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Zusammenhang NSU und Mord an KindErmittler prüfen Peggy-Verbindung

Ermittler prüfen, ob der DNA-Fund von NSU-Terroristen bei Peggy K. doch eine Verunreinigung war. Das wäre für die Behörden ein Desaster.

Spurensuche bei Wurzbach (Thüringen) im September 2016 Foto: dpa

München taz | War es doch eine Verunreinigung? Vor zwei Wochen hatten die Staatsanwaltschaft Bayreuth und das Polizeipräsidium Oberfranken verkündet, eine DNA-Spur des NSU-Terroristen Uwe Böhnhardt bei der Leiche der neunjährigen Peggy K. gefunden zu haben. Es war eine Sensation, einen Fehler schlossen Experten und das BKA mit „an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“ aus. Nun aber könnte genau dieser doch eingetreten sein.

Staatsanwaltschaft und Polizei teilten am Donnerstagnachmittag mit, dass „im Rahmen der Qualitätssicherung“ eine mögliche Fehlerquelle aufgefallen sei: Es gebe Anhaltspunkte, dass die Thüringer Ermittlergruppe, die in beiden Fällen mit der Spurensicherung betreut war, „teilweise identisches Spurensicherungsgerät“ verwendet habe.

Die Ermittler hatten sowohl die Leiche von Uwe Böhnhardt geborgen, der im November 2011 mutmaßlich bei einem Doppelselbstmord mit seinem Kumpanen Uwe Mundlos starb, als auch das Skelett von Peggy K. geborgen. K.s Leiche wurde im Juli in einem Thüringer Wald gefunden, der Mord ist bis heute ungeklärt.

Laut Medienberichten geht es bei dem Spurensicherungsgerät um einen markanten Meterstab. Dieser sei Ermittlern auf Fotos aufgefallen. Der Stab sei von seiner Beschaffenheit unverwechselbar. Möglicherweise sei mit diesem Gerät die DNA Böhnhardts übertragen worden.

Zeitaufwändige Ermittlungen

Fragen aber bleiben. Zwischen beiden Polizei-Einsätzen lagen fünf Jahre. Hielt sich eine mögliche Böhnhardt-DNA tatsächlich so lange an dem Meterstab? Die Behörden teilten nur mit, die DNA-Spur Böhnhardts werde derzeit „mit äußerster Genauigkeit überprüft“. Ein externes Labor soll nun das Messgerät untersuchen.

Auch würden Zeugen zur Sicherung der DNA-Spur befragt. Schnelle Ergebnisse seien nicht zu erwarten: Die Ermittlungen seien „zeitaufwändig“.

Noch am Vortag hatte Richter Manfred Götzl im Münchner NSU-Prozess die Angeklagte Beate Zschäpe gefragt, welches Wissen sie zum Fall Peggy K. habe. Opferanwalt Mehmet Daimagüler hatte beantragt, alle Akten des Peggy-Verfahrens im Prozess beizuziehen.

Bestätigt sich die Verunreinigung, wäre es für die Ermittlungsbehörden ein Desaster. Denn schon einmal lagen diese in ähnlicher Konstellation komplett daneben: beim NSU-Mord an der Heilbronner Polizistin Michèle Kiesewetter 2007. Damals hatte die Polizei zuerst eine Frau gesucht, die Verbrechen in ganz Europa begangen haben soll.

Am Ende stellte sich heraus: Die DNA kam von einer Frau aus der Herstellerfabrik, die die Wattestäbchen zur Spurensicherung verpackt hatte. In seinem Bekennervideo hatte sich dann der NSU zu der Tat bekannt.

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17 Kommentare

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  • Nee, wir sollten der BAW kein Angebot machen:

    Auflösung der Geheimdienste und Einstellung der Förderung aller neonazi-Strukturen aus Steuermitteln.

    Einstellung aller verdeckten Ermittlungen gegen linke Opposition.

  • Da ist was faul. Entweder wird hier aktuell versucht Zusammenhänge zu vertuschen oder aber es wurden Beweismittel manipuliert und dabei versehentlich auch DNA übertragen.

