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Stadt macht Ernst gegen LeerstandHamburg enteignet Hausbesitzer

Die Stadt entzieht einem Immobilienbesitzer die Verfügung über leere Wohnungen. Das Bezirksamt renoviert auf seine Kosten und sucht Mieter.

Ein Forderung, die sich offenbar inzwischen auch die Stadt zu eigen macht Foto: dpa

Hamburg taz | Zum ersten Mal wird in Hamburg einem Immobilienbesitzer die Verfügungsgewalt über sein Eigentum zeitweilig entzogen, weil er leer stehende Wohnungen seit Jahren nicht vermietet. „Das können wir uns angesichts des angespannten Wohnungsmarktes nicht länger bieten lassen“, sagt der Bezirksamtschef von Hamburg-Mitte, Falco Droßmann (SPD), der die „Zwangsenteignung“ auf Zeit anordnete.

Damit werden zum ersten Mal die 2013 in das Hamburger Wohnraumschutzgesetz aufgenommenen Paragrafen 12a und 12b angewendet, die eine Zwangsenteignung auf Zeit erlauben.

Bereits seit 2012 versuchte das Bezirksamt Mitte den Vermieter dazu zu bewegen, sechs leer stehende Wohnungen in seinem Haus in der Ohlendorffstraße im Hamburger Stadtteil Hamm wieder zu vermieten. Vergebens. Wohnnutzungsgebote und Zwangsgeldandrohungen blieben unbeantwortet, verhängte Strafzahlungen von insgesamt 18.000 Euro hatte der Immobilienbesitzer ignoriert.

„Der richtige Weg“

„Wir hatten keine andere Möglichkeit, als dem Vermieter das Eigentum an seinem Besitz zu entziehen“, sagt Droßmann. „Ich bin überzeugt, dass das der richtige Weg ist.“

Leerstand in Hamburg

Die Linke wollte vom Hamburger Senat wissen, wie um es den Leerstand bestellt ist. Der Senat antwortete im Januar 2016 dies:

Wie viele Immobilien in Hamburg leer stehen, ist schwer zu sagen, da der Senat darüber keine Erhebungen durchführt.

5.000 Wohnungen standen laut dem Leerstandsindex des Forschungsinstituts Empirica Ende 2014 leer.

1.021 Wohnungen im Besitz des städtischen Wohnungsbauunternehmens Saga stehen leer.

13.837 Quadratmeter Büro- und Gewerbeflächen, die der Saga gehören, stehen leer.

Auf 760.000 Quadratmeter schätzt das Immobilienunternehmen Engels & Völkers den gesamten Büroflächenleerstand.

Weil die erstmalige Anwendung des Hamburger Schutzparagrafen ein Politikum ist, informierte Droßmann am Dienstag Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) von seinem Vorhaben. Der ließ ihn gewähren. Anschließend leitete Droßmann die Maßnahme ein und ordnete ihren „sofortigen Vollzug“ an.

Der Vermieter hat nun die Möglichkeit, gegen seine zeitweise Enteignung vor das Verwaltungsgericht zu ziehen. Ein Verfahren, das auch den Behörden Rechtssicherheit brächte. Da die eingefügten Paragrafen noch nie angewandt wurden, gibt es auch keine Urteile darüber, ob die Zusätze verfassungsgemäß sind. Das ließ auch das Bezirksamt prüfen und hatte keine Bedenken.

Laut Gesetz setzt das Bezirksamt einen Treuhänder „zur Wiederherstellung des Wohnraums für Wohnzwecke“ ein. Dieser kann notwendige Renovierungen auf Kosten des Vermieters beauftragen und die leer stehenden Wohnungen vermieten. Erst danach hält der Eigentümer die Verfügungsgewalt über seinen Besitz zurück und ist dann an die von ihm nicht selbst abgeschlossenen Mietverträge gebunden.

Siegmund Chychla, Chef des Mietervereins zu Hamburg, begrüßt den Schritt des Bezirksamts Mitte und betont: „Alle anderen Bezirke sollten sich daran ein Beispiel nehmen.“ Die Frage sei nur, warum diese gesetzlichen Möglichkeiten „erst jetzt erstmals konsequent angewendet“ werden. Cychla verspricht sich durch die Maßnahme eine „generalpräventive Wirkung bei anderen Vermietern, die ihr Eingentum leer stehen lassen“.

Das Vorgehen könnte Schule machen

Selbst beim Hamburger Grundeigentümerverband hat man Verständnis für die amtliche Maßnahme. „Der Bezirk wird für diesen Schritt Gründe gehabt haben“, sagt Verbandschef Heinrich Stüven. „Auch Vermieter müssen sich an Gesetze halten.“ Der Verband habe derzeit nicht vor, gegen die erstmalige Anwendung der Beschlagnahme-Paragrafen juristisch vorzugehen.

„Eigentum verpflichtet“, betonen Stüven und Droßmann am Donnerstag unisono. Und weil dem so sei, „ist der von uns jetzt eingeschlagene Weg einer, den ich gerne öfter beschreiten würde“, sagt Droßmann.

Seine sechs KollegInnen der anderen Hamburger Bezirke informierte Droßmann bereits am Mittwoch und erntete erhöhte Aufmerksamkeit. Wird die Maßnahme nicht vor Gericht gekippt, sie dürfte in Hamburg Schule machen.

