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taz-meinland: PräsidentschaftskandidatDer Überzeugungstäter

Christoph Butterwegge ist einer der bekanntesten deutschen Wissenschaftler. Doch an der Politik scheitert er. Am Sonntag noch einmal.

Christoph Butterwegge scheiterte bislang in der Politik. Am Sonntag noch einmal – für die Linkspartei Foto: dpa

Berlin taz | Wenn Christoph Butterwegge nach seinen politischen Erfolgen gefragt wird, antwortet er ungewohnt einsilbig. Er könnte ausweichen, seine mehr als 50 Bücher anführen, seine Professur für Politikwissenschaft an der Universität Köln, seinen Status als bekanntester Armutsforscher der Bundesrepublik. Das alles sind Erfolge, die er als Wissenschaftler verzeichnen kann, und es sind beileibe keine kleinen. Aber wenn es um Politik geht, wirkt die Bilanz seiner Arbeit ernüchternd.

„In den letzten Jahrzehnten hat sich die Gesellschaft fast immer gegen meine Vorstellungen verändert“, sagt Butterwegge schließlich, er sitzt nach einem Termin im Bundestag in einem Café in Mitte. Die soziale Gerechtigkeit hat abgenommen, die Kluft zwischen Arm und Reich sich vertieft, Rot-Grün leitete mit der Agenda 2010 neoliberale Reformen ein. „Ich habe mein ganzes Leben gegen diese Entwicklungen gekämpft und unzählige Niederlagen eingesteckt“, sagt er. „Aber ich habe gelernt, das zu akzeptieren, ohne zu resignieren. Man könnte auch sagen, darin liegt meine Stärke: In der Auseinandersetzung, im Engagement.“

Christoph Butterwegge, 66, ein eher kleiner, fast zierlicher Mann, ist Kandidat der Linkspartei für das Amt des Bundespräsidenten. Manche kennen ihn als Wissenschaftler, viele aus Talkshows, in denen er für seine Themen streitet. Wenn es um Armut geht und jemand gebraucht wird, der reden kann und gegenhalten, auch wenn er eine Phalanx aus Berufspolitikern vor sich hat, ist Butterwegge gern gesehener Gast: Kenner der Fakten, beharrlich, kaum zu unterbrechen. Nun kämpft er um das protokollarisch höchste Amt des Landes. Auch diesen Kampf wird er verlieren.

Er tritt gegen Frank Walter-Steinmeier an, den nicht nur seine eigene Partei, die SPD, sondern auch die Union und viele Grüne am 12. Februar wählen wollen. „Aber ich kann meine Themen in die Öffentlichkeit bringen“, sagt Butterwegge. Man muss sich Christoph Butterwegge als glücklichen Menschen vorstellen.

Die, die ihn kennen, beschreiben ihn als Überzeugungstäter. Als einen, der ein ausgeprägtes Gerechtigkeitsempfinden hat, die Verhältnisse verändern will und darin „etwas fundamentalistischer war als ich“, wie es sein Weggefährte aus frühen Juso-Zeiten ausdrückt, der spätere SPD-Generalsekretär Klaus-Uwe Benneter. Oder, wie Henning Scherf sagt, der in den 80er Jahren viel Kontakt mit Butterwegge hatte und später Bremer Bürgermeister wurde: „Er ist ein Linker, dafür hat er sich entschieden.“

Der Weg, den Butterwegge als Linker ging, war ein anderer als der vieler früherer Politfreunde, die später im Establishment der Bundesrepublik landeten. Aufgewachsen in Dortmund als unehelicher Sohn einer allein erziehenden Mutter und politisiert durch die APO, engagierte sich Butterwegge früh im Stamokap-Flügel der Jusos, einer marxistischen Strömung, die der DKP nahe stand. „Das war eine unheimliche Aufbruchstimmung damals, die mich sehr geprägt hat“, sagt er. Allein der SPD-Unterbezirk Dortmund hatte 35.000 Mitglieder, einer politischen Karriere stand bei Butterwegge nichts im Weg.

Butterwegge im taz-Café

Christoph Butterwegge, der 65-Jährige Kandidat der Linkspartei, diskutiert am 10. Februar 2017 im taz Café mit der stellvertretenden taz-Chefredakteurin Barbara Junge und Inlandsredakteur Pascal Beucker über Demokratie, die offene Gesellschaft undVerfassungspatriotismus.

