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Einseitige HochschulbildungNeoliberale dominieren die Lehrstühle

Wer VWL studiert, lernt die Wirtschaft fast nur über Formeln kennen. Doch es gibt Kritik an und Alternativen zur neoklassischen Lehre. Ein Überblick.

Es gibt keine Alternative zum höher-schneller-weiter? Zumindest nicht an deutschen Unis Foto: dpa

Die Lehre

Rund 430.000 Studierende sind in Deutschland im Fach Wirtschaft eingeschrieben. Sie alle belegen auch Kurse in der Volkswirtschaftslehre (VWL) und werden dort mit einer Theorie konfrontiert, die völlig realitätsfern ist und bis heute so tut, als ob es die Finanzkrise nie gegeben hätte. Denn die sogenannten neoklassischen Modelle gehen davon aus, dass die Märkte zum Gleichgewicht tendieren. Krisen sind nicht vorgesehen, sondern werden per Definition weitgehend ausgeschlossen.

Kritische Studierende monieren schon seit Jahren, dass ihnen ein Zerrbild der Wirklichkeit vermittelt wird, und haben das Netzwerk Plurale Ökonomik“ gegründet, um die einseitige Lehre zu reformieren. Viele Professoren stimmen ihnen sogar zu. Aber geändert hat sich in den Vorlesungen trotzdem nichts, wie jetzt eine Studie zeigt, die von der Hans-Böckler-Stiftung finanziert wurde.

Der Ökonom Frank Beckenbach aus Kassel hat seine Kollegen befragt, wie sie die Lehre einschätzen. 588 Volkswirte an 54 Universitäten antworteten ihm. Heraus kam: 77,2 Prozent teilen die Meinung, dass es einen neoklassischen Mainstream gibt, der einen rationalen Homo oeconomicus voraussetzt. Phänomene wie Herdenverhalten oder überbordende Spekulation kommen in der Lehre nicht vor.

Kritische Studierende monieren schon seit Jahren, dass ihnen ein Zerrbild der Wirklichkeit vermittelt wird

Mit dieser Einseitigkeit sind auch die Lehrkräfte unzufrieden: 92,8 Prozent der Befragten fanden es wichtig, die Studierenden auch mit anderen ökonomischen Ansätzen vertraut zu machen. 84 Prozent wären daher bereit, ihre Lehre entsprechend zu verändern. Doch von diesen guten Vorsätzen bleibt in der Praxis nicht viel übrig: 69,7 Prozent gaben an, in den Grundlagenfächern des Bachelor-Studiums vor allem den neoklassischen Mainstream zu vermitteln.

Die Lehre ist auch deswegen so einseitig, weil die Ökonomen mit Lehrbüchern arbeiten, was in anderen Sozialwissenschaften meist nicht üblich ist. In knapp 90 Prozent dieser Handbücher kommt ebenfalls nur die Neoklassik vor, wie Beckenbach ausgewertet hat.

Wie eng die neoklassische Lehre ist, zeigt auch eine Studie vom Netzwerk Plurale Ökonomik. Es wurden die 57 deutschen Bachelor-Studiengänge untersucht, die zu einem VWL-Abschluss führen. Das Ergebnis war frappierend: Die Studierenden lernen vor allem mathematische Formeln. Empirie kommt nicht vor. Selbst das Thema Geld, zentral im Kapitalismus, füllt nur 4 Prozent des Lehrplans.

Der freie Markt ist angeblich die beste Lösung. Der Staat stört tendenziell

Der neoklassische Mainstream ist nicht nur thematisch eng und theoretisch fragwürdig – er ist auch politisch nicht neutral. Den Studierenden wird suggeriert, dass der „freie Markt“ stets die beste Lösung darstellt und der Staat tendenziell stört. Das meistverkaufte Lehrbuch stammt vom Harvard-Professor Greg Mankiw, der Wirtschaftsberater von US-Präsident George Bush war. Gleich zu Beginn warnt Mankiw davor, die Reichen progressiv zu besteuern: „Je gerechter der Kuchen verteilt wird, umso kleiner wird er.“ Empirisch belegt ist die Behauptung nicht.

Die Kritik

Nicht nur deutsche VWL-Studenten quälen sich durch abstrakte Lehrbücher. Weltweit werden überall die gleichen Texte verwendet. Ob in Australien oder Chile, in den USA oder Frankreich: Die Abfolge der Kapitel und die Formeln ähneln sich.

