: Wahlzettel aus der Hölle
US-Wahl Weiße Frauen stimmten mehrheitlich für Trump. Das zeigt auf brutale Art, wie groß Amerikas Problem mit Rassismus und Sexismus ist
von Johanna Roth
Dieser Wahlkampf drehte sich, zum ersten Mal in der Geschichte der USA, um das Geschlecht der Kandidaten. Genauer: um das Geschlecht der Kandidatin. (Das des Kandidaten tauchte höchstens als Schenkelklopfer auf, was auch wieder bezeichnend ist.) Es war deshalb auch die Wahl der Frauen. Im Netz sah man über Hundertjährige, die gerade für eine Frau gestimmt hatten und zu Tränen gerührt waren von diesem Moment, auf den sie ihr Leben lang gewartet hatten. Man muss ihren Enthusiasmus nicht teilen, damit es einem jetzt das Herz zerreißt.
Für diese Frauen mag allein Clintons Geschlecht gereicht haben, um sie zu wählen. Nur waren sie leider nicht genug. Hillary Clinton bekam laut ersten Umfragen nur 54 Prozent aller Wählerinnenstimmen. Schlimmer: Donald Trump holte bei den Frauen 42 Prozent. Eine unglaubliche Zahl angesichts der Wahl zwischen einer politisch erfahrenen Geschlechtsgenossin einerseits und einem vor Frauenverachtung schier platzenden Sexisten andererseits. Denn wie kritisch man Hillary Clinton auch sehen mag: Ihr Verhältnis zu Trump in Sachen ‚kleineres Übel‘ beträgt etwa 1:10.478. Vor allem für Frauen.
Jetzt sehen wir Bilder weinender Mädchen, die nicht fassen können, dass statt eines potenziellen Vorbilds ein Mann Präsident wird, der sie als minderwertige Wesen betrachtet. Der unter „Du kannst alles schaffen, wenn du nur willst“ den Griff zwischen möglichst viele Frauenbeine versteht.
Mit der Wahl eines Mannes, der mit sexuellen Übergriffen prahlte, ließen jene 42 Prozent Geschlechtsgenossinnen im Stich, für die Sexismus Alltag ist und kein „na wenn schon“. Trumps Narration, Amerika müsse Establishment-Hillary verhindern, wog am Ende schwerer. Zumal Clinton für seine Anhängerschaft ohnehin keine „richtige“ Frau ist – sondern eine nasty woman, eine Antifrau, moralisch verkommen (weil sie sowohl Abtreibungen verteidigte als auch ihren untreuen Ehemann) und politisch korrumpiert. Den ersten Schritt zur Zerstörung einer solidarischen Gesellschaft hat Trump damit schon geschafft.
Bereits Clintons Kandidatur hatte Reflexe ausgelöst, die das liberale Amerika der Großstädte vergessen glaubte. Bei Amazon kann man für 4,98 Dollar Aufkleber für Pick-up-Heckscheiben kaufen mit Clintons Konterfei und dem Spruch „Life’s a bitch – don’t vote for one!“. Kundenbewertungen: top. „Was für eine wunderbar prägnante Botschaft!“, freut sich eine Kundin aus Phoenix, Arizona.
Es geht aber nicht nur um Sexismus. Auch der rassistische Backlash, den die USA jetzt erleben, manifestiert sich in der größten Wählergruppe: 53 Prozent der weißen Frauen stimmten für Trump. Mehr als die Hälfte. Unter den schwarzen Frauen waren es nur 4 Prozent.
Weiße Frauen, die ihre Privilegiertheit über alles andere stellen; die lieber einen Fremden- und Frauenfeind wählen, als sich als Teil einer Koalition zu sehen für eine Geschlechtsgenossin, die sich explizit für People of Color und Minderheiten einsetzt – das zeugt von der beunruhigenden Rückkehr einer White-supremacy-Ideologie, die Obamas Amtszeit überlebt hat und die Trump wieder aus ihren Löchern gelockt hat. Und die in den nächsten Jahren die Spaltung der Zivilgesellschaft nach race und gender ungehemmt fortschreiben kann.
Erschütterndes aus den ersten 24 Stunden nach der Wahl ist im Netz zu finden: Gläubige Musliminnen, die aus Angst vor Übergriffen zum ersten Mal im Leben ohne Kopftuch aus dem Haus gehen; eine schwarze Frau, die berichtet, wie ihr eine Gruppe weißer Männer entgegenspuckt: „Gut, dass wir uns mit N****n wie dir bald nicht mehr rumschlagen müssen.“
Madeleine Albright, ehemalige US-Außenministerin, warb um Clinton-Wählerinnen einst mit folgenden Worten: „Es gibt einen speziellen Platz in der Hölle für Frauen, die einander nicht helfen.“ Wie traurig, dass im Höllenfeuer des Trump-Triumphs jetzt die Falschen brennen müssen.
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