Wann: Freitag, 10. Februar 2017, 18:30 Uhr. Wo: taz Café, Rudi-Dutschke-Straße 23, 10969 Berlin. Eintritt frei

Doch der Stamokap-Flügel sollte, ging es nach SPD-Granden wie Hermann Heinemann, nicht zu einflussreich werden. Butterwegge, der offen die Politik von Bundeskanzler Helmut Schmidt kritisierte, wurde 1975 aus der Partei ausgeschlossen, wegen Linksabweichlertums – er hatte gegen das Parteistatut verstoßen, in dem stand, dass sich Sozialdemokraten von Kommunisten abzugrenzen haben. „Das war schrecklich, ein biografischer Bruch“, sagt er. Politik war sein Leben gewesen und hätte auch sein Beruf werden sollen. „Aber heute glaube ich, dass das ein Wendepunkt zum Besseren war.“

Rückblickend hätten Butterwegges Überzeugungen ohnehin nicht zur späteren SPD gepasst. Obwohl er 1987, nachdem sich Gerhard Schröder für ihn eingesetzt hatte, wieder Mitglied wurde, trat Butterwegge nach eben dessen Agenda 2010 endgültig aus. „Die taz hat mal von meiner Hassliebe zur SPD geschrieben“, sagt er. „Aber so richtig finde ich mich da nicht wieder: Da ist keine Bitterkeit, ich hege keinen Groll.“ Er verfolge nur eben die Ideale, von denen sich die SPD, Schröder und auch Butterwegges Konkurrent Steinmeier längst abgewandt haben.

„Ein demokratischer Sozialismus, der von Pluralität und Humanität geprägt ist, der ausschließt, dass wenige in der Gesellschaft über Produktionsmittel, Banken und Versicherungen verfügen und aufgrund ihres Reichtums wichtige politische Entscheidungen treffen.“ Das ist es, was Butterwegge will.

Strampeln bis zur Professur

Heute wohnt er mit seiner Familie, seiner zweiten Frau Carolin Butterwegge und zwei kleinen Kindern, in einem Reihenhaus in Köln-Sülz, einem studentisch-bürgerlich geprägten Stadtteil. „Die Ruhe, mich um die Kinder zu kümmern, ist als später Vater viel größer“, sagt er und gähnt kokett. Er ist nachts aufgestanden, um seinen ein Jahr alten Sohn zu füttern. Falls die Linkspartei im Mai in den nordrhein-westfälischen Landtag einzieht, wird er noch mehr gefordert sein: Seine Frau, 42 und ebenfalls an der Uni, kandidiert für ein Mandat.

Butterwegge selbst will in keine Partei mehr eintreten. „Ich habe sehr zu schätzen gelernt, als Professor ein hohes Maß an Autonomie zu haben“, sagt er. Seit dem Sommer ist er emeritiert, aber schon zuvor konnte er frei sprechen, offen und direkt. Mit Blick auf alte Weggefährten sagt er: „Ich konnte meinen Idealen viel besser treu bleiben als jemand, der als Politiker dem Druck von Lobbyisten ausgesetzt ist. Da unterliegt man natürlich Einflüssen, die einen verändern.“ Auch deshalb sieht er den Parteiausschluss als etwas, was Möglichkeiten eröffnet hat.

In den letzten Jahrzehnten hat sich die Gesellschaft fast immer gegen meine Vorstellungen verändert, sagt Butterwegge

Er orientierte sich neu damals, gezwungenermaßen, ohne gleich alle Brücken hinter sich einzureißen: Er schrieb seine Doktorarbeit zum Staatsverständnis der SPD, forschte zu Frieden, Rüstung und nach der Wende zu Rechtsextremismus. Einfach war auch diese Zeit nicht: Butterwegge hangelte sich von Vertretung zu Vertretung. „Ich musste strampeln“, sagt er, bis er mit 46 seine erste feste Stelle bekam, die Professur in Köln.

Als Professor begann er, sich verstärkt mit Armut zu beschäftigen, mit der von Kindern zuerst, mit der der Alten später. Er selbst habe zwar keine Armut kennen gelernt, sagt er, seine Mutter war als Schneiderin und Gewerbeamtsrätin beruflich erfolgreich. Biografisch geprägt ist die Beschäftigung damit trotzdem: In den Trümmergrundstücken, in denen er als Kind gespielt hat, lebten alte Frauen, die sie Hexen nannten und nach denen sie Steine warfen. „Ich habe das natürlich nicht bewusst als schreckliche Armut wahrgenommen“, sagt er. „Aber das ist ist eine meiner frühesten Erinnerungen.“

Mehr als ein halbes Jahrhundert später ist Butterwegge unter anderem dafür bekannt, den Begriff der Paternoster-Gesellschaft geprägt zu haben. Der beschreibt, dass die Reichen immer reicher, die Armen immer zahlreicher werden. „Diesen Zustand will ich ändern“, sagt er, mit Umverteilung von oben nach unten, einem gerechteren Steuersystem, einem stabilen Sozialstaat. Sowohl aus der Perspektive des Präsidentschaftskandidaten als auch aus der des Wissenschaftlers ist das für ihn konsequent. „Das deutsche Wissenschaftsverständnis geht dahin, dass man überparteilich, wertfrei und neutral sein muss.“ Aber diese Ideologie habe er nie vertreten: „Ich war immer ein politischer Politikwissenschaftler.“

Letztes Ziel: 100 Stimmen in der Bundesversammlung

Butterwegge wirbt auch dafür, dass bei der Bundestagswahl Rot-Rot-Grün an die Macht kommt – wohl wissend, wie bei fast allen seiner politischen Anliegen, dass die konkreten Erfolgsaussichten gering sind. Machbar könnte sein Wunsch sein, bei der Präsidentschaftswahl ein dreistelliges Ergebnis zu bekommen, bei nur 94 Wahlleuten, die der Linkspartei angehören, und mehr als tausend der anderen. Ein nüchternes Ziel.

Dass die Partei ihn nominiert hat, liegt nahe: Das Auseinanderklaffen von Arm und Reich rückte in den letzten Jahren immer stärker ins Blickfeld, spätestens mit der Wahl von Trump und dem Erstarken der europäischen Rechten ist klar, dass auch prekäre Schichten den neuen Rechten Zulauf bringen.

taz.meinland

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„Meine Themen werden akuter“, sagt er. „Die Linke muss sich noch stärker der sozialen Frage zuwenden.“ Und Butterwegge kann einen Lobbyisten der Abgehängten eben authentisch verkörpern – kämpferisch, uneitel, trotz der Professur. „Der Anti-Steinmeier“, schrieben nach seiner Kandidatur mehrere Zeitungen, nicht nur wegen Butterwegges Verhältnis zur SPD.

An einem Morgen, an dem sich Butterwegge der grünen Bundestagsfraktion vorgestellt hat, um auch dort ein paar Stimmen zu holen, steht er im Büro des Pressesprechers der Linksfraktion. Dietmar Bartsch kommt rein, der Fraktionschef, der ihn angerufen hat, um zu fragen, ob er sich die Kandidatur vorstellen könne. „Wie war’s?“, will Bartsch wissen. „Ach“, sagt Butterwegge, „sie würden mich wählen, wenn ich die Welt verbessern würde“. „Wir auch“, sagt Bartsch, „sonst hätten wir dich ja nicht nominiert.“ Bartsch und Butterwegge lachen. Sie wissen ja, wie es ausgehen wird.

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16 Kommentare

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  • Wie kann ein Neoliberaler, einer der die Agenda Gesetze ausgearbeitet hat zum BP ausgeguckt werden?

    Solch einer will BP für alle sein ?

    Wers glaubt wird noch nicht einmal seelig.

    Denn eine Wahl ist das eh nicht mehr.

    Nicht mein zukünftiger BP, zumal der kleine Mann niemals eine Stimme i.d. Bundesversammlung bekommen kann, welche den BP wählt. Es sind stets nur einige Prominente, die zur Wahl des BP eingeladen werden.

    Solange der BP nicht vom Volk gewählt werden kann, ist das unerträglich. Allerdings ist ein solches teures Amt eigentlich überflüssig.

    Die Repräsentationsaufgaben könnte ein Bundeskanzler im In- Ausland und ein Außenminister im Ausland übernehmen.

    Die einzigst wichtige Aufgabe eines BP ist und bleibt die Ausfertigung der Gesetze, sprich Unterschrift zum inkrafttreten der Gesetze.

    Diese Aufgabe wäre, weil dort die Fachleute sitzen, besser beim Bundesverfassungsgericht aufgehoben.

    Dem Steuerzahler würden ohne einen BP hohe Kosten erspart bleiben.

    Macht und Selbstdarstellungsgehabe und viel Geld regieren halt die Welt.

  • „Die Linke muss sich noch stärker der sozialen Frage zuwenden.“

     

    ja auch.

     

    vor allem: alle Ausgebeuteten und Schikanierten müssen sich noch mehr überlegen wie sie ihre eigene Lage verbessern und wie sie sich zusammenschließen.

     

    Nicht daddeln,

    sondern handeln.

  • ...eine Zweidrittelgesellschaft wäre doch schon mal ein vielversprechender Anfang.