Das erste VWL-Lehrbuch erschien 1948 und wurde vom MIT-Professor und späteren Nobelpreisträger Paul Samuelson verfasst. Es setzt bis heute den Standard: Das Werk wurde millionenfach verkauft, erlebte 19 Auflagen und wurde in 41 Sprachen übersetzt.

Lehrbücher sind ein politisches Machtinstrument. Von Samuelson stammt der viel zitierte Ausspruch: „Es ist mir egal, wer die Gesetze einer Nation schreibt – solange ich ihre Volkswirtschaftslehrbücher schreiben kann.“

Inzwischen gibt es eine Vielzahl weiterer Lehrbücher, die meist ebenfalls von US-Ökonomen stammen und ins Deutsche übersetzt wurden. Aber wie gut sind diese Texte? Das konnten Studierende bisher nicht beurteilen, sondern mussten ihren Dozenten trauen. Doch seit Neuestem gibt es Hilfe: Einige kritische Ökonomen rund um den Essener Professor Till van Treeck haben sich die Arbeit gemacht, die wichtigsten Lehrbücher zu analysieren.

Der Befund: Die Lehrbücher sind extrem einseitig und weltfremd. Sie alle präsentieren den „neoklassischen“ Mainstream. Debatten werden verschwiegen und fragwürdige mathematische Modelle als allgemeine Wahrheiten verkauft. Die reale Welt kommt nur gelegentlich vor, stattdessen wird suggeriert, die Ökonomie sei eine Naturwissenschaft wie die Physik.

Von Samuelson stammt der viel zitierte Ausspruch: Es ist mir egal, wer die Gesetze einer Nation schreibt – solange ich ihre Volkswirtschaftslehrbücher schreiben kann.

Überraschend: Der neoklassische Mainstream durchzieht sogar die Lehrbücher von Ökonomen, die als „links“ oder als Keynesianer gelten. Dieses Phänomen lässt sich auch beim Nobelpreisträger Paul Krugman beobachten, der ein viel genutztes Lehrbuch über internationale Ökonomie verfasst hat.

Zum Thema Freihandel ist dort zu lesen, dass es eine „unbezweifelbare Wahrheit“ sei, dass die Theorie von David Ricardo zutreffe. Sie stammt aus dem Jahre 1817 und behauptet, dass der Freihandel immer eine Win-win-Situation sei. Auf dieser Basis will Krugman dann „verbreitete Denkfehler im Feld des internationalen Handels widerlegen“.

Was Krugman zu erwähnen vergisst: Ricardos Win-win-Analyse gilt nur, wenn in allen beteiligten Ländern Vollbeschäftigung herrscht. Zudem ging Ricardo davon aus, dass die Industrie nicht abwandern kann. Ihm wäre niemals in den Sinn gekommen, dass eine deutsche Autofabrik ein Werk in China aufmacht, weil dort die Löhne niedriger sind. Ricardos enge Sicht ist verständlich, denn im frühen 19. Jahrhundert war der „Standortwettbewerb“ unbekannt. Aber es bleibt erstaunlich, dass Krugman unterschlägt, wie Globalisierung heute funktioniert. Die Lehrbuch-Rezensionen sind also ein Muss für alle VWL-Studierenden.

Die Alternative

Jedes Semester stehen VWL-Studierende wieder vor dem gleichen Problem: Sie würden gern auch andere Theorien kennenlernen, nicht nur den neoklassischen Mainstream. Aber wo? „Ich rate oft, nach Wien zu gehen“, sagt Christoph Gran, der in Oldenburg promoviert hat und 2003 zu den Gründungsmitgliedern des Netzwerks Plurale Ökonomik gehörte. Auch ein Auslandsstudium in England empfiehlt er. „Dort erleben die deutschen Studierenden dann zum ersten Mal, dass Ökonomie auch Spaß machen kann.“

In Deutschland hingegen ist es eher schwierig, auf alternative Angebote zu stoßen. Etwa 76 Prozent aller Dozenten sind der neoklassischen Theorie zuzurechnen, wie eine neue Studie des Forschungsinstituts für gesellschaftliche Weiterentwicklung (FGW) zeigt. 17 Prozent der Ökonomen sehen Teile des Mainstreams zwar kritisch, sind ihm aber letztlich doch verhaftet. Nur ganze 3 bis 4 Prozent des Lehrpersonals vertreten radikal andere Ansätze. Dazu gehören die „Post-Keynesianer“, die die Geld- und Finanzmärkte ins Zentrum ihrer Analyse rücken.

