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Flüchtlinge im MittelmeerDas Sterben geht weiter

Mehr als 180 Flüchtlinge werden nach dem Untergang eines Boots vor Libyens Küste vermisst. Nur acht Menschen konnten lebend gerettet werden.

Immer mehr Flüchtlinge werden auf Holz- und Schlauchbooten von Libyen nach Italien geschleust Foto: ap

Rom taz | Auch im Jahr 2017 setzt sich die Serie der Flüchtlingstragödien im Mittelmeer fort. Nach Berichten weniger Überlebender starben beim Untergang ihres Schiffs bis zu 180 Menschen. Das Unglück ereignete sich schon am vergangenen Samstag, Details wurden allerdings erst am Dienstag bekannt, als die Geretteten auf Sizilien eintrafen.

Wie das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR und die Internationale Organisation für Migration (IOM) am Dienstag mitteilten, beruhen die Zahlen auf den Berichten der vier Überlebenden, die nach dem Unglück vor der libyschen Küste am Samstag gerettet werden konnten. Die italienische Küstenwache hatte zunächst von 107 Menschen an Bord gesprochen.

Der Holzkahn, auf dem sich die Menschen befanden, war von Libyen aus am Freitag in See gestochen. Etwa fünf Stunden nach der Abfahrt, so die Zeugenaussagen, sei der Motor ausgefallen, das manövrierunfähige Schiff sei daraufhin mit Wasser vollgelaufen und gekentert.

Stundenlang trieben die Menschen im kalten Wasser, bis ein von der Grenzschutzagentur Frontex eingesetztes französisches Marineschiff den Unglücksort etwa 50 Kilometer vor der libyschen Küste erreichte.

Immer mehr Bootsflüchtlinge

Nach Angaben der Tageszeitung La Repubblica konnten nur acht Menschen lebend gerettet werden. Die Überlebenden seien mit Hubschraubern umgehend nach Palermo gebracht worden, da sie unter schwerer Unterkühlung litten.

Die vier anderen – zwei Eritreer und zwei Äthiopier – wurden von dem norwegischen Frontex-Schiff „Siem Pilot“ übernommen und trafen am Montagabend im sizilia­nischen Hafen Trapani ein. Sie sprachen dort von 180 Passagieren, die sich an Bord befunden hätten.

Seit dem 1. Januar sind nach Angaben des UNHCR mehr als 2.300 Migranten auf dem Seeweg von Libyen nach Italien gekommen. Noch am Freitag waren bei anderen Einsätzen unter Leitung der italienischen Küstenwache 550 in Seenot geratene Menschen aus dem Mittelmeer gerettet worden. Wie schon in den letzten Monaten des Jahres 2016 setzt sich damit der Trend fort, dass die Schleuser verstärkt auch im Winter Überfahrten organisieren.

Im Jahr 2016 verzeichnete Italien mit 181.000 Bootsflüchtlingen die bisher höchste Zahl überhaupt. Ein trauriger Rekord ist auch bei der Zahl der Toten erreicht. Im letzten Jahr ertranken nach Angaben der Internationalen Organisation für Migration ebenso wie des UNHCR mehr als 5.000 Menschen bei der Überfahrt auf der zentralen Mittelmeerroute.

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13 Kommentare

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  • Das Problem ist nicht die Öffnung der Mittelmeerroute, sondern die Dreimeilenzone vor der Küste, die zum "Hoheitsgebiet" eines Landes gehört.

     

    Die Schleppereien sollten vom Staat gezwungen werden, die Geflüchteten nur noch auf Booten los zu schicken, die die drei Meilen bis in internationale Gewässer auch wirklich schaffen, wo die armen Menschen dann von den EU-Schiffen sicher an Bord genommen werden können und dürfen.

     

    Wenn eine Schlepperei schon mehrmals Seelenverkäufer mit hundert Geflüchteten vorher verloren hat, sollte das Unternehmen vom Staat ein Geschäftsverbot für den Passagierverkehr aufgebrummt bekommen.

