New Yorktaz | Loyal ist der Mann, den Donald Trump zu seinem obersten Diplomaten und damit zum zweiten Gesicht der USA machen will, auf jeden Fall. Die Frage ist nur, wem sich Rex Tillerson am stärksten verpflichtet fühlt: dem größten Ölkonzern der Welt, ExxonMobil, für den er seit vier Jahrzehnten arbeitet, oder der US-amerikanischen Öffentlichkeit, deren Interesse an Aufklärung über und Vermeidung von Klima- und anderen Umweltgefahren er immer wieder mit Füßen getreten hat.
Der gewählte Präsident hat mehrere Tage lang die Stimmung im Land getestet, bevor er Tillerson am Dienstagmorgen zu dem Außenminister seiner Wahl nominierte. Er nannte ihn einen der „erfolgreichsten Geschäftsleute und internationalen Unterhändler der Welt“ und eine „Verkörperung des amerikanischen Traums“. Der 64-jährige Tillerson hat zwar nie im Regierungsdienst gearbeitet, aber was die zurückgelegten Meilen und die Kontakte betrifft, kann er sich mit seinen AmtsvorgängerInnen John Kerry und Hillary Clinton messen und steckt seinen künftigen Chef Trump locker in die Tasche.
Exxon-Mobil hat Öl- und Gasanlagen sowie Pipelines, Raffinerien und Tankstellen in fast allen Ländern der Welt. Tillerson hat viele davon – als führender Mitarbeiter und seit 2006 als Chef des Konzerns – selber verhandelt. Anders als sein künftiger Chef, der sich lediglich damit gebrüstet hat, steht Tillerson tatsächlich seit Jahren mit dem russischen Präsidenten in Kontakt. Und hat von Putin persönlich den Freundschaftsorden, die höchste Auszeichnung für Ausländer, bekommen.
Tillerson soll ein Kabinett verstärken, das die höchste Konzentration von MillionärInnen und MilliardärInnen an der US-Spitze jemals hat, in dem es mindestens drei Generäle geben wird und wo es von langjährigen Wall-Street-LobbyistInnen wimmelt. Der Unterschied zwischen dem Wahlkampf, in dem Trump gezielt GlobalisierungsverliererInnen und andere „kleine Leute“ in wirtschaftlich vernachlässigten Regionen der USA angesprochen hat – O-Ton: „Ich liebe die Ungebildeten“ – und in dem er dem „Establishment“ in Washington vorgeworfen hat, es bestehe aus zu vielen Insidern, könnte kaum größer sein.
Konflikte über Umwelt- und Menschenrechte
Umwelt- und KlimaschützerInnen hielten erste Informationen, die über Tillersons Nominierung durchsickerten, zunächst für einen schlechten Witz. Sie sind immer wieder mit Exxon-Mobil in Konflikte über Umwelt- und Menschenrechte geraten. Erst vor wenigen Tagen hat Exxon-Mobil mehrere kritische Umweltorganisationen vor Gericht laden lassen.
Im vergangenen Jahr machte der Konzern Negativschlagzeilen, als herauskam, dass er schon vor Jahrzehnten wusste, dass seine Mineralölgeschäfte das globale Klima nachteilig verändern würden. In den 60er Jahren leistete sich Exxon-Mobil den Luxus einer hausinternen eigenen und hochkarätig besetzen Klimaforschungsstelle. Doch in den 70ern wechselte der Konzern radikal in das Lager der Klimawandelleugner über.
Heute banalisiert der gebürtige Texaner Tillerson die Folgen des Klimawandels. Bei einem Auftritt im Jahr 2012 sagte er zum Anstieg von Temperaturen und Meeresspiegel: „Wir (Menschen, d. Red.) haben unsere komplette Existenz damit verbracht, uns anzupassen. Das werden wir, falls nötig, auch dieses Mal tun. Es handelt sich um ein Ingenieursproblem, das nach Ingenieurslösungen verlangt.“ Solche Erklärungen sind branchenüblich und klimapolitisch sensibler als das, was Trump sagt. Der behauptete noch in dieser Woche, „niemand“ wisse, ob der Klimawandel real sei. Doch Tillersons Bagatellisierungen sowie die Tatsache, dass er wohl nicht der einzige Vertreter von Mineralölinteressen im Kabinett sein wird, zeigen, dass die bisherige Klimapolitik Washingtons zu Ende geht.