Wirtschaft neu denken

Till van Treeck/Janina Urban (Hg.): „Wirtschaft neu denken. Blinde Flecken der Lehrbuchökonomie“. iRights media 2016

Bisher mussten Studierenden also einzelne Lehrkräfte an einzelnen Universitäten aufsuchen, wenn sie andere Theorien als den Mainstream kennenlernen wollten. Doch neuerdings gibt es eine bequeme Alternative: Zwei Universitäten bieten jetzt Studiengänge an, die breit in die verschiedenen Theorien einführen und moderne Forschungsthemen aufgreifen.

Im Mai 2015 nahm die Cusanus-Hochschule in Bernkastel-Kues an der Mosel ihren Betrieb auf. Dort kann man Ökonomie und auch Philosophie als Bachelor und Master studieren. Gran überzeugt das Konzept: „Der Fokus liegt auf Reflexion, auf Ideengeschichte und auf Methoden. Das müsste eigentlich das Handwerk von allen VWL-Studenten sein.“

Zu den Cusanus-Lehrkräften gehört Walter Ötsch, der bis zu seiner Pensionierung an der Universität Linz tätig war. Er ist von seinen neuen Zuhörern beeindruckt: „Die Studierenden sind sehr engagiert und fordern ihre Professoren.“ Gleichzeitig genießt Ötsch, endlich mit Gleichgesinnten zusammenzuarbeiten: „Es ist wichtig, eine eigene Organisation zu gründen, statt die Energie damit zu verschwenden, gegen die Institution anzukämpfen, in der man angestellt ist. Das ist das Los der meisten kritischen Ökonomen.“

Die Cusanus-Hochschule wird von einer gemeinnützigen Stiftung getragen und verlangt Studiengebühren von 300 Euro im Monat. Allerdings gibt es auch Stipendien.

Als erste staatliche Universität bietet jetzt Siegen einen Master „Plurale Ökonomik“ an. Organisiert wird dieses Lehrangebot von den Professoren Nils Goldschmidt und Helge Peukert, die auf den ersten Blick überhaupt nicht zusammenpassen. Goldschmidt ist Ordoliberaler, setzt also auf eine Marktwirtschaft. Peukert hingegen interessiert sich eher für Alternativen zum heutigen Geldsystem. Gran ist dennoch überzeugt: „Die beiden ergänzen sich sehr gut. Vor allem sind sie fähig, andere Theorien zu akzeptieren.““

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25 Kommentare

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  • Ich muss gestehen, dass ich im Studium nur Popel-VWL hatte, aber was das angeht:

    "Debatten werden verschwiegen und fragwürdige mathematische Modelle als allgemeine Wahrheiten verkauft. Die reale Welt kommt nur gelegentlich vor, stattdessen wird suggeriert, die Ökonomie sei eine Naturwissenschaft wie die Physik."

    Nein, nicht wirklich. Ich weiß jetzt natürlich nicht, was in den fortgeschritteneren Vorlesungen gelehrt wird, aber wenn schon bei meinen Blödmanns-Vorlesungen auf die Unzulänglichkeit der Modelle und Annahmen hingewiesen wird, kann ich mir kaum vorstellen, dass diese Modelle in späteren Vorlesungen als Wahrheit verkauft werden.

     

    Wie es dann in Studien nach außen hin ausschaut, dass ist etwas anderes. Wer wahrheitsgemäß (und das gilt auch für die alternativen Denkrichtungen) jeden Satz mit "Ich weiß es nicht, aber ich glaube mal einfach..." beginnt, der sitzt nunmal ziemlich schnell auf der Straße.