  • Die Toten Hosen - Europa. Ohne Worte.

    https://www.youtube.com/watch?v=MGxAUJ7P2vY

  • Die Toten sind eine schreckliche Tatsache. Das Sterben kann nur durch eine konsequente Schließung der Mittelmeerrouten verhindert werden. Jeder Mittelmeer-Flüchtling muss sofort zurückgeschickt werden, damit ein Lerneffekt beginnt, bei dem jeder Fluchtinteressent versteht, dass er nicht rüberkommt.

     

    Tragisch ist, dass diese simple Erkenntnis bei den Fluchtbefürwortern (Line etc.) nicht begreiflich ist. Sie sind verantwortlich für die Toten.

     

    Tragisch ist, dass die Flüchtlinge nicht die Ärmsten aus Afrika sind, sondern Menschen, die für afrikanische Verhältnisse soviel Erfolg und Einkommen hatten, um sich die "Flucht" leisten zu können. Es wird also der schwache Aufschwung in den Herkunftsländern regelrecht verbrannt, Familien zerissen, durch die trennung menschliches Unglück erzeugt.

     

    Profiteure ist einzig die mafiöse und menschenverachtende Fluchtindustrie. Wenn im Jahr 2015 ca. 900.000 Flüchtlinge in Dtl. ca. 4000 €/Person für die Fahrt investieren mussten, sind 3.600.000 € / nochmal 3,6 Mrd. € für die Mafiosi rausgesprungen. Invest in ein 100-Mann-Gummiboot: 500 €, Gewinn: 399.500 €. Schönen Dank an die Fluchtbefürworter von den Gangstern.

     

    (Kann gelöscht werden: Ja ja, ich weiß, ist wieder für die taz-Kontrolleure zu kritisch. Wird wohl auch zensiert, da ein taz-Zensor, Kritik nicht ertragen kann und lieber die Orwell-Welt aus 1984 besser findet. Lieber der Realität ausblenden und zensieren, damit die eigene Ideologie blühen kann. Doch was hat das mit Demokratie und Meinungsfreiheit zu tun?)

    • @Nickname23:

      Volle Zustimmung.

      Ist diesmal nicht zensiert worden! (Was ist da los? Personalwechsel?)

  • Die Toten im Mittelmeer sind unsere Toten. Das Versagen der EU, ihre Außengrenzen human auszugestalten ist der Beweis dafür, dass diese EU europäische Werte, die Menschenwürde und das Völkerrecht mit Füßen tritt.

     

    Wer nicht klar benennt, dass diese EU anti-europäisch ist, macht sich der Verdrängung und des Verschweigens mitschuldig.

    • @mister-ede:

      "Diese EU anti-europäisch"?

       

      Wir haben keine Pflicht, Grenzen zu öffnen. Jedes Land hat das Recht seine Grenzen zu schließen und zu schützen. Die Toten im Mittelmeer sind daher auch nicht "unsere Toten". Die EU hat insoweit nicht versagt. Es gibt keine Verstöße gegen welches Recht auch immer.

       

      Um ungeachtet dessen das Sterben im Mittelmeer zu beenden sollten wir Tunesien und Ägypten überzeugen und unterstützen, Menschen, die aus aus Seenot vor den Küsten Libyens gerettet worden sind, dort sicher unterzubringen.

      • 8G
        80336 (Profil gelöscht)
        @DiMa:

        Sie verwechseln Recht mit Gesetz. Es mag sein, dass Länder sich das Recht herausnehmen, ihre Grenzen dicht zu machen. Es ist noch nicht lange her, als Grenzen nur gegen fremde Armeen, oder einreisen bzw. ausreisen wollende Verbrecher geschützt wurden. Dass Ausländer eine Aufenthaltsbewilligung in Form eines Visums benötigen, um einreisen zu dürfen, gab es zum Beispiel in Preußen erst seit 1813, und wurde per Gesetz verfügt.