    Am Unwahrscheinlichsten jedoch ist, dass hier einfach nur schlampig gearbeitet wurde.

  • Es wäre Zeit, dass die Bundesanwaltschaft Zschäpe ein Angebot macht: Umfassendes Geständnis gegen Haftentlassung nach spätestens 20 Jahren.

    • @A. Müllermilch:

      Ein derartiger Deal wurde bereits am Beginn des Prozesses sowohl von Frau Zschäpe als auch vom Generalbundesanwalt abgelehnt. Die anfängliche Strategie Zschäpes und ihrer Anwälte war allein auf einen Freispruch ausgerichtet und GBA Harald Range hatte von Anfang an Zweifel „inwieweit ein Strafnachlass hier überhaupt möglich sein könnte.“ Für eine Anwendung der Kronzeugenregelung ist es jetzt ohnehin zu spät und man wird auch wohl auch nicht mehr davon ausgehen können, dass Frau Zschäpe sich jemals substanziell an der weiteren Aufklärung der Tathintergründe und der möglichen Mittäter/Tathelfer beteiligen wird.

  • Ich denke, ich verstehe es nicht richtig:

     

    EIN Meterstab, verunreinigt, aber nur mit der DNA von Böhnhardt wurde 5 Jahre im Schrank der Thüringer Ermittler gelagert, bis die Leiche von Peggy gefunden wurde und dieser wurde dann auf ein Stück Stoff am Fundort gelegt?

     

    Irgendwie will das nicht in meinen Kopf.

    • @Hanne:

      Als ob die 5 Jahre lang gar keinen anderen Meterstab mehr benutzt hätten. Am Ende war dann wohl auch die eine Leiche in dem Campingbus gar nicht Böhnhardt, sondern nur seine DNA auf einem Meterstab.

  • Die älteren Semester unter den LeserInnen hier werden sie wahrscheinlich in ihrer Kindheit und Jugend zuhause mit am Kaffeetisch, in den Behörden und in den Schulen erlebt haben: die SS-Schlächter. Die meisten davon sind im Zeitraum von 1910- 1920 geboren. In den 60er- 80er-Jahren waren die meisten dieser Sadisten noch quicklebendig. Viele Kinder wurden von diesen Rechtsterroristen im Bürgerhemd schwer misshandelt und missbraucht, manche auch "zu-Tode-geliebt". Die Faschosadisten von heute folgen diesen Leuten nach. Und dann soll es ausgerechnet bei denen so "unfassbar" sein, dass sie Kinder missbrauchen, verkaufen und töten?

  • Vielleicht hat Herr Schäuble am Ende dieses Jahres noch ein wenig Geld übrig, um wenigstens die Spurensicherung ordentlich auszurüsten. Ländersache hin oder her: mancher scheint aus dem Blick zu verlieren, dass Menschen ermordet wurden. Oder ist das mittlerweile egal?

  • 4G
    4932 (Profil gelöscht)

    Danke für den kritischen Beitrag.

    Ich glaube, daß der thüringische Verfassungsschutz gemerkt hat: 'O Gott, wenn rauskommt, daß da eine Verbindung zum NSU besteht, dann sind wir und unsere V-Leute alle erledigt'. Und so erließ der thüringische Verfassungsschutz eine Anweisung an die Polizei: 'Nehmt das auf euren Meterstab, denn sonst sind wir Verfassungsschützer und ihr Polizisten in Thüringen alle erledigt'.

    Und so kam es, daß diese Geschichte weiter unter dem Teppich blieb. Um Thüringen zu retten.

  • Man muss hier einfach auch mal darauf hinweisen, dass die berühmt-berüchtigten "DNA-Spuren" ohnehin maßlos überschätzt werden, wenn es darum geht, ein Verbrechen aufzuklären. Das können immer nur einzelne Puzzle-Teilchen zu einem großen Gesamtbild sein.

