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Kommentar Rücktritt Michael FlynnRichtige und falsche Lügen

Bernd Pickert
Kommentar von Bernd Pickert

Die Trump-Administration lügt, wo es nur geht. Ihr Sicherheitsberater aber hat ganz offenbar eine rote Linie überschritten.

Außen vor: Ex-Sicherheitsberater Michael Flynn Foto: reuters

E s ist ein beeindruckendes Schauspiel, was sich da in Washington gerade bietet. Noch am Sonntag zieht Trumps enger Berater Stephen Miller durch alle Wochenendpolitshows der US-Kabelsender und lügt, was der Schnabel hergibt. Über Millionen von „Illegalen“, die in Kalifornien für Clinton gestimmt hätten, über Kohorten von Bussen, die Wähler von außerhalb nach New Hampshire gekarrt und Trump dort die Wahl gekostet hätten, das ganze Programm.

Kurz darauf auf Twitter: Präsident Trump bedankt sich bei Miller dafür, ihn so wunderbar repräsentiert zu haben. Und nur einen Tag später: Trumps Nationaler Sicherheitsberater Michael Flynn tritt zurück – weil er gelogen hat.

Der Widerspruch ist nur ein scheinbarer. Denn nicht auf die Wahrheit kommt es an, sondern darauf, die richtigen zu belügen. Fernsehpublikum, Medien, Wähler_innen – das ist okay, erst recht, solange man den gleichen Unsinn erzählt wie der Präsident selbst. Aber den Chef oder seinen Vize Mike Pence zu belügen und dabei erwischt zu werden, das offenbart der Öffentlichkeit die Illoyalität eines Trump-Untergebenen. Und das geht gar nicht.

Andere Möglichkeit: Flynn hat gegenüber Pence gar nicht gelogen, sondern ihn richtig über seine Gespräche informiert (und darüber wiederum in seinem Rücktrittsgesuch die Unwahrheit geschrieben) – dann wäre Pence der Lügner und Michael Flynns Rücktritt ein notwendiges Bauernopfer. Dafür spricht, dass seit Montag auch bekannt ist, dass Trumps Team schon vor Wochen vom Justizministerium über den Inhalt von Flynns Gesprächen mit dem russischen Botschafter gewarnt worden war.

Wie dem auch sei: Es ist ein Erfolg der Washington Post, deren Recherchen letztlich den Rücktritt erzwungen haben. Ein wenig Vertrauen in die Macht der Medien als „Vierter Gewalt“ mag damit wiederhergestellt sein. Zu übertriebenen Hoffnungen, Trump würde jetzt klein beigeben, ist jedoch überhaupt kein Anlass.

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Bernd Pickert
Auslandsredakteur
Jahrgang 1965, seit 1994 in der taz-Auslandsredaktion. Spezialgebiete USA, Lateinamerika, Menschenrechte. 2000 bis 2012 Mitglied im Vorstand der taz-Genossenschaft, seit Juli 2023 im Moderationsteam des taz-Podcasts Bundestalk. In seiner Freizeit aktiv bei www.geschichte-hat-zukunft.org
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3 Kommentare

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  • Nur eine Frage: Wer hat eigentlich die Telefongespräche zwischen dem russischen Botschafter und Herrn Flynn abgehört und der Öffentlichkeit durchgestochen? NSA? FBI? CIA? Heimatschutzbehörde? Es scheint in der westlichen Medienöffentlichkeit inzwischen keine Rolle mehr zu spielen, wenn Politik gemacht wird mit Methoden, die in demokratischen Ländern aus gutem Grund als vollständig illegal eingestuft werden - man stelle sich nur mal vor, welchen Aufstand die USA veranstalten würde, wenn vertrauliche Telefongespräche des US-Botschafters mit einem russischen Funktionsträger in der russischen Presse abgedruckt werden.

  • 6G
    60440 (Profil gelöscht)

    Offenbar ist es noch viel schlimmer. Die Verquickungen zwischen Trump, seinen Beratern, teilweise Ministern mit russischen Stellen, namentlich Geheimdiensten, dürfte weit über den geschassten Berater Flynn und die Tatsache, dass er von einem Kreml-nahen Fernsehsender für - hüstel - Vorträge, nun ja, entlohnt wurde, hinaus.

    Offenbar gab es bereits innige Kontakte als Trump noch Kandidat war, mit dem Ziel die unheilige Hillary mit Hilfe russischer Unterstützung ihrer Wahlchancen zu berauben.

    Insofern dürfte Flynn im inkriminierten Telefonat dem russischen Botschafter gegenüber baldigen Vollzug betreffend des Wegfalls der Sanktionen gemeldet haben.

    Das allein ist Landesverrat und Flynn das klassische Bauernopfer.

    Der Deckel über diese sich abzeichnende Staatsaffäre dürfte allerdings nicht mehr geschlossen zu halten sein. Es wird eine schonungslose Aufklärung geben.

    Selbst der dümmste Trump-Wähler und der nachsichtigste republikanische Mandatsträger wird irgendein Verständnis dafür haben, dass ein Präsidentschaftskandidat bzw. dessen Team sich von einer ausländischen Macht kaufen lässt, ihr Gefälligkeiten im Gegenzug für Hackerangriffe anbietet. Ebenso wenig Verständnis wird er dafür haben, dass der Präsident oder ein wichtiger Mitarbeiter oder Minister erpressbar ist.

    Und dann kommt ein impeachment-Verfahren, das sich gewaschen haben wird.

  • Und wie reagiert Putins Propaganda auf all dies? Bisher war man des Lobes voll über Trump. Inzwischen geht man propagandistisch auf Distanz. Trumps Lügen stören nicht weiter, aber wenn die russische Staatsführung in Trumps Misserfolge hineingezogen wird, ist auch seitens des Kreml eine rote Linie überschritten.

     

    Mehr derartige Schnitzer kann sich Putins Mann in Washington nicht leisten. Der Beitrag in https://de.sputniknews.com/politik/20170214314522554-trump-regierung-russland-phobie/ „Trump-Regierung schon von Russland-Phobie befallen?“ ist wohl als letzte Warnung zu verstehen!