        Die Überlebenden nach Tunesien und Ägypten zurückschicken, da diese die nächsten Häfen haben, damit "das Dilemma zwischen Seenotrettung und Migration beendet werde"? Welches "Dilemma"? Was sind die zwei unangenehmen Dinge, zwischen denen eine Wahl erzwungen ?

        Dass es noch Menschen gibt, die den Unterschied zwischen Recht und Gesetz kennen, davon können Sie sich hier überzeugen:

        http://icelandmonitor.mbl.is/news/news/2016/11/30/they_saved_1_107_lives_in_the_meditteranean/

         

        Um den Unterschied zwischen Recht und Gesetz zu kennen, müssten Sie erst ein Kind sein, das noch in der Lage ist, bei seinen Eltern sein zu wollen, oder ein Vater, der noch in der Lage ist, sein Kind bei sich haben zu wollen. Und dann den Schmerz durchleben, jede Sekunde, jahrelang.

        Würden Sie mein Kind nach Tunesien oder Ägypten zurückschicken, weil es bei der Überfahrt leider nicht ertrunken ist, und daher gerettet werden musste, würde ich mir herausnehmen, Sie zu fragen, was denn Ihr Recht, dass Sie sich herausgenommen, über mein natürliches Recht stelle:

        http://www.algorithmics.is/wordpress/de/2016/05/11/landshornaflakkari/

        • @80336 (Profil gelöscht):

          "Sie verwechseln Recht mit Gesetz".

           

          Gesetz ist der geschriebene Codex, Recht das, was die Rechtsprechung damit macht.

           

          Bringt das weiter? Nein, das bringt nicht weiter. Ein natürliches Recht auf Migration in einen fremden Staat gibt es nur, wenn der Migrierende vom fremden Staat entweder eingeladen wird oder wenn der Migrierende stark genug ist, seinen Anspruch durchzusetzen.

           

          Mangels Einladung bleibt als Möglichkeit zur Durchsetzung des Rechts auf Einreise im Prinzip nur die Drohung mit Selbstmord für den Fall, dass eine Rettung nach Italien nicht stattfindet. Das wird dauerhaft nicht funktionieren.

          • 8G
            80336 (Profil gelöscht)
            @A. Müllermilch:

            Vielen Dank für Ihren Versuch einer Definition von "Recht" und "Gesetz". Da ist es doch gut, dass es neben der Auffassung von "Recht" aus dem alten Rom, die Sie mir hier als Definition von "Recht" andienen wollen, auch noch sinnvollere Auffassungen von Recht gibt.

             

            Bei einem Vergleich des Verhältnisses der Summe an Getöteten, die im Namen des Guten und im Namen

            des Bösen ihr Leben verloren, wäre mehr Sorge angebracht; wegen jener, die nicht als Verbrecher

            angesehen.

            • @80336 (Profil gelöscht):

              "sinnvollere Auffassungen von Recht"

               

              Verraten Sie auch welche das sind? Die Frage erscheint Ihnen vielleicht blöde, ist aber auch nach acht Semestern Jura durchaus ernst gemeint.

               

              "Im Namen des Guten und im Namen"

               

              Da sich kaum jemand "zum Bösen" bekennt, dürften die meisten Greueltaten im Namen des Guten begangen worden sein. Was hat das mit dem Artikel zu tun?

              • 8G
                80336 (Profil gelöscht)
                @A. Müllermilch:

                Da dies hier zu umfangreich ausfiele, empfehle Ihnen daher als Lektüre den Vortrag von Sigurður Líndal, Professor der Rechtswissenschaften an der Universität Reykjavik , Beiträge und Materialien aus dem Max-Planck-Institut, Band S 16. ISBN 3-922498-81-7, S. 27ff. Der Professor hielt den Vortrag in deutscher Sprache.