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Kommentar Bundespräsident SteinmeierKlatsche für Merkel

Georg Löwisch
Kommentar von Georg Löwisch

Die Wahl Steinmeiers zum Bundespräsidenten sieht nur oberflächlich wie ein satter Konsens aus. Sie ist aber eine empfindliche Niederlage für Merkel.

Stellt seine Wahl ihre Wiederwahl infrage? Bundeskanzlerin Merkel mit dem designierten Bundespräsident Steinmeier Foto: reuters

D as glänzende Ergebnis von Frank-Walter Steinmeier ist eine optische Täuschung. 931 von 1.239 gültigen Stimmen hat er bekommen. Nach einem satten Konsens sieht das aus, mit dem sich auch CDU, CSU, Grüne und FDP als Gewinner feiern dürfen, nach dem Motto: Wir wollten ihn ja auch. Aber so ist es ganz und gar nicht.

Denn vor allem für Angela Merkel bedeutet diese Bundespräsidentenwahl eine empfindliche Niederlage. In der Bundesversammlung am Sonntagmittag fing es schon damit an, dass Bundestagspräsident Norbert Lammert für seine wohltemperierte Eröffnungsrede mit Standing Ovations gefeiert wurde: ausgerechnet jener Mann, den die Bundeskanzlerin nicht als Kandidaten für das Amt des Staatsoberhaupts gewann. So gesehen war das Klatschen für Lammert auch eine Klatsche für Merkel.

Noch verheerender ist es für sie, dass ein Sozialdemokrat gewonnen hat. Im November sah der gemeinsame Kandidat der Großen Koalition nach einem teigigen Weiter-so aus, das Merkel hilft. In Martin Schulz ist ihr ein echter Konkurrent ums Kanzleramt erwachsen. Diese Dynamik wird nun durch Steinmeiers Wahl befördert. Auf Bundesebene wurde das Verlierertum zum Wesenszug der SPD. Die Erfahrung, doch noch siegen zu können, ist für ihr Selbstbewusstsein so wichtig wie die Mistelzweige im Zaubertrank des Druiden Miraculix.

Andersherum kann man an dem Ergebnis – satte 103 Enthaltungen und 7 Stimmen mehr für den AfD-Kandidaten, als die Rechten gehabt hätten – getrost das unzufriedene Brodeln und Blubbern in CDU und CSU ablesen. Schwache Union, gestärkte SPD – das Wahlergebnis macht das Duell zwischen Merkel und Schulz noch spannender, eine Konkurrenz, die der AfD Aufmerksamkeit nehmen wird – ein äußerst erfreulicher Effekt.

Die Wahl ist aber auch ein Fingerzeig in Richtung der Grünen. An Steinmeiers Kür waren sie nur insofern beteiligt, als sie es versemmelten, einen eigenen Charakter wie Winfried Kretschmann oder Navid Kermani zu lancieren. Anders als die Linkspartei, die in Christoph Butterwegge einen Mann mit Botschaft und Statur präsentierte, hatten die Grünen nicht mal einen guten Verlierer im Angebot. Am Sonntag waren sie unkenntliche Nischenpartei, eingezwängt zwischen den Reihen von Union und SPD.

Und Steinmeier? Seine Rede gegen Fremdenfeindlichkeit und Ressentiments hatte Schwung. Sie lässt hoffen, dass er sich seine Rolle nicht als die des freundlichen Onkels aus Bellevue vorstellt. Er fragte, was der Kitt sei, der die Gesellschaft zusammenhalte.

Eine Antwort ist: die gesunde, weil echte Konkurrenz zwischen Merkel und Schulz, zwischen Union und SPD, zwischen den anständigen Parteien überhaupt. So, wie sie jetzt erst bevorsteht.

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Georg Löwisch
Autor
Viele Jahre bei der taz als Volontär, Redakteur, Reporter und Chefredakteur.
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9 Kommentare

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  • DANKE

    das Ihr diese Fake Wahl nicht als Titelstory gebracht habt. taz bleib(t) taz

  • Das sich CDU + SPD schnell auf einen "sicheren Kandidaten" geeinigt haben, ist wohl gut geplant.

    Denn es wird wieder eine große"Koli"

    nach der BT-Wahl 2017 kommen und dann macht es sich natürlich gut, wenn man einen BP hat, der auch beschlossenen Gesetze durch Unterschrift abzunicken ermöglicht.

    Für mich sind nicht die Worte eines BP und auch eines oder mehrer Politiker maßgeblich, vielmehr was getan bzw. unternommen wird und dazu kann auch hin- und wieder

    aus gewissen Gründen ein Gesetz nicht ausgefertigt werden.

  • Also die Einheitspartei kürt einen der ihren zum Grüßaugust ,die Medienwelt bauscht die Angelegenheit zur Wahl auf und nebenher wird gleich noch für eine spannende Bundestagswahl geworben.