  • Robinson der Jüngere. Ein Lesebuch für Kinder Bd. 1 Hamburg 1779, Bd. 2 Hamburg 1780. Das fiel mir ein, als ich das erste Mal vom ’trickle-down Effekt’ hörte. Dort erzählt der Vater den Kindern, dass der Reichtum der Reichen andere in Lohn und Brot setzt. Mein Bruder wies mich dann darauf hin, dass Campe auch ein Zeitgenosse von Adam Smith war, Begründer der klassischen Nationalökonomie. Der Hokuspokus fängt an mit dem Gründungsmythos des Geldes, dass den Jungs in BWL und VWL immer erzählt wird, und bei dem jeder Ethnologie sich lachend auf die Schenkel klopft. Und die Grundlage jedes Betriebes ist die doppelte Buchführung, schon 1340 nachgewiesen, für Genua, für Lübeck, die maritimen Ports. 1494 vom venezianischen Mönch Luca Pacioli dargestellt. Sein Werk „Summa de Arithmetica, Geometria, Proportioni et Proportionalita“ war noch kein Lehrbuch über die doppelte Buchführung, aber es fasste unter dem Begriff ‚Venezianische Methode’ Prinzipien zusammen, die im Wesentlichen unverändert gültig geblieben sind. Die ‚Arsenale’ waren der erste militärisch-industrielle Komplex, da fängt es an zu stinken. Also immer Hochfinanz und Oligopole, daneben Kleinkredite und Marktökonomie mit einem Preiswettbewerb, der seinen Namen verdient. 1000 Jahre nicht-lineare Geschichte, in der Oligopole und das Militär gnadenlos unterbelichtet, als Unfälle dargestellt werden. Das kann man natürlich nicht chic in eine Theorie hinein amalgamieren. Mathematik und Physik, die ein Raum/Zeit-Kontinuum interpretieren, jenseits der Limitationen einer sinnlichen Erfahrung, können auch hier sich zu einer Metaphysik aufschwingen, die alles rechtfertigt. Dabei aber die Erfahrung von Leibern, beseelten Körpern, zurücklassen muss. Wir waren nie modern.

  • Nun, die Neoliberalen haben ihre Schlüsse aus dem Schicksal ihrer klassischen Vorgänger gezogen, deren Ideologie nach dem Desaster, das eben diese 1929/30 angerichtet hatte, auf dem Müllhaufen der Geschichte gelandet war.

    Und die Schlüsse waren:

    - Wenn die Dominanz an Hochschulen groß genug ist, erfahren die Studenten gar keine alternativen Konzepte

    - Wenn man die Gesetze so ändert, dass nur noch die eigene Ideologie als Wirtschaftspolitik möglich ist, gibt es keine Akternativen.

     

    Ersteres beschreibt de Artikel, letzteres nennt man heute üblicherweise "Schuldenbremse".

  • Die "neoklassische" Ökonomie - eine Antiwissenschaft , die sich für eine Naturwissenschaft wie die Physik hält . Die hohe Meinung von sich wird sie wahrscheinlich auch dann nicht aufgeben , wenn beim absehbaren Big Crash des stetig weiter anwachsenden Billionenberges von "Luftgeld" das Medium Geld selbst - Ausgangs- und Endpunkt der Kapitalverwertung ("Aus Geld m e h r Geld machen") - ausröcheln sollte .

    • 2G
      2097 (Profil gelöscht)
      @APOKALYPTIKER:

      Na ja, die heutigen Rosinenpicker Wirtschaftsliberalen (bspw. die INSM) bzw. Rosinenpicker Neoliberalen und Rosinenpicker Neoklassiker sind ja für eine Umverteilung von unten nach oben bzw. dafür, Gewinne zu privatisieren und Verluste zu sozialisieren. Ich habe bisher keinen Neoliberalen getroffen in Deutschland, der dafür war, die Banken angemessen an den verursachten Schäden der Finanzkrise 2008 zu beteiligen. Kennen Sie einen heutigen namhaften Neoliberalen bzw. Neoklassiker? Auch ist mir kein Ordoliberaler heute mehr bekannt, der wie Walter Eucken eine angemessene Erbschaftssteuer von 80% fordert. Heute picken sich doch alle nur noch die Rosinen aus den ganzen Modellen heraus und wenn es schief läuft, soll der Steuerzahler blechen und es findet damit eine weitere Umverteilung von unten nach oben statt. Sozusagen Teilsozialismus, Verluste werden sozialisiert aber die Gewinne weiterhin privatisiert. Nehmt von den Armen und sichert die Vermögen der Reichen. Das wird so auf Dauer nicht funktionieren.

      • 2G
        2097 (Profil gelöscht)
        @2097 (Profil gelöscht):

        Sorry, da habe ich mich verklickt, sollte an ICH2 eine Ebene tiefer gerichtet werden.