  • Aha...ein Meterstab war's also. Da haben ja einige noch mal Glück gehabt, dass sich so eine elegante Lösung finden lässt. Damit ist ja dann auch gleich geklärt, wo die Kinderspielsachen im Wohnwagen, die Kinderpornobilder und die Finanzierung der Szene herkamen: der Meterstab war's.

    Da haben die Spurensicherer vermutlich den Meterstab mit dem Lappen abgewischt und den Lappen ins Gebüsch geworfen, so wie das Spurensicherer halt so machen?

    Und die Schuhe haben die sich bestimmt auch nicht abgeputzt, sondern gleich noch Blut aus dem Wohnwagen in den Wald getragen. Da hat vermutlich auch der Stofffetzen dran geklebt.

    Auch wenn das mit dem Stoffstück schon merkwürdig war, aber das hier könnte auch "shit, wie kommen wir aus der Nummer wieder raus..." sein.

  • Die Behörden? Nein nicht nur die Behörden, auch die Legionen an Journalisten die schon den großen Bogen zum pädokrimininellen Supernaziterroristen geschlagen hatten und ganz ganz vorne mit dabei waren bevor auch nur 2 mal alles durchgesehen wurde.

  • Vielleicht wäre es ja interessanter einmal zu beleuchten, warum zwei der "spektakulärsten" zeitgenössischen Rechtsfälle in Deutschland just in dem Moment eine mediale Hochzeit feiern, wenn die Mutmaßung über einen vermeintlichen Terroristen Albakr im juristischen Nirvana verschwindet.

    • @Mark Hochreiter:

      Verschwörung? Wer gegen wen?

      • @Rainer B.:

        Wieso Verschwörung? Und warum gegen jemanden? Dass aus dem NSU-Komplex nichts mehr an Wahrheiten herauszuholen ist, wissen wir, auch wenn wir immer mal wieder lesen dürfen, dass Beate Zschäpe ihr Schweigen breche, was sie dann (oh Wunder) doch nicht tut. Im Fall Albakr hätte man sich über die "Mutmaßungen" über seine vermeintlichen Verbindungen zum IS auch ein paar Erkenntnisse gewünscht, die der Bundesgerichtshof in Karlsruhe hätte ans Tageslicht befördern müssen und nicht irgendwelche Presseerklärungen des Verfassungsschutzes. Und dann kam Peggy... ahhh wunderbar... Balsam für die Seele. Ein trauriges Kapitel der deutschen Kriminalgeschichte wird bald geklärt werden... ups äh doch nicht. Wer war nochmal Albakr... morgen soll es in ganz Deutschland schweres Unwetter geben... bitte verhalten Sie sich wie an jedem anderen Tag auch.

        • @Mark Hochreiter:

          Das hat aber auch viel mit Sensationsgeilheit und schwindender Aufmerksamkeit beim Empfänger zu tun.

          "Nichts ist so alt wie die Zeitung von gestern", hieß das früher. Im Zeitalter der elektronischen Medien geht es da nicht mehr um Tage, sondern um Millisekunden.

          Die Presse muss heute ja gar nicht mehr "lügen", sie muss nur die Akzente nach den Kriterien eines gefühlten "Marktes" setzen, um die Dinge im Ergebnis komplett falsch wiederzugeben.

          • @Rainer B.:

            Ich denke, man darf hier nicht Ursache und Wirkung vertauschen. Die vermeintliche Sensationslust wird ja gerade von Werbegestützten Onlinemedien gezielt ausgebeutet, um auf die so wertvollen Klickzahlen zu kommen. Das sieht man dann auch am Timelinejournalismus, der das Gefühl vermittelt, man befinde sich live beim Nachrichtengeschehen, letztlich aber nur eine unfertige Recherche mit vielen Unklarheiten vorstellt. Ich denke auch "lügen" ist ein schwieriger Begriff. Aber ein Bewusstsein dafür, dass man z.B. im Fall NSU-Komplex sämtliche Informationen im Allgemeinen von den selben Quellen erhält, die für die Erfindung der sogenannten "Dönermorde" verantwortlich zeichnen und ein kritischer Umgang mit diesem Dilemma in der Berichterstattung, wären wünschenswert.