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Debatte Hartz IV-RegelsätzeListen der Entmündigung

Barbara Dribbusch
Kommentar von Barbara Dribbusch

Die neuen Regelsätze haben wenig mit der Realität von Armut zu tun. Die Grundsicherung muss stärker individualisiert werden.

Weder Haustiere noch Schnittblumen dürfen Hartz-IV-Bezieher_innen sich gönnen Foto: dpa

D ie Ausschlusslisten wirken lustig, sind es aber für die Betroffenen nicht. Bier, Haustiere, Schnittblumen, Campingzelte, Gießkannen, Handyverträge: Die Aufzählung, von der Diakonie veröffentlicht, betrifft Ausgabeposten, die als nicht zum Existenzminimum gehörig betrachtet werden.

Die Liste stützt sich auf die neuesten Berechnungen im Regelbedarfsermittlungsgesetz von Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD), das demnächst in erster Lesung im Bundestag beraten und im Januar in Kraft treten soll. Die Statistiker ermittelten dabei für Alleinstehende die Konsumausgaben der ärmsten 15 Prozent der Singlehaushalte. Wer ausschließlich von Hartz IV lebte, wurde von dieser Referenzgruppe ausgeschlossen. Von deren Konsumausgaben zogen die Statistiker das angeblich nicht Lebensnotwendige ab und kamen auf den rechnerischen Hartz-IV-Regelsatz. Ab Januar 2017 gibt es also für Alleinstehende 5 Euro mehr, nämlich 409 Euro plus Wohnkosten. Auch die Sätze für Kinder steigen, nach gesonderter Berechnung.

Mit dem wirklichen Ausgabeverhalten der Empfänger hat die Rechnerei allerdings wenig zu tun. Der Regelsatz, der auch für die Empfänger von Grundsicherung im Alter und, mit Ableitungen, für Asylbewerberleistungsempfänger gilt, bestimmt das Leben höchst heterogener Gruppen.

Vom Regelsatz abhängig sind Alleinerziehende, die Panik haben, dass die Waschmaschine kaputtgehen könnte. Mit dem Regelsatz auskommen müssen Altersarme auf Grundsicherung, die davon Besuche bei den Enkeln und neue Brillen bezahlen sollen. Der Regelsatz und seine Ableitungen prägen auch das Leben von Flüchtlingen, die viel Geld ausgeben für Mobilkommunikation und jeden Monat Geld an die armen Verwandten in der Heimat schicken sollen.

Ohne Unterstützung bittere Armut

Wie schlecht oder weniger schlecht man mit dem Regelsatz lebt, hängt dabei auch von den informellen Stützsystemen ab. Ein verdienender, nicht im selben Haushalt wohnender Lebenspartner, die Unterstützung von Verwandten, ein kleiner Zuverdienst – das kann den Unterschied ausmachen zwischen Exklusion und Inklusion trotz Hartz-IV-Bezugs.

Wer aber keine privaten Stützsysteme hat, fällt mit Hartz IV in bittere Armut; ihm bleiben oft nur die Hilfseinrichtungen. Längst sind die „Tafeln“ mit der Ausgabe gespendeter Lebensmittel, die Kleiderkammern und Suppenküchen zu einer Art Ersatzsozialämter geworden. Weil man einen großen Teil des Regelsatzes bereits für die hohen Stromkosten, die Flatrate, Reparaturen, Fahrkarten, Schuldenbegleichung, Medikamente oder vielleicht auch für Bier und Zigaretten ausgibt und dann gegen Ende des Monats nichts mehr übrig hat zum Leben.

Niemand sollte auf eine neue Brille verzichten müssen, weil der Regelsatz dafür nicht reicht

Das ist die Wirklichkeit und dagegen wirkt die Berechnung des Regelsatzes willkürlich und, schlimmer noch, wie Versuche der Disziplinierung. So sind im Regelsatz etwas über 3 Euro im Monat vorgesehen, um für Reparaturen von Haushaltsgeräten zu sparen.

Doch es grenzt an Zynismus, von den Armen auch noch Spardisziplin zu verlangen. Der finanzielle Druck ist viel zu groß. Das Leben mit Hartz IV ist ein Leben in der ständigen Improvisation.

Im Zentrum der Verteilungsdebatte

Was also wäre zu tun? Der Paritätische Wohlfahrtsverband fordert einen Regelsatz von 520 Euro im Monat plus Wohnkosten, das sind 111 Euro mehr als bisher geplant – und staatliche Mehrausgaben von geschätzten 8 Milliarden Euro im Jahