Ende des Bürgerkriegs in Kolumbien: Frieden, zweiter Anlauf
Der Frieden mit der Farc in Kolumbien scheiterte an einer Volksabstimmung. Nun gibt es einen neuen Vertrag. Ist der Krieg vorbei?
Warum wurde jetzt ein neues Friedensabkommen unterzeichnet?
In den vergangenen Jahrzehnten hat die kolumbianische Regierung immer wieder erfolglos Anläufe unternommen, Frieden mit der Farc-Guerilla zu schließen und damit den längsten bewaffneten Konflikt in Südamerika zu beenden. Es war also ein großer Durchbruch, als in diesem Jahr ein Waffenstillstand verkündet wurde und dann Ende August nach vier Jahren Verhandlung ein Friedensabkommen auf dem Tisch lag, das auch eine Landreform vorsieht und die Bekämpfung des Drogenanbaus. Die Unterzeichnung des Abkommens inszenierten sie in Cartagena als großes Friedensfest.
Obwohl es formal nicht nötig gewesen wäre, setzte Präsident Juan Manuel Santos eine Volksabstimmung an. Am 2. Oktober lagen die Gegner des Abkommens bei sehr geringer Wahlbeteiligung knapp vorn. Selbst das „Nein“-Lager um den Expräsidenten Álvaro Uribe hatte nicht damit gerechnet, dass sie mit ihrer Kampagnenmischung aus inhaltlicher Kritik und substanzloser Propaganda Erfolg haben würde.
Präsident Santos improvisierte einen Plan B: die Überarbeitung des Abkommen. Das hatte er vorher ausgeschlossen. Ihm kam zugute, dass Uribe und seine Leute auf die Strategie umgeschwenkt waren, das konkrete Abkommen abzulehnen und nicht den Friedensprozess an sich. Nach der Abstimmung traf sich Santos mit den Expräsidenten Uribe und Andrés Pastrana sowie Gruppen von anderen Kritikern. Seine Verhandler nahmen einen Katalog mit rund 500 Forderungen mit. Beide Seiten waren sich bewusst, dass sie schnell zu einem Ergebnis kommen müssen. Denn keiner kann wissen, wie lange sich alle Farc-Kämpfer an den Waffenstillstand halten. Am 13. November verkündeten Regierung und Farc, dass sie sich auf ein neues Abkommen geeinigt haben. An diesem Donnerstag haben es Santos und Farc-Chef Rodrigo Londoño Echeverri alias „Timoschenko“ in der Hauptstadt Bogotá unterzeichnet – in einer bescheidenen Zeremonie.
Hat Santos der Gewinn des Friedensnobelpreises geholfen?
Nicht unbedingt. Auf internationaler Ebene war die Bestätigung seines Kurses für ihn sicherlich eine Unterstützung. Innenpolitisch sieht es anders aus. Die rechte Opposition hatte ihm schon vor der Volksabstimmung vorgeworfen, nur nach dem Nobelpreis zu streben und damit seinen persönlichen Ruhm über die Interessen des Landes zu stellen. Sie können nun jederzeit das Argument anbringen, dass Santos nur um den Nobelpreis willen ein in ihren Augen besseres Abkommen verhindert hat.
Was wurde im Abkommen geändert?
„Der Staat versagt, deshalb müssen wir Bürger für diese Menschen sorgen“, sagt Cédric Herrou. Der Landwirt aus Frankreich wurde als Schleuser angeklagt, weil er Flüchtlinge aus Italien in seinem Lieferwagen mitnahm. Auch Andere aus seinem Dorf packen an. Die Geschichte einer kleinen Insel in einem der rechtesten Flecken des Landes lesen Sie in der taz.am wochenende vom 26./27. November 2016. Außerdem: Trump-Biograf David Cay Johnston über das verkorkste Seelenleben des nächsten US-Präsidenten. Und: Was die Intimfrisuren der Copacabana mit Adolf Hitler zu tun haben. Am Kiosk, eKiosk oder im praktischen Wochenendabo.
Das überarbeitete Abkommen ist etwas länger geworden, es hat 310 Seiten, 13 mehr. Bei fast allen Punkten wurden Änderungen im Sinne der Nein-Sager vorgenommen: Es soll etwa das Vermögen der Farc für Entschädigungszahlungen herangezogen werden. Auch bei den Vereinbarungen zur Übergangsjustiz gibt es Änderungen. Beteiligung am Drogenhandel wird nicht mehr automatisch als politisches Delikt eingestuft. Aber die am stärksten kritisierten Punkte wurden nicht angetastet. Für schwere Verbrechen müssen sich sowohl Farc-Rebellen als auch Angehörige der Sicherheitskräfte vor Sondergerichten verantworten. Hier gilt weiterhin: Wer seine Taten zugibt und bereut, kommt mit maximal acht Jahren Strafe davon. Haft ist in diesem Fall nicht vorgesehen, stattdessen soll mit Diensten an der Gemeinschaft Wiedergutmachung geleistet werden. Wie genau das aussehen soll, wurde jetzt präzisiert.
Wie wird das Friedensabkommen umgesetzt?
Eine erneute Volksabstimmung wird es nicht geben, das Abkommen soll vom Kongress verabschiedet werden. Am Dienstag wird der Senat darüber abstimmen und einen Tag später das Repräsentantenhaus. In beiden Parlamentskammern gibt es eine große Mehrheit dafür. Dann beginnt ein detaillierter Zeitplan, der in Havanna ausgehandelt wurde. Allerdings herrscht Uneinigkeit darüber, welcher Tag eigentlich der Startpunkt ist. „Der Tag der Verabschiedung im Kongress ist der D-Day“, sagte Santos am Donnerstag. Die Farc betont, dass zunächst das Amnestiegesetz in Kraft treten müsse.
Nach offiziellen Angaben hat die Farc genau 5.765 Kämpfer, die innerhalb von 180 Tagen demobilisiert werden. Die Guerilleros müssen sich fünf Tage nach dem D-Day in 27 im Land verteilten Zonen sammeln. Nur in den dortigen Camps dürfen sie Uniform und Waffe tragen. Sie erwartet eine Einmalzahlung von 2 Millionen Peso (rund 600 Euro) und gegebenenfalls zwei Jahre eine niedrige monatliche Sozialhilfe.
Nach eigenen Angaben hat die Farc 14.000 Gewehre und Pistolen und 6.000 andere Waffen, diese müssen nun alle abgegeben werden. Dieser Prozess wird von einer UN-Mission mit bis zu 450 Beobachter überwacht. Spätestens nach 150 Tagen müssen alle Waffen an die UN übergeben werden. Aus ihnen sollen drei Friedensdenkmäler errichtet werden, eines bei den Vereinten Nationen, eines in Kuba und das dritte in Kolumbien.
Sobald die Guerilleros entwaffnet sind, darf sich die Farc als politische Partei registrieren lassen. Sie hat in den Wahlperioden von 2018 bis 2026 unabhängig vom Wahlergebnis je fünf Abgeordnete im Senat und Repräsentantenhaus sicher. Die politische Beteiligung, die der Farc sehr wichtig ist, ist der Opposition ein Dorn im Auge.
Was machen nun die Gegner des Abkommens?
Vergangenen Montag gab es ein letztes Treffen zwischen der Regierung und den Gegnern des Abkommen. Nachdem die Regierung weitere Nachbesserungen ablehnte, erklärte Uribe den Dialog für beendet. Es werde nicht der Willen des Volkes umgesetzt, sagte er, denn der jetzt unterzeichnete Vertrag gewähre weiterhin Straflosigkeit. Ob die Gegner des Abkommens neben den verbalen Protesten auch die Straße mobilisieren wollen, blieb zunächst offen.
Gibt es jetzt wirklich Frieden in Kolumbien?
Der Kampf der marxistisch-leninistischen Farc-Guerilla gegen Armee und rechte Paramilitärs forderte viele Opfer. Mindestens 340.000 Menschen starben seit 1964, die meisten Zivilisten. 6 Millionen der rund 48 Millionen Einwohner Kolumbiens sind Binnenvertriebene. Jetzt schon hat der Friedensprozess eine positive Wirkung, die vergangenen anderthalb Jahre waren in Kolumbien die friedlichsten seit Jahrzehnten. Das heißt nicht, dass jetzt alles gut wird. Eine Herausforderung bleibt auch die kleinere Guerilla ELN. Friedensgespräche mit ihr sind im Oktober vorerst geplatzt. Außerdem gibt es die Befürchtung, dass nun verstärkt paramilitärische Gruppen aktiv werden. „Es ist ein neuer Völkermord an Vertretern sozialer Bewegungen und von Bauernverbänden im Gange“, schrieb die Farc in einem am Montag veröffentlichten offenen Brief an Santos. Allein in den vergangenen Tagen wurden drei Anführer ermordet. Zuletzt in der Nacht auf Donnerstag, als in der Provinz Cauca ein Aktivist von einem mutmaßlichen Killerkommando getötet wurde. Bei manchen weckt das böse Erinnerungen an die achtziger Jahre, als reihenweise Mitglieder der linken Partei Unión Patriótica ermordet wurden. Im Friedensabkommen wurden deshalb Sicherheitsgarantien für entwaffnete Guerilleros aufgenommen.
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