'Volkskammer-Ergebnis' bei der Wahl zum Parteichef sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass die SPD beileibe nicht einig ist, wohin die Reise gehen soll. Erst ein knappes Ergebnis der Bundestagswahl mit zwei Möglichkeiten der Regierungsbildung dürfte zur Stunde der Wahrheit werden.

    • @Philippe Ressing:

      Haben Sie, hätte der hypothetische SPD-Wähler tatsächlich Zweifel daran, wie sich die SPD in dieser Situation entscheiden würde?

  • Wenn ein Politiker noch dazu vom Schlage Schulz bei der Wahl einer "demokratischen" Partei 100 Prozent der Stimmen bekommt, MUSS man fragen, was mit dieser Partei NICHT STIMMT?? So einfach ist das.........