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8 Kommentare

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  • 3G
    32795 (Profil gelöscht)

    Ich bin mal gespannt wer am Ende aus dem Wohl so angestossenen Netvenkrieg Vermieter vs. Mieter hervorgeht. Ottonormalmieter wollen einfach nur Wohnen, keine belagerungsartigen Kleinkriege auskämpfen.

     

    Wieso enteignet man nicht ganz und verkauft die Immobilien dann an verantwortungsvolle Träger?

  • Ist das die Angst der SPD vor einer Trump-Reaktion der WählerInnen falls nicht bald etwas für bezahlbaren Wohnraum unternommen wird? Dann müssten wir dem Horror-Clown uin den USA ja fast noch dankbar sein.

     

    Aber erst nachdem in allen Bezirken sämtlicher lange leerstehender Wohn- bzw. Gewerberaum zwangsvermietet wurde, versteht sich. Und nachdem Hamburg im Bundesrat auf der Beendung des Ehegattensplittings und Abschaffung der Pendlerpauschale bestanden hat. Und auf Wiedereinführung der Vermögenssteuer. Und auf eine Vereinfachung und Erhöhung der Erbschaftssteuer.

     

    Denn Erb-Dynastien braucht kein Mensch.

    Außer er heisst Donald.

    Oder Sigmar.

    Oder Olaf.

    • @Dr. Wattsun:

      Welcher hamburgischer Donald Trump soll denn 2020 einen Sieg erreichen? Die AfD in Hamburg hat doch gar kein Wohnungsbaukonzept, während es mit den Neubauten nun funktioniert. In Berlin kam die AfD auf die tolle Idee, jeder solle einfach Eigentumswohnungen kaufen. Für Geringverdiener, die gar keinen Kredit in der Höhe kriegen, ein tolles Modell. Die CDU hat fast zehn Jahre lang bewiesen, dass sie von Wohnungsbau so viel versteht wie von ausgeglichenen Haushalten, Bildungspolitik, Straßensanierungen und Konzerthausbau.

      • @Verkehrsfritze:

        Und?! Trump hat auch kein Konzept.Für gar nichts. Die Leute die Trump gewählt haben haben ihn großteils nicht wegen des Programms gewählt sondern weil sie die Nase voll hatten von der herrschenden Klasse. Das ist zwar kein logischer Schritt aber es geht ja auch um die Motivation dahinter und nicht darum ob etwas vernünftig ist.

        Die AfD wird kein Problem dadurch bekommen kein Konzept zu haben

        Wenn es keine linke Alternative gibt dann wählen die Verzweifelten in der Gesellschaft eben rechts

        • @Oskar:

          Die Linke war führungspolitisch noch nie so gut aufgestellt wie jetzt. Auch die Grünen haben gute Leute an der Spitze. Der Hass ist nur so groß, dass keine rationalen Argumente mehr zählen.

          • 3G
            32795 (Profil gelöscht)
            @KLP:

            Nein, die Linke ist in einem jämmerlichen Zustand. Die Dekomstruktivisten haben beim Bau ihrer neuen Welt gigantische Brachen hinterlassen. Die Rechten drängen gerade in die verwaisten Räume und gedeihen dort prächtig. Alles was den Linken dazu einfällt ist die Verteufelung des Gegners. Das Gerede vom "Hass" ist hier symptomatisch.

             

            Wenn eine dekonstruierte Gesellschaft auf wirtschaftliche Schwierigkeiten trifft bekommt sie Morbus Trump. Bei uns fehlen nur noch die wirtschaftlichen Schwierigkeiten...

             

            Man kann nicht nur kaputt machen was einen kaputt macht. Man muß danach auch wieder etwas schaffen das niemanden kaputt macht. Und da haben wir versagt. Und da versagt das versammelte linke Spitzenpersonal. Man will ja niemandem auf die Füße treten. Am Ende wird da wohl FJS recht behalten. Everybodys Darling ist everybodys Depp. Genau den Kurs hat die "führungspolitisch gut aufgestellte Linke" eingeschlagen und dann das Ruder blockiert.

            • @32795 (Profil gelöscht):

              Alles sehr theoretisch.....

      • @Verkehrsfritze:

        Wir können uns ja mal überaschen lassen. So wie die Menschen in Ungarn, Polen, Österreich, Frankreich, den Niederlanden, der Türkei, in England und in den USA sind auch hier viele sicher, dass "so etwas" hier nicht passiert. Willkommen im Club...

         

        Wir können aber auch vorbeugen und Ungleichheit zwischen Armen und Reichen laut anprangern, tatkräftig, sicht- und spürbar verringern. Das war auch ohne Demokratievernichter auf der Fussmatte schon eine gute Idee.

         

        Nochmal: Wenn Trump dazu beiträgt, fortschrittliche Kräfte in Deutschland wieder mit Solidarität und mit dem Mut (meinetwegen der Verzweiflung) auszustatten tatsächlich für die Menschen gemeinsam zu handeln, dann wäre das nicht das Schlechteste.

         

        Wenn wir unsere vielbeschworene Wertegemeinschaft und unsere Lebensgrundlagen (Stichworte Klima, Wasser, Nahrung) jetzt nicht verteidigen, dann werden wir bald nicht mehr viele sein: "Zuerst holten sie die Whistleblower ab, aber ich war ja kein Whistleblower, dann tauschten sie die Redakteure aus, aber ich war ja kein Redakteur, ..."