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Ein Sieg für die Pipeline-Gegner

USA Die Sioux und ihre Unterstützer haben Grund zum Jubeln: Das Militär stoppt den Bau einer Ölpipeline. Doch die Betreiber der Leitung wollen ihr Projekt vollenden

Auch die Sioux Redfeather beteiligte sich an den Protesten. „Ich mache das auch für die nächsten Generationen“, sagt sie Foto: David Goldman/ap

Aus New York Dorothea Hahn

Mit Jubel und Freudentränen sowie einer durchtanzten Nacht im Schnee am ­Cannon-Ball-Fluss in North Dakota feierten Tausende in der Nacht von Sonntag zu Montag die gute Nachricht. Unter ihnen Sioux und andere indigene ­US-AmerikanerInnen, Linke aus aller Welt sowie 2.000 VeteranInnen, die angereist waren, um sich als menschliche Schutzschilde zwischen die DemonstrantInnen und die Polizei zu stellen. Der Bau der Dakota Access Pipeline ist vorerst gestoppt. „Nach Jahrhunderten hört endlich jemand auf uns“, sagte David Archambault, der Präsident des Standing-Rock-Reservats am Montag.

Am Sonntagnachmittag hatte US-Vize-Verteidigungsministerin Jo-Ellen Darcy erklärt, dass die Pipeline den Missouri-Fluss nicht auf der Höhe des Oahe-Stausees unterqueren darf. Die von den Betreibern geplante Flussunterquerung liegt nur wenige hundert Meter nördlich des Standing-Rock-Reservats, das seine komplette Trinkwasserversorgung aus dem Missouri bezieht. Das Verteidigungsministerium war für die Entscheidung zuständig, weil das Land nördlich des Reservats dem Army Corps of Engineers gehört. Es war seit Mitte des vergangenen Jahrhunderts von den Sioux enteignet worden, um dort den Oahe-Stausee anzulegen.

Die Proteste gegen die Pipeline, die Öl aus Tausenden von Fracking-Bohrstellen in North Dakota nach Illinois befördern soll, hatten in dem Reservat begonnen. Als Erste hatten junge Leute gegen die Gefahren für ihr Trinkwasser, aber auch für das globale Klima protestiert. Sie waren bis in die Hauptstadt Washington gezogen und argumentieren, dass die ursprüngliche Pipeline-Route nördlich von Bismarck, der Hauptstadt von North Dakota, verlaufen sollte und von der dortigen Bevölkerung aus Sicherheitsgründen abgelehnt worden war. Wenn die Pipeline zu gefährlich für die mehrheitlich weiße städtische Bevölkerung ist, dann gelte das auch für sie, ist ein Argument der Pipeline-GegnerInnen, die sich selbst „Water Protectors“ – WasserschützerInnen – nennen.

„Nach Jahrhunderten hört endlich jemand auf uns“

David Archambault

Für ältere BewohnerInnen von Standing Rock war der Protest gegen die Pipeline zugleich die Erledigung einer alten Angelegenheit. Als Kinder hatten viele von ihnen erlebt, wie ihre Familien von dem Land vertrieben wurden, auf dem der Stausee angelegt wurde. Damals wurden ganze Sioux-Siedlungen geflutet.

Bei den indigenen Völkern der USA breitete sich die Anti-Pipeline-Bewegung wie ein Lauffeuer aus. Als im Frühsommer die ersten Protestcamps in der Prärie entstanden, kamen die RepräsentantInnen von fast 300 anderen Stämmen und erklärten ihre Unterstützung.

Auf der anderen Seite reagierte die Polizei des zuständigen Morton County mit militärischer Gewalt. Mehrfach fuhr sie mit Schützenpanzern auf, beschoss die DemonstrantInnen mit Gummigeschossen und setzte Pfeffergas ein. Der private Wachschutz hetzte Hunde auf Menschen. Zahlreiche DemonstrantInnen wurden verletzt, davon einige schwer. Hunderte weitere – darunter auch mehrere JournalistInnen – wurden festgenommen und wegen Widerstand und Hausfriedensbruch angeklagt.

Für den heutigen Montag hatte der Gouverneur von North Dakota, der Republikaner Jack Dalrymple, einen Räumungsbefehl erteilt. Allen, die sich auf dem Gelände befanden, oder die sich mit Lebensmitteln, Heizmaterial, Medizin oder anderer Unterstützung näherten, drohte er mit drastischer Verfolgung.

In einer ersten Reaktion auf den Baustopp bezeichneten die Betreibergesellschaften Energy Transfer Partners und Sunoco Logistics die Entscheidung des Army Corps of Engineers als eine „rein politische Aktion“. Sie kündigten an, dass sie weiterhin „voll engagiert“ seien, um ihr Pipeline-Projekt zu vollenden. Der Kampf scheint noch nicht beendet.

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