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Milchbäuerin über Preise„Zum Überleben reicht das nicht“

10 Cent mehr pro Liter Milch sind wenig, aber besser als nichts: Das sagt Johanna Böse-Hartje, Landesvorsitzende des Bundes Deutscher Milchviehhalter.

Ein Tropfen auf den heißen Stein? Hoffentlich nicht, verbrannte Milch stinkt immer so Foto: dpa
Interview von Hanna Gersmann

Frau Böse-Hartje: Rettet der 10-Cent-Preisaufschlag die Bauern?

Johanna Böse-Hartje: Dieses Jahr haben die Bauern von den Molkereien zeitweise so wenig für den Liter Milch bekommen wie nie zuvor – 20 Cent. Seit einem Monat sind es nun 23. Ab November sollen es dann 29 sein. Zum Überleben reicht das nicht. Die Bauern müssten mindestens 43 Cent bekommen. Trotzdem ist es eine Wende.

Die Wende geht zu Lasten der Verbraucher?

Die Preise für den Liter Vollmilch dümpeln derzeit bei 53 Cent herum. So billig ist nicht einmal Mineralwasser zu haben. Ein fairer Preis für den Liter wäre ein Euro. Für einen normalen Vier-Personenhaushalt machte das ein Plus von bis zu acht Euro im Monat aus. Viele Verbaucher sind bereit, diesen fairen Preis zu zahlen. Die zehn Cent plus tun schon gar niemandem weh.

Warum kommt jetzt überhaupt eine Preiserhöhung?

Viele Bauern haben ihre Kühe geschlachtet, den Hof dicht gemacht. Andere liefern nicht mehr so viel Milch. Denn die EU zahlt Bauern seit Mitte Dezember für jeden – im Vergleich zum Vorjahr – nicht gelieferten Liter Milch 14 Cent. Dazu kommt, dass viele ihren Tieren weniger Kraftfutter geben, weil sie das nicht mehr zahlen können. Die Euter sind dann nicht mehr so prall.

Im Interview: Johanna Böse-Hartje

63, ist Milchbäuerin in Niedersachsen und dort Landesvorsitzende des Bund Deutscher Milchviehhalter.

Wird Milch langfristig knapper und teurer sein?

Das glaube ich leider nicht. Die ersten Bauern schaffen sich schon wieder mehr Kühe an, liefern mehr Milch. Nur weil es so aussieht, dass der Preis steigt. Jeder will davon als erster profiteren. Das ist ein großer Fehler. Er kann zur nächsten Schwemme führen.

Könnte CSU-Bundesagrarminister Christian Schmidt gegensteuern?

Er müsste sich auf EU-Ebene dafür einsetzen, dass die Milchmenge gedeckelt werden kann, sobald es ein Überangebot gibt und eine Milchkrise droht. Nur so ließe sich der Preisverfall verhindern. Doch Schmidt ist kein Vertreter der Bauern, sondern der Milchindustrie, die die weltweiten Märkte mit billigem Milchpulver bedienen will. Sie braucht Menge.

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9 Kommentare

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  • Ich muss mich jedem Kommentar hier anschließen.

     

    Ich sehe es ehrlich gesagt nicht ein, nur einen Cent mehr für die Milch zu bezahlen, solange das System so absurd ist. Obwohl ich damit wohl den Bio- & Demeter-Bauern Unrecht tue.

    • 3G
      33523 (Profil gelöscht)
      @KLP:

      "Obwohl ich damit wohl den Bio- & Demeter-Bauern Unrecht tue."

       

      Die können davon ja (noch am ehesten) leben.

      Wir haben hier in der Gegend einen mittlerweile relativ großen BIO-Bauern der als einer der ersten seine Milch selber vermarktet hat. Was haben die anderen Bauern da über ihn gelacht. Nun, fünf Jahre später, ist ihnen das Lachen vergangen.

  • Vollmilch kostet 53 cent? Also ich habe ja keine Ahnung, wo der Herr Lobbyist einkauft, aber ich kaufe immer H-Milch und die kostet (Bio) zwischen einem Euro und 1,60€. Wieso das nicht reichen soll, um den Betrieb zu finanzieren, kann ich mir nicht erklären.

     

    Aber eine idee wäre es: Wenn es zu viel Angebot gibt, aufhören so viel zu produzieren, insbesondere nicht für den chinesischen Markt oder andere ferne Mräkte. Aber gegen die Milchquote haben die Bauernlobbyisten ja lange und schlussendlich erfolgreich agitiert.