Trumps Hire and Fire
Wer sitzt an Trumps Regierungstafel und trifft politische Entscheidungen, während der Herr des Weißen Hauses gerade über sein Smartphone gebeugt ist und die nächste Tirade auf Twitter raushaut? Und wer ist schon wieder nicht mehr dabei? Ein Überblick über das sich stetig wandelnde Kabinett des Schreckens:
dpa
Verteidigungsminister James Mattis trat Ende 2018 zurück. Einen Tag nachdem Trump ankündigte, dass die USA aus den Kurdengebieten in Syrien abziehen werde, reichte Mattis seinen Rücktritt ein. Bis Mitte 2019 wurde der Posten dann kommissarisch vom früheren stellvertretenden Verteidigungsminister Patrick M. Shanahan besetzt. Seit dem 23. Juli 2019 ist Mark Thomas Esper US-Verteidigungsminister.
reuters
Justizminister Jeff Sessions wurde im November 2018 hingegen gefeuert. Im Zuge der Russland-Ermittlungen war der Vier-Sterne-General in Ungnade gefallen.
ap
Sessions' Nachfolger als Justizminister wurde im Februar 2019 William Barr, der das Amt schon unter George H. W. Bush ausübte.
ap
Reince Priebus, zuvor Chef der Republikaner, war bis Juli 2017 Trumps Stabschef im Weißen Haus. Über die Monate war Priebus immer wieder nachgesagt worden, Interna aus dem Weißen Haus an die Presse durchzustechen. Ende Juli 2017 trat er ohne Begründung zurück.
reuters
Auf ihn folgte John Kelly, der bis Januar 2019 durchhielt. Der zweitwichtigste Mann im Weißen Haus soll über Trump gesagt haben: „Er ist ein Idiot.“ Da es keinen Nachfolger gibt, wird der Posten kommissarisch vom Verwaltungsamtschef Mick Mulvaney besetzt.
ap
Ein Opfer von Kellys neuer Umstrukturierung war im Juli 2017 Trumps Chefstratege Steve Bannon. Medien zufolge wollte Kelly Bannon feuern, Bannon selbst sagte, er habe nie vorgehabt, so lange in der Regierung zu arbeiten. Zuvor war Bannon Chef der rassistischen und antisemitischen Nachrichtenseite Breitbart gewesen.
reuters
John Kelly war davor Heimatschutzminister – auf ihn folgte 2017 Kirstjen Nielsen. Vom 6. Dezember 2017 bis April 2019 war sie Ministerin für Innere Sicherheit. Zwischen Nielsen und dem Weißen Haus hat es praktisch seit ihrer Ernennung zur Ministerin Spannungen gegeben. Der Posten wird derzeit von Kevin McAleenan kommissarisch besetzt.
Sie war die UN-Botschafterin der USA und sollte Donald Trumps „America first“ im Weltmaßstab durchsetzen – nun will sie nicht mehr. Nikki Haley macht Ende des Jahres 2018 Schluss. Im Juli 2019 übernahm die Geschäftsfrau Kelly Dawn Knight Craft den Job.
ap
Klimawandel? Not his cup of tea. Scott Pruitt war Chef der US-Umweltbehörde (EPA). An die schickte er als Justizminister von Oklahoma einst einen Brief mit der Kritik, die Behörde überschätze die von Energieunternehmen verursachte Luftverschmutzung. Was er ausließ: Geschrieben wurde er von Devon Energy, einer großen Öl- und Gasfirma. Nach zahlreichen Korruptionsskandalen trat er im Juli 2018 zurück.
reuters
Andrew Wheeler folgte bereits im Juli 2018 auf Pruitt als EPA-Chef – auch er ist eher zurückhaltend bei der Einschätzung, was die Schäden durch den Klimawandel sein könnten.
ap
Besonders oft hat Trump seine nationalen Sicherheitsberater ausgewechselt. Der Erste auf dem Posten war Michael Flynn. Gehen musste er im Februar 2017, weil er vor seiner Amtsübernahme mit dem russischen Botschafter in Washington gequatscht hatte.
ap
Danach war der Offizier Herbert Raymond McMaster über ein Jahr lang Trumps nationaler Sicherheitsberater. Dem US-Präsidenten gefiel nicht so ganz, was McMaster in Sachen Russland zu sagen hatte – nämlich dass es unbestreitbare Beweise für eine russische Einflussnahme bei der US-Wahl gebe. Im März 2018 feuerte er ihn per Twitter.
reuters
Auf McMaster folgte im April 2018 John Bolton. Bolton ist ein besonders sympathischer Zeitgenosse. Diplomatie ist nicht sein Ding. Er setzt auf die militärische Macht der USA. Das ging selbst Trump zu weit. Er feuerte ihn, so Trump, am 10. September 2019. Bolton selbst sagt, er habe seinen Rücktritt eingereicht.
reuters
2017 hatte es bereits immer wieder Spekulationen über einen Rücktritt Rex Tillersons gegeben. Im März 2018 erfuhr der Außenminister anscheinend durch einen Tweet von Trump, dass er seinen Posten los ist.
ap
Tillersons Nachfolger im Außernministerium ist seit April 2018 Mike Pompeo, der bisherige CIA-Chef. Er ist mit den Republikanern gut vernetzt und gehört zum erzkonservativen Flügel der Tea-Party. Der Ex-Army-Panzeroffizier ist für die Nutzung von Geheimgefängnissen – das ist jedoch kaum verwunderlich, denn er ist auch ein Befürworter des Waterboardings.