    • 7G
      73176 (Profil gelöscht)
      @APOKALYPTIKER:

      Überlegen Sie mal: Klingt mehr Staatsschulden, mehr QE, etc. nach Neoklassik? Die meisten Zentralbanker und Politikberater stützen sich mehr auf keynesianische Wirtschaftstheorien, als auf die neoklassische ... . Das kommende Debakel geht also auf das Konto von denen, die nach mehr Staatsschulden und mehr QE rufen - und das sind eben nicht die Neoklassiker. (Kleine Empfehlung: Lesen Sie regelmäßig Berichte der Bank for International Settlements)

      • 2G
        25726 (Profil gelöscht)
        @73176 (Profil gelöscht):

        Kleine Empfehlung: Lesen Sie regelmäßig Literatur und Berichte von Instituten, die Ihre Weltsicht in Frage stellen. Das erhöht das Denkvermögen.

         

        Ich vergaß es fast: Ihnen ist ja diese faszinierende Mischung aus nicht Wollen und nicht Können zu eigen - wobei das eine mit dem anderen in marktkonformen Wettbewerb steht.

         

        Den Hinweis auf Ihre akademische Ausbildung habe ich in Ihrem Beitrag schmerzlich vermisst. Darf ich darauf noch hoffen?

        • 7G
          73176 (Profil gelöscht)
          @25726 (Profil gelöscht):

          Es scheint, als hätte ich bei Ihnen einen Nerv getroffen. Also wenn man über Wirtschaft diskutieren möchte, sollte man doch eine Ausbildung in dem Bereich haben.

          Argument auf Basis von Bauchgefühl, Emotionen und Moral sind mir zu wenig. Was qualifiziert Sie denn, über das Thema Wirtschaft zu diskutieren?

      • @73176 (Profil gelöscht):

        Das Problem: die Weltwirtschaft agiert nicht in einem Reagenzglas. Die einzelnen Wirtschaftszonen folgen unterschiedlichen Fiskalpolitiken und ihren ganz eigenen Verhaltensregeln. Die eine oder andere Wirtschaftstheorie alleine reicht nicht aus, die Weltwirtschaft zu erklären. Das fungiert nur interdisziplinär mit der Sozialwissenschaft und Psychologie.

         

        Das fatalste, was man machen kann, ist "das kommende Debakel" den einen oder anderen zuschieben zu wollen. Wird zu nichts führen.

         

        BTW: hat die BIS den Subprime Markt Crash in den USA kommen sehen?

        • 7G
          73176 (Profil gelöscht)
          @Sapasapa:

          Woran machen Sie Ihre Aussagen fest?

          Und ja, die BiS hat bisher sämtliche Krisen vorausgesagt!

  • Was der Artikel schuldigt bleibt, ist die Antwort auf die Frage: findet eine Indoktrination der Studenten statt?

     

    Oder anders gefragt: haben die Studenten heute noch die Ressourcen, sich kritisch mit der Lehre auseinander zu setzen? Das ist nämlich genauso ihr Auftrag - dank Bologna, Konsumgesellschaft, knappen öffentlichen Kassen (wieso eigentlich?), und einer generellen Bückungs- und Duckungsmentalität der jungen Generation findet das anscheinend auch nicht mehr so statt. Die Eitelkeiten der Lehrenden tragen ihr Übriges dazu bei.

     

    "neoklassischer Mainstream" ist ein schöner Antagonist. Allerdings lernt man meiner eigenen Erfahrung nach auch dort, dass es "Effizienz" auf der einen und "Verteilung" auf der anderen Seite gibt.

     

    Trotz des ausgeprägten neoklassischen Mainstreams wird der gemeine Student ebenso vom Marktversagen erfahren, und dass der Homo Oeconomicus ein schönes Model ist, und wie jedes Model Annahmen und Grenzen hat.

     

    Den schwarzen Peter dem bösen "neoklassischen Mainstream" zuzuschieben geht meiner Meinung nach am Ziel vorbei.

    • 2G
      25726 (Profil gelöscht)
      @Sapasapa:

      "Trotz des ausgeprägten neoklassischen Mainstreams wird der gemeine Student ebenso vom Marktversagen erfahren, und dass der Homo Oeconomicus ein schönes Model ist, und wie jedes Model Annahmen und Grenzen hat."

       

      Richtig. Er wird davon erfahren. Und nichts mit dieser Erfahrung anzufangen wissen. Das hat man ihm an der Uni auch nicht beigebracht.