  • Wer Billigmilch produziert ist selbst schuld. Biomilch bringt knapp 60 Cent - stabil seit Jahren - und muss mangels Inlandproduktion aus Österreich etc. importiert werden. Aber der "normale" Milchbetrieb investiert lieber in eine noch größere Milchflotte - Kühe kann man diese stehenden Eutertiere leider nicht mehr nennen und in noch größere Verschuldung bei der Bank. Investition in Umstellungsjahre und danach hochpreisige Milch? Nein, wieso denn? Das bringt doch nichts sagt der Bauernverband, der auf Exporte nach Saudi Arabien hofft. Dieser tolle Bauernverband empfiehlt inzwischen seinen Mitgliedern Warentermingeschäfte!

  • 3G
    33523 (Profil gelöscht)

    "Ein fairer Preis für den Liter wäre ein Euro."

     

    Alle anderen sollen sich an die Preisbildung halten aber die Bauern sollen ne Extrawurst bekommen? Das klingt für mich nicht grade nach Fairness.

     

    "Er müsste sich auf EU-Ebene dafür einsetzen, dass die Milchmenge gedeckelt werden kann, sobald es ein Überangebot gibt"

     

    Ich fass es nicht. Es ist noch nicht lange her da haben Milchbauern für das Exakte Gegenteil protestiert und haben Straßen mit Milch geflutet um ihren Unmut über die Deckelung Luft zu machen.

     

    Viele Bauern können nur wegen der Subventionen überleben. Subventionen kosten den Steuerzahler Geld und sorgen in diesem Fall seit Langem für Ärger. Das einzig verantwortungsvolle ist die Streichung der Subventionen. Das wird viele Bauern die Existenz kosten. Die BIO-Bauern haben noch die besten Chancen zu überleben, weil deren Klientel wirklich bereit ist mehr zu zahlen.

    Wie die Bauern es geschafft haben die taz bei dieser Sache auf ihre Seite zu bekommen ist mir schleierhaft. Das ist doch auch nichts weiter als Lobbyismus was dort gesagt wurde.

  • Muss die TAZ den Lobbyisten hier ein Forum bieten?

     

    Ein Euro pro Liter Milch möchte jeder Verbraucher gerne zahlen? Das wären nur 8 Euro mehr pro Monat? Nur wenn man keine weiteren Milchprodukte als 16 Liter Milch pro Monat kaufen würde ... will uns die Dame veralbern?

  • Die Bauern bekommen auch Direktsubventionen auf ihre Höfe. Das macht in der Schweiz 57% des Einkommens aus. In der EU etwas weniger. In Neuseeland bekommt der Bauer NZD3.90/kg Milchfeststoff, das sind 32 Eurocents pro Liter. Der Bauer bekommt aber keine Direktsubvention auf seinen Hof.

  • Was ist aus der Sprichwörtlichen Bauernschläue geworden?

    Seit Jahren schon schaue ich mir die Werdegänge diverser Landwirtschaftlichen Betriebe in meiner ländlichen Umgebung an und verstehe die Bauernwelt nicht mehr!

    Ich bin in einem bäuerlichem Dorf aufgewachsen, in dem es drei Großbetriebe und mehrere Kleinbauern gab. Nach und nach haben sich die Großbetriebe die Kleinen einverleibt. Sie begannen sich zu spezialisieren und vergrößerten sich durch den Bau von Schweineställen, Kuhstellen und stellten sich Traktoren hin, die mehr als ein Einfamilienhaus kostet, und all das auf Kredit, ermöglicht durch Subventionen des Bundes oder der EU. Jedwede Regel der Marktwirtschaft wurde innert kürzester Zeit über Bord geworfen. Das ging solange Gut, bis die Discounter anfingen über die Verbände Abnahmeverträge zu ihren Konditionen und Preisen zu schließen.

    Spätestens zu diesem Zeitpunkt hätte die Bauernschläue die Gier überwinden müssen, was allerdings nicht passierte! Nun sind die Bauern ins finanzielle Hintertreffen geraten und verlangen von allen Seiten Hilfen zum weitzermachen. Wie man in diesem Artikel lesen kann, will aber keiner aus der Vergangenheit lernen. Kaum steht wieder etwas mehr Verdienst durch EU Hilfen in Aussicht fangen einige wieder an ihre Viehbestände zu erhöhen!

    Soll der Verbraucher tatsächlich mit höheren Preisen einverstanden sein, wenn die Bauern nicht gewillt sind aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen?

    Das gleich gilt im großen und ganzen auch für die Fleischwirtschaft.

    Alle Hersteller beklagen sich über den Preisverfall, wollen aber ihre Fehler nicht ausmerzen.

    Meinen Segen bekommen diese Bauern erst, wenn sie sich auf das Normalmaß zurück besinnen!

    Der Traktor muss nicht aus Prestigegründen größer sein als der des Nachbarn, nur um zu zeigen wer mehr Subventionen abgreift!

  • "Denn die EU zahlt Bauern seit Mitte Dezember für jeden – im Vergleich zum Vorjahr – nicht gelieferten Liter Milch 14 Cent"

     

    Schön auf den Punkt gebracht wie absurd das heutige System ist.