ap
Sean Spicer war der erste Pressesprecher des Weißen Hauses. Bekannt wurde er, weil er über Trumps Einweihung log und behauptete, die Zuschauerzahl sei die bislang größte für eine solche Feier gewesen. Im Juli 2017 trat er zurück.
reuters
Sarah Huckabee Sanders, Spicers Nachfolgern, verließ im Juni 2019 überraschend das Weiße Haus. Beliebt bei JournalistInnen war sie nicht: Sie strich das tägliche Pressebriefing und wurde wegen ihrer bedingungslosen Loyalität Trump gegenüber kritisiert. Der Präsident fand sie umso toller: „Sie ist eine sehr spezielle Person mit außergewöhnlichen Talenten, die einen großartigen Job gemacht hat. Sarah, danke für deine Arbeit, gut gemacht!“, twitterte er.
ap
Trumps neue Pressesprecherin: Stephanie Grisham. Sie gilt als ähnlich loyal wie Sarah Sanders, nur eine Prise machtbewusster. Gut vorstellbar, dass Trump das super findet. Ob sie den Job, der so fordernd ist, dass zwei Verantwortliche ihn innerhalb von drei Jahren schmissen, länger aushalten kann?
reuters
Trump machte Tom Price, einen entschiedenen Gegner des „Affordable Care Act“ (Obamacare), zum Gesundheitsminister. Ende September 2017 geriet Price in die Kritik, weil er für Dienstreisen stets Charterjets benutzte und dafür 400.000 Dollar ausgegeben hatte, für Auslandsreisen nutzte er Militärflieger für insgesamt 500.000 Dollar. Er trat am 29. September 2017 zurück.
reuters
Auf Price folgte im Januar 2018 Alex Azar, ein früherer Pharmalobbyist, womit der Bock zum Gärtner gemacht wurde.
reuters
Alexander Acosta war Arbeitsminister. Im Juli 2019 tritt er zurück. Hintergrund ist der Fall um den US-Finanzberater Jeffrey Epstein, der Dutzende Minderjährige missbrauchte und zur Prostitution anstiftete. 2008 war Epstein einem Bundesverfahren entgangen, weil er einen Deal mit der Staatsanwaltschaft einging. Acosta stimmte dem Deal damals als Staatsanwalt in Florida zu. Trump sagte, Acosta sei ein „sehr guter Arbeitsminister“ gewesen.
ap
Das Profil der künftigen Regierungsmitglieder zeigt, dass Trump sich mit starken, erfolgreichen und in vieler Hinsicht erfahreneren Leuten umgeben wird, als er selber ist. Damit werden sich voraussichtlich auch die Abläufe in der Regierung verändern. Während unter Präsident Barack Obama fast alle wichtigen Entscheidungen in seinem Büro fielen, zeichnen sich für die Regierung Trump mehrere Machtzentren ab. Das wird zu unvermeidlichen Konflikten im Kabinett führen. Aber es könnte auch dafür sorgen, dass die Gefahr weiterer internationaler Eskalationen – insbesondere mit Russland – sinkt.
Im Senat allerdings, der den Außenminister genau wie die meisten anderen Spitzenleute noch bestätigen muss, bevor sie ihre Ämter antreten können, sehen das viele anders. Dort melden sowohl RepublikanerInnen als auch zahlreiche DemokratInnen Bedenken gegen Tillerson an. Nicht, weil er ein US-Ölscheich und Klimaleugner ist, sondern weil er gute Beziehungen nach Moskau hat.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei!
Jetzt unterstützen
„Aber es könnte auch dafür sorgen, dass die Gefahr weiterer internationaler Eskalationen – insbesondere mit Russland – sinkt“
Das möchte ich heftig bezweifeln!
Was wird sein, wenn Mr. Trump bemerkt (oder von seinen Beratern mit der Nase darauf gestoßen wird), dass ihn sein neuer „Freund“ Putin eiskalt austrickst? Vermutlich wird er dann mal wieder ins Gegenteil verfallen; die Männerfreundschaft ist beendet und der kalte Krieg ist wieder da. Hoffentlich kommt er, Trump, dann nicht wieder auf die Idee, dass man A-Waffen auch einsetzen kann, wenn man sie schon besitzt!
meistkommentiert
Unwetterkatastrophe in Spanien
Vorbote auf Schlimmeres
BSW in Thüringen auf Koalitionskurs
Wagenknecht lässt ihre Getreuen auf Wolf los
Orbán und Schröder in Wien
Gäste zum Gruseln
Jaywalking in New York nun legal
Grün heißt gehen, rot auch
Schließung der iranischen Konsulate
Die Bundesregierung fängt endlich an zu verstehen
Steinmeiers Griechenland-Reise
Deutscher Starrsinn