     

    Ich gehe nicht davon aus dass diese Show, mit angeworbenem Promis, die das Produktimage verbessern sollen, die AfD nachhaltig schwächt.

     

    Der Medienrummel um das große Nichts dieser Angelegenheit gibt doch all denen Recht die eine Alternative zu dieser Grossregierung wünschen die nur regieren will um an der Macht zu sitzen.

    Und ich befürchte das sich immer mehr den vollkommen Falschen anschliessen um diese Alternative zu erreichen. Wenn nicht diese Wahl dann eben nach der nächsten grossen Koalition die gegen Massenproteste einfach durchregiert.

  • Steinmeier deckt das demokratische Spektrum mit Ausnahme aller dezidiert Linken (auch innerhalb der SPD) so ziemlich ab. Deshalb nervt es mich, wenn seine Wahl in erster Linie nach parteitaktischen Gesichtspunkten gedeutet wird. Auch im Fernsehen wurde in den Interviews penetrant auf diesem Punkt herumgeritten. Wem seine Wahl parteipolitisch nützt, interessiert mich aber nicht, lediglich, ob er der Richtige für das Amt, wie das Grundgesetz es vorsieht, ist, was ich bejahe. Wer mir widersprechen will, mag das tun, aber bitte nicht mit parteipolitischen Argumenten, weil keine Partei die gesamte Bevölkerung repräsentiert, was nicht ausschließt, dass eine Person mit all ihren Stärken und Schwächen das im begrenzten Rahmen dennoch kann.

  • "Die Wahl ist aber auch ein Fingerzeig in Richtung der Grünen. An Steinmeiers Kür waren sie nur insofern beteiligt, als sie es versemmelten, einen eigenen Charakter wie Winfried Kretschmann oder Navid Kermani zu lancieren. Anders als die Linkspartei, die in Christoph Butterwegge einen Mann mit Botschaft und Statur präsentierte, hatten die Grünen nicht mal einen guten Verlierer im Angebot. Am Sonntag waren sie unkenntliche Nischenpartei, eingezwängt zwischen den Reihen von Union und SPD."

     

    Und als dann noch Göring-Eckardt, Özdemir und Peter den Steinmeier beim Gratulieren abküssten, fiel mir gar nichts mehr ein. Meine Prognose: Wenn nicht wieder ein AKW hochhgeht o.ä. werden sie ggf. sogar Probleme bekommen in den Bundestag gewählt zu werden. Warum noch Grüne wählen, wenn man Veränderung möchte muss man wohl die LINKE wählen.

  • 1G
    10236 (Profil gelöscht)

    "Schwache Union, gestärkte SPD – das Wahlergebnis macht das Duell zwischen Merkel und Schulz noch spannender, eine Konkurrenz, die der AfD Aufmerksamkeit nehmen wird – ein äußerst erfreulicher Effekt."

     

    Was man in den letzten Wochen feststellen durfte, ist, dass da eher etwas herbeigeschrieben und gehypt wurde. Mit Steinmeier und Schulz hat SPD nochmals bewiesen, dass sie zu einer echten Erneuerung (noch) nicht fähig ist. Das gegenseitige Schulterklopfen und Mutzusprechen fürs Kampf um Status-Quo zeugen von völligem Realitätsverlust.

  • Himmel! Damit diese Art Hofberichterstattung nicht nur als Nachricht durchgeht, sondern ihre Pool-Position unter allen anderen "Nachrichten" auch verdient zu haben scheint, muss offenbar ein für Nicht-Insider völlig unsichtbarer Skandal herbei geschrieben werden.

     

    Wenn mir nicht schon aufgrund meiner Erkältung sackschlecht wäre vor lauter Schleim, würde ich vermutlich genau jetzt das große Kotzen kriegen. Was soll das sein, die "gesunde, weil echte Konkurrenz zwischen Merkel und Schulz"? Etwa so was wie die "gesunde weil echte Konkurrenz" zwischen der "anständigen" taz und allen anderen staatstragenden Massenmedien?

  • "…Er fragte, was der Kitt sei, der die Gesellschaft zusammenhalte.

    Eine Antwort ist: die gesunde, weil echte Konkurrenz zwischen Merkel und Schulz, zwischen Union und SPD, zwischen den anständigen Parteien überhaupt. So, wie sie jetzt erst bevorsteht."

     

    Ja - Herr Geheimrat - da sinse baff - gell!

    • @Lowandorder:

      Anders gewendet - da hatten die Tauben aber ganz schön heftig in den Misteln gemistet - wa!

      kurz - die taz und ihre Bilder.

      Wie wärs - "In Afrika ist immer August" Bd. 2 - directet by taz?!