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Kommentar zu Rot-Rot-GrünFehlt nur noch ein Kandidat

Gereon Asmuth
Kommentar von Gereon Asmuth

Die gesellschaftliche Linke ist skeptisch, der rechte Flügel sieht R2G als reale Gefahr an. Das Bündnis ist die einzige Alternative zu Angela Merkel.

Werden wir ein rot-rot-grünes Wunder erleben? Foto: ap

D as ist doch nur der nächste Hype im politischen Berlin. Das ist doch alles nur Taktik von Sigmar Gabriel, um seine parteiinternen Kritiker im linken Flügel der SPD bei der Stange zu halten. Das ist doch eine Totgeburt, weil Sozialdemokraten, Linke und Grüne alles können – außer gemeinsam handeln. Wer an eine Chance für eine rot-rot-grüne Koalition nach der Bundestagswahl 2017 glaubt, stößt auf breite Skepsis – in der gesellschaftlichen Linken. Auf der rechten Seite ist das ganz anders: Die heftige Reaktion von CDU und CSU zeigt, dass sie das linke Trio als reale Gefahr sehen.

Zu Recht. Rot-Rot-Grün ist die einzig denkbare Alternative zu einer vierten Amtsperiode von Angela Merkel. Rot-Rot-Grün böte die Chance auf eine sozialökologische Wende, die ein modernes liberales Weltbild mit sozialer Gerechtigkeit verknüpfen könnte, sodass sogar die sich derzeit abgehängt fühlenden Schichten mitgenommen würden. Und: Rot-Rot-Grün hat mit „R2G“ sogar schon ein Kürzel mit Hipnessfaktor. Läuft.

Zwar liegen nach wie vor sogar die jeweiligen Flügel der drei Parteien über Steuer-, Flüchtlings- oder Sozialpolitik miteinander im Clinch. Ein Dreierbündnis wäre da aber hilfreich – wer näher an der Position der beiden anderen Parteien liegt, setzt sich durch. Im Übrigen gilt das Prinzip, das die drei gerade im Kleinen bei den Koalitionsverhandlungen für den Berliner Senat üben: „Man muss auch gönnen können.“

Dann wird die ideologische Breite von der linkspopulistischen Sahra Wagenknecht bis zur christlich-ökologischen Katrin Göring-Eckardt zur Chance. Denn dieses weite Spektrum muss geeint werden, damit es für eine Alternative zu Angela Merkel reicht. Oder, ehrlicher gesagt: reichen könnte. Denn aktuell fehlt Rot-Rot-Grün die Mehrheit der WählerInnen.

Es bleibt nicht einmal ein Jahr, um daran etwas zu ändern. Dazu aber reicht kein attraktives Programm auf dem Papier. Es braucht auch eine Person, die aus sich selbst heraus glaubhaft den Politikwechsel verkörpert – als KanzlerkandidatIn. Sigmar Gabriel? Nein. Olaf Scholz? Erst recht nicht. Martin Schulz? Na ja. Andrea Nahles? Puh. Manuela Schwesig? Es ist ein Dilemma mit dieser SPD. Ihre komplette Spitzenriege umweht der Mief der Großen Koalition. Dieses Problem müssen die Strategen der drei Parteien als Erstes gemeinsam angehen, wenn sie nicht gemeinsam scheitern wollen.

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Gereon Asmuth
Ressortleiter taz-Regie
Leiter des Regie-Ressorts, das die zentrale Planung der taz-Themen für Online und Print koordiniert. Seit 1995 bei der taz als Autor, CvD und ab 2005 Leiter der Berlin-Redaktion. 2012 bis 2019 Leiter der taz.eins-Redaktion, die die ersten fünf Seiten der gedruckten taz produziert. Hat in Bochum, Berlin und Barcelona Wirtschaft, Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation und ein wenig Kunst studiert. Mehr unter gereonasmuth.de. Twitter: @gereonas Mastodon: @gereonas@social.anoxinon.de Foto: Anke Phoebe Peters
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4 Kommentare

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  • Ja, genau, so erhält die merkelsche Alternativlosigkeit auf perverse Art neue Glaubwürdigkeit.

  • 6G
    628 (Profil gelöscht)

    Die SPD wird erst dann bereit sein im Bund mit der Linken zu koalieren, wenn die CDU mit der AfD koaliert. Bis dahin trauen sich die Sozen nicht so recht, und nachdem man in den letzten Jahren bis hin zur fast völligen Selbstaufgabe den Reichen und Mächtigen gedient hat, hat man nun Hemmungen, es sich mit diesen wieder zu verscherzen. Und wenn man sieht, wie die SPD-'Linken' einen Martin Schulz feiern, wird einem wirklich Angst und Bange um die Partei. Ich sehe wirklich keinen Anhaltspunkt, der Hoffnung auf eine Kehrtwende der SPD und damit auf R2G machen würde.

  • Haben wir nicht einen Fernsehmoderator, der den Job übernehmen könnte?

  • 2G
    24636 (Profil gelöscht)

    Suche schon länger, es gibt keinen. Bräuchte also den Mut, einen von außen zu nehmen. Traut das Gabriel jemand zu? Dann gratuliere ich zum Mangel an politischer Urteilskraft. Kein Personal, kein Programm und kein Mut. Man muss schon Tom Strohschneider heißen, um da noch mit der Vernunft einen Fuß in die Tür zu bekommen. Zelik diskutiert es noch am Klarsten, wenn er konstatiert, dass es keinen oder zumindest zu wenig Druck von außen gibt. Und ohne den vielleicht R2G, aber ohne linke Politiken. Immerhin erkennt man den Diskussionsbedarf und die Widerstände, das ist ja auch schon was in diesen Zeiten.