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Web-Serie „Wishlist“Öffentlich-rechtlich goes jugendlich

Die Web-Serie „Wishlist“ des Jugendsenders Funk senkt den Altersdurchschnitt des Öffentlich-Rechtlichen. Und sie hat Aussichten auf den Grimme-Preis.

Bei „Wishlist“ erfüllt eine App jeden Wunsch – aber nicht ohne Gegenleistung Foto: RB/Outside the Club.Foto Vien Trans-Van

Die Jugend jubelt. Und das Öffentlich-Rechtliche auch. Denn es könnte endgültig den Ruf verlieren, sein jugendliches Publikum zu vernachlässigen. Der selbst noch junge Onlinejugendsender Funk hat mit einer neuen Mystery-Web-Serie nicht nur die Erwartungen seiner Zielgruppe übertroffen, sondern sich auch ein junges Team von multitalentierten Produzent_innen an seine Seite geholt. Und damit nicht genug, seit Mittwoch ist „Wishlist“ als „Innovation“ für den 53. Grimme-Preis in der Kategorie „Kinder und Jugend“ nominiert.

Erst kürzlich hat der Sender die zweite Staffel der Serie angekündigt. Wobei: Das Wort Sender ist hier irreführend, denn bei Funk handelt es sich um ein „Content-Netzwerk“ von ARD und ZDF – gesendet wird nicht im Radio oder Fernsehen, sondern ausschließlich online – auf funk.net und YouTube. Zielgruppe sind 14- bis 29-Jährige.

„Wishlist“ handelt von einer gleichnamigen App, die einem jeden Wunsch erfüllt. Im Gegenzug muss die wünschende Person aber eine Aufgabe erfüllen, die von der App „berechnet“ wird. Wie schwer sie ist, richtet sich danach, wie aufwendig der Wunsch ist. Möchte man zum Beispiel „Sex mit Zeichentrick Arielle“, fordert die Siri-ähnliche Stimme der App den oder die Nutzer_in dazu auf, den Rhein „über die gesamte Länge mit Sahne“ zu zuschütten.

Fünf Freunde um die 17 Jahre alt, weniger an Enid Blyton als an die US-amerikanischen Kultserien „Friends“ oder „How I met your mother“ angelehnt, bilden den Hauptcast der Serie. Zunächst lassen sie sich von der App nur an Schlange und Türsteher vorbei in einen Nachtclub bringen oder sich das getragene Höschen der Angebeteten in den Briefkasten stecken. Bald darauf jedoch gerät das Spiel mit der App aus den Fugen und es stellt sich die Frage, wer hier mit wem spielt. Irgendwann liegt dann auch der Schritt, über Leichen zu gehen, nicht mehr fern.

Junger Sender, junges Team

Bei mittlerweile über 100.000 Abonnent_innen kann man von Erfolg sprechen. Die erste Staffel umfasst zehn Episoden à 15 Minuten. Jede Folge schließt mit einem Cliffhanger, das hält bei der Stange. Aber auch Gastauftritte von YouTube-Stars wie Dagi-Bee, die mit über drei Millionen regelmäßiger Konsument_innen „Wishlist“ deutlich in den Schatten stellt, tragen zur Beliebtheit der Serie bei.

„Es ist natürlich super, wenn man von größeren Kanälen gepusht wird. Wir hatten auch gar keine eigene Werbestrategie. Es geht am Ende vor allem ums Geteilt­werden. So funktioniert YouTube nunmal.“, sagt Marcel Becker-Neu. Der 26-Jährige bekleidet gleich mehrere Funktionen in dem jungen Produktionsteam: Buchautor, Darsteller, Komponist und Mitproduzent.

Die Sender fanden die Sprache teils sogar zu altbacken

Becker-Neu und sein Kollege Marc Schießer haben 2015 extra für das Projekt eine Produktionsfirma gegründet, die Zusage von Radio Bremen und MDR Sputnik hatten sie da bereits. Becker-Neu experimentiert seit zehn Jahren mit der Produktion von Videos und Kurzfilmen. „Für mich persönlich war die größte Herausforderung, so viel Verantwortung zu tragen und den Laden irgendwie schmeißen zu müssen. Als Darsteller und Produzent gleichzeitig musste ich am Set ständig die Positionen wechseln und hatte dann oft nicht den Kopf frei, um mich auf meine Rolle zu konzentrieren.“

Die Serie spielt an einem von der deutschen Film- und Fernsehindustrie bisher vernachlässigten Ort: „Wir haben uns aus zwei Gründen für Wuppertal entschieden. Zum Einen wohnt der Großteil des Teams dort und das spart Kosten. Zum Anderen ist die Stadt noch nicht so verbrannt wie zum Beispiel Berlin.“, meint Becker-Neu. Eine Genehmigung für Dreharbeiten in der neuen Schwebebahn hätten sie trotz des guten Marketings für die Stadt leider nicht erhalten. Für Aufnahmen in den alten Schwebewaggons fragten sie hingegen gar nicht erst nach. Im „Guerilla-Style“ hätten sie die paar Szenen in einer Nacht und Nebelaktion ohnehin „schnell im Kasten“ gehabt.

Authentizität versus Politisch korrekte Sprache

Derweil ist „Wishlist“ nach wie vor ein öffentlich-rechtliches Format. Die Auftraggeber_innen von Radio Bremen seien bei inhaltlichen Abnahmen der Drehbücher entsprechend streng gewesen, besonders in Bezug auf Sprache. Allerdings seien ihnen die Formulierungen nicht etwa zu jugendlich-salopp oder politisch inkorrekt gewesen, sondern eher zu „altbacken“.

In der Serie bezeichnet eine Hauptfigur ihre Freunde wiederholt als „behindert“ oder „Mongo“. Das sei wichtig für die Entwicklung ihres Charakters in der Serie und der Glaubwürdigkeit ihrer „Street Credibility“. „Wir haben untereinander schon auch über Political Correctness gesprochen“, erklärt Becker-Neu, „aber am Ende wollten wir vor allem ein Universum schaffen, das so authentisch sein sollte, wie nur möglich.“ Bildungsauftrag hin oder her.

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Besonders aufwendig sei zudem die Postproduktion gewesen. Für den „besonderen Look“ wurde in 4K gedreht, einem hochauflösenden digitalen Format, das Ergebnis: 25 Terrabyte Rohmaterial. Um ein Haar seien sie nicht fertig geworden. Nachtschichten und Aufputschmittel in Form von Kaffee, Energydrinks und Mate wären während der Postproduktion an der Tagesordnung gewesen.

Obwohl „Wishlist“ nur eines von vielen Angeboten der Funk-Plattform ist, avancierte es binnen kürzester Zeit zum Vorzeigeprodukt unter den New­comern der Formate. Die überwältigende positive Resonanz und die Dankbarkeit der Community junger YouTube-Abonnent_innen bezeichnet das Team als „total geiles Gefühl“. Die Bücher der zweiten Staffel sind bereits in Arbeit. Noch dieses Jahr soll die Fortsetzung bei Funk und YouTube zu sehen sein.Ob mit oder ohne Grimme-Preis, darf man also gespannt sein, welchen Weg das junge Team mit seiner jungen Serie einschlagen wird.

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