      • @25726 (Profil gelöscht):

        Richtig. So wie auch die meisten Studenten mit dem Wissen von der Uni nachher im Job eigentlich nichts mehr tun können. Akademisch halt.

    • @Sapasapa:

      Philosophie bzw. genauer gesagt Wissenschaftstheorie stellt die Werkzeuge zur Verfügung, mit denen sich gelehrte "Wahrheiten" auf Ihren Wahrheitsgehalt hin überprüfen lassen.

      Müsste eigentlich standardmäßig zum Curriculum eines jeden ernstzunehmenden Studiums dazu gehören...

    • @Sapasapa:

      Danke - da weiß frauman doch mal wieder was ne Kreislauffunktion -

      vulgo - sichindenSchwanzbeißende

      Schlange ist!;)

      • @Lowandorder:

        Es ist wohl eher ein Henne-Ei-Problem, das Sie da ansprechen. Oder Schlangen-Ei, wenn Ihnen das zugänglicher ist.

        • @Sapasapa:

          ;))

           

          Wie Sie Ihr Kreislaufmodell nennen -

          Ist mir schlicht wumpe!;) &

          "Dem Reinen ist halt alles rein."

          • @Lowandorder:

            Egal wie man es nennt: Hauptsache, wir drehen uns weiter im Kreis, und der Kreis bewegt sich nicht auf der Stelle.

  • Das Problem liegt weniger an amerikanischen Lehrbüchern (Samuelson ist einer der wichtigsten Vertreter des neo-Keynsianismus und war bestimmt kein neo-Klassiker, im Gegensatz zu Mankiw), sondern viel mehr an dem ordoliberalen Mainstream in der deutschen VWL, deren Denkschule wenn nicht in den 50er, zumindest in den 90er Jahren verhaftet ist.

  • Danke - feines Teil.

     

    Erschrechend & als Spiegel

    Der Außenwelt der Innenwelt -

    Erwartbar. Das ja.

    Verschärft aber auch a 'schland -

    Sicher durch die Bertelmannsche

    Denk&Leerwüste via Bologna et al..

     

    Als mich wg GraföG - 5 Sem. post

    Vordiplom bei einem der Weisen

    (hatte davon keine Ahnung;) rumtrieb

    Waren seine Vorlesungen breit angelegt & spannend.

    Auch wenn klar war - was er favorisierte. Kritische Einwände waren ihm ersichtlich lieb & immer Anlaß Hintergründe & Zusammenhänge auszuleuchten. Feine lehrreiche Zeit.

    Ok - Examensdruck hatte ich nicht &

    Noch 'n Diss¿ - Nej tak!;)

  • Danke für diesen hervorragenden Artikel, @Ulrike Herrmann. Ich fürchte, das Problem wird sich nicht ohne weiteres lösen lassen: Wer Wirtschaftswissen studiert, hat normalerweise auch eine zumindest ausreichend bezahlte Karriere im Hinterkopf, und dafür stehen die Chancen bei einer Orientierung abseits des Mainstreams (oder gar konträr dazu) eher schlecht. Wir dürfen uns deshalb nicht wundern, wenn die Positionen etwa in relevanten Ministerien oder in der EUkratie ganz offensichtlich neoliberal durchseucht sind (wie sich etwa bei den Themen TTIP/CETA oder Griechenland-Hilfe deutlich gezeigt hat).

     

    Leider sehe ich keine Chance, daran etwas zu ändern, denn die Kapitaleigner, die - schon gar nicht mehr nur unauffällig im Hintergrund - tatsächlich die Welt beherrschen, werden immer mächtiger (Stichwort: "Systemrelevanz"). So werden wir uns wohl mit der "Pferdeäpfel-Wirtschaftstheorie" (neudeutsch: "Triggle-Down") abfinden müssen: Gibt man den starken Rössern genug Hafer, fällt "hinten" für die Spatzen immer noch was ab.

    • @Bitbändiger:

      Es heisst wohl 'trickle down'

      • @Muff Potter:

        Richtig.

  • Danke Ulrike Herrmann für den informativen Artikel! Es ist unfassbar wie eine Ideologie und ihre Adlaten einen ganzen Lehr-, Forschungs- und Wissenschaftszweig okkupieren können, weltweit.

    Ein interessantes und spannendes Buch zur Ideengeschichte und wie es alternativ weitergehen könnte ist auch "Postkapitalismus" des Engländers Paul Mason. Deutsche Ausgabe gibt es mittlerweilen auch.