    Unter Sozialisten (ganz gleich welcher Couleur) hätten wir wohl eher eine 1/10 - Gesellschaft zu erwarten. 1/10 stellt die wohlhabende Nomenklatura, 9/10 sind arm und ausgebeutet (siehe Venezuela, Kuba, Nordkorea und die anderen abschreckenden sozialistischen Beispiele). Danke nein! Darauf können unsere Arbeiter wirklich verzichten. -

    Schön wäre es auch, wenn ein so überzeugter Sozialist wie Butterwege mit leuchtendem Beispiel vorangehen würde: Das heiß kein bürgerliches Eigenheim-Idyll in besserer Kölner Lage, sondern Spende von der Hälfte seines großzügigen Professorengehalts (plus der Vortragshonorare) an Bedürftige und Umzug in eine kleinere Mietwohnung nach Köln-Chorweiler. Da könnte er beweisen, dass er nicht nur Wasser predigt und Wein trinkt. Aber am eigenen Geldbeutel hört sämtliche Solidarität auf, auch bei Prof.Dr.Butterwege. Für mich ist er nicht sehr glaubwürdig. Steinmeier steht da schon eher für das, was er sagt, egal ob man ihn mag oder nicht.

    • @Nguyen:

      Jaa, klar. Populisten sind immer schnell dabei mit Vorschriften, was diese oder jener alles tun müsse, um glaubwürdig zu sein, ohne einen Schimmer, was diese oder jener tatsächlich tut. Gehe hin, gib alles den Armen und folge mir nach. Der Mann hat jedoch Familie, und ein Professorengehalt ist nun auch nicht die Welt. Mit einem Korb Fische kann man in der Regel keine 5000 ernähren.

       

      Armut entsteht durch die Konzentration von Macht und Eigentum bei einigen Wenigen, durch Unterdrückung und Ausbeutung. Mag es auch „immer“ so gewesen sein: Das ist asozial. Umgekehrt kann man Armut nicht beenden, wenn nicht zugleich auch Superreichtum – bei Butterwegge: Hyperreichtum – endet. Das wäre ein sozialistischer Fortschritt, hin zu einer gerechteren, humaneren Gesellschaft.

       

      Und es ist machbar, in einem auch noch so unvollkommenen demokratischen System gemeinsam Verbesserungen für die Menschen zu erreichen – beginnend mit der Begradigung dieser gewaltigen Schieflage –, auch gegen die Interessen der sogenannten Herrschenden Klasse. Auch die muss sich letztlich an beschlossene Gesetze halten.

       

      Verhindert wird dies nur durch eine unablässige Flut von – geschickt lancierter – Desinformation und jede Menge Spaltkeile zwischen die gesellschaftlichen Gruppen.

  • Ein sehr guter Artikel. Der Mann hätte das Zeug, ein überparteilicher Kandidat zu sein. Aber natürlich hat er keine Chance, wenn die beiden großen Parteien sich bereits positioniert haben und er auch noch von der LINKEN vorgeschalgen wurde. Aber ich finde es gut, dass dieser Mann selbst dann kandidiert, wenn er keine Chance hat.

  • Bitte auch um einen ähnlich ausführlichen Artikel über den interessantesten Kandidaten: Engelbert Sonneborn.

     

    Der besitzt immerhin einen dunklen Anzug und hat uns nicht an die NSA verraten, so jedenfalls sein Sohn Martin.

  • Die Zivilgesellschaft sollte dafür kämpfen, dass das GG künftig dahin gehend geändert wird, dass der BP direkt vom Volk gewählt wird, und damit der Parteien-Kungelei entzogen ist. Das wird jedoch ein langer Weg werden.......und ein mühseliger. Aber es lohnt sich dafür zu kämpfen, denn die Politikerkaste wird sich ihre Pfründe nicht einfach so wegnehmen lassen.

  • „In den letzten Jahrzehnten hat sich die Gesellschaft fast immer gegen meine Vorstellungen verändert“

     

    Kritisiert Herr Butterwegge hiermit sich selbst, weil er fast immer danebenliegt oder kritisiert er „die Gesellschaft“, weil sie einfach nicht auf ihn hören will?

    Meine Empfehlung: Man soll die Menschen dort abholen, wo sie sind, und nicht dort, wo man sie gern sehen möchte. Sonst wird er auch in Jahren und Jahrzehnten zur selben Erkenntnis kommen (siehe oben)!

    • @Pfanni:

      Das ist keine Kritik an wem auch immer, sondern erst mal nur eine ernüchterte Feststellung, daß etwas anders läuft als man es sich aus Gründen gewünscht und/oder als besser vorgestellt hätte.

