Überwachung in Frankreich: Filmen für den Tierschutz
In Frankreich sollen auf Schlachthöfen Kameras eingeführt werden. Deutsche Tierschützer sehen das nicht nur positiv.
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Im vergangenen Jahr hatten nämlich Tierschützer mehrfach schockierend grausame Praktiken gefilmt und veröffentlicht. Bei diesen heimlich aufgenommenen Szenen war zu sehen, dass in mehreren Schlachthäusern die Tiere unnötig und zum Teil vorsätzlich misshandelt oder ohne Betäubung getötet wurden.
Vor allem eine Gruppe mit dem Namen „L214“ – benannt nach dem französischen Tierschutzparagrafen – hatte mit solchen Enthüllungen in den Medien für Aufsehen gesorgt. Aus den Reihen der konservativen Opposition in der Nationalversammlung wurde deshalb bemängelt, die Vertreter der linken Regierungsmehrheit würden dem Druck dieser Tierschutzaktivisten nachgeben. Mit der geplanten Überwachung werde das gesamte Personal der 960 Schlachthöfe unter Generalverdacht gestellt, obwohl es abgesehen von bedauernswerten Ausnahmen seine schwere Arbeit korrekt verrichte.
Der Berufsverband der Fleischindustrie hatte vergeblich gefordert, dass die neue Maßnahme vorerst nur versuchsweise für fünf Jahre eingeführt wird. Den Tierschützern von L214 geht die neue Kontrolle hingegen nicht weit genug – denn sie gelten nicht für Tierversuche, und die Videoaufnahmen seien nur für die Veterinärdienste bestimmt.
Angela Dinter, Pro Vieh
Angela Dinter von der deutschen Tierschutzorganisation Pro Vieh sieht die Entwicklung in Frankreich trotzdem positiv: „Die Kameras werden die Mitarbeiter dazu anregen, anständig mit den Tieren umzugehen“, sagt sie. Ihre Organisation fordert eine solche Überwachung auch für Deutschland. Es gebe bereits einzelne deutsche Betriebe, die eine Kamera im Schlachthaus installiert haben. Mit der Überwachung sei es für den Tierschutzbeauftragten einfacher zu sehen, ob Tiere richtig betäubt oder getötet wurden, so Dinter. Laut einer EU-Verordnung muss es in größeren Schlachtbetrieben einen solchen Beauftragten geben, der Regeln zum Tierschutz überwacht.
Probleme mit dem Datenschutz sieht sie nicht, weil die Videos innerhalb der Betriebe blieben. Kathrin Zvonek vom Tierschutzbund sieht jedoch eine andere Gefahr: „Man kann auf Videos zwar sehen, wie die Mitarbeiter bei der Anlieferung mit den Tieren umgehen“, sagte sie. Ob ein Tier richtig getötet wurde, könne man aber auf dem Video nicht erkennen. „Bei der Tötung ist es sinnvoller, wenn der Tierschutzbeauftragte direkt danebensteht“, so Zvonek. Für sinnvoller hält sie deshalb mehr unabhängige Kontrollen durch die Veterinärämter.
Noch ist die französische Regelung nicht in Kraft. Die rechte Opposition wird versuchen, die definitive Verabschiedung des Antrags im Senat zu blockieren und bis zu den Wahlen im Sommer hinauszuzögern. Dabei wird vermutlich eine konservative Mehrheit an die Macht gelangen, die den Anliegen der Tierschützer weniger Gehör schenken könnte.
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