  • Schöner Artikel über die deutsche Politik und ihre Ignoranz gegenüber der Verarmungstendenz in der Gesellschaft.

     

    Früher standen viele Jusos und linke SPDler stramm hinter dem Statement von Johannes Rau, eine Zwei-Drittel-Gesellschaft sei um jeden Preis zu verhindern, heute haben wir die Zwei-Drittel-Gesellschaft, durchgesetzt hat sie die SPD ohne Not und auch ohne Plan.

     

    Jetzt stellt sich wohl eher die Frage nach einer 50-50-Gesellschaft oder man könnte auch zynisch sagen: Die Sozialstruktur Deutschlands gleicht jedes Jahr mehr der Sozialstruktur von Entwicklungsländern.

     

    Es würde wohl noch 40 oder 60 Jahre dauern, bis es hier zu einer Vergleichbarkeit käme, interessant ist für mich, dass der Entwicklungstrend sich nicht stoppen lässt. Zumindest nicht mit der Stimmabgabe bei einer Bundestagswahl. In der Gesellschaft sind die Kräfte unglaublich stark, die eine soziale Polarisierung wollen. Das kann man auch daran erkennen, dass Grüne, CDU, CSU, SPD und FDP Wähler haben wollen, die von der Politik nichts brauchen. Normalerweise müssten Parteien sich Wähler suchen, die etwas stark benötigen und deren Interessen sich zu eigen machen, um Macht zu erhalten. Tatsächlich ist es genau anders herum, die Parteien meiden Wählergruppen, die etwas brauchen - Politik soll in einer Art Geiz- und Wellness-Oase stattfinden.

    • 1G
      10236 (Profil gelöscht)
      @Andreas_2020:

      "Jetzt stellt sich wohl eher die Frage nach einer 50-50-Gesellschaft oder man könnte auch zynisch sagen: Die Sozialstruktur Deutschlands gleicht jedes Jahr mehr der Sozialstruktur von Entwicklungsländern. "

       

      Der piketty hat wohl trefflich geschrieben, dass, obwohl Wirtschaftswachstum zurückgeht, gewisse gesellschaftliche Gruppen immer auf ihre Rendite (vom Kapital, von eigener Arbeit oder der der anderen) beharren und sich die mit ökonomischen und politischen Mitteln holen. Da insgesamt der Kuchen aber nicht so schnell wächst, muss jemand was abgeben.

      http://www.economic-growth.eu/LangeReihen/Wirtschaftswachstum/Wachstum-Deutschland.gif

      http://www.wagner-berlin.com/am10n2.jpg

       

      Dieses Abgeben wird dann dem staunenden Publikum politisch als Aktion "Rette den Kuchen" verkauft und in Worthülsen verpackt wie etwa in der rede von Schröder zu Agenda 2010: "Alle Kräfte der Gesellschaft werden ihren Beitrag leisten müssen: Unternehmer und Arbeitnehmer, freiberuflich Tätige und auch Rentner."

      Statistiken zeigen, dass der gesellschaftliche Beitrag ziemlich einseitig geworden ist.

  • 1G
    10236 (Profil gelöscht)

    Artikel ist super, obwohl für meinen Geschmack ein bisschen zu melancholisch. Wie frau auf so ein Titel kommt, ist mir schleierhaft.

     

    Butterwege ist ein hochanständiger Mensch, der Sachen ausspricht, die eigentlich zum Kern sozialdemokratischer Politik gehören und in der Praxis auch bis vor 40 Jahren gehörten. Daran und an seinem Gegenkandidaten sieht man wohin die Sozialdemokratie (nicht nur in Deutschland) gedriftet ist.

     

    Persönlich glaube ich, dass man gegen diese Entwicklung nur mit gewisser Wut im Bauch antreten kann. So ist z.B. Ulrich Schneider mit seiner Art ein hervorragender Streiter für diese Themen, wobei seine Zahlenbasis schon gewisse Angriffsflächen bietet. Diese Wut im Bauch und Anerkennung als "disruptive force" bieten jetzt leider vorwiegend andere.

    • @10236 (Profil gelöscht):

      Spricht mir aus der Seele. Nach Lesen des Titels habe ich mir nicht mehr viel versprochen. Zum Glück war der Artikel dann doch besser.

      • @XXX:

        "Überzeugungstäter" ist in dem Kontext durchaus ein Kompliment.

        • 1G
          10236 (Profil gelöscht)
          @Da Hias:

          Der Titel wurde geändert. Die ursprüngliche Version hieß "Der Professor wird verlieren".

          • 1G
            10236 (Profil gelöscht)
            @10236 (Profil gelöscht):

            "...will verlieren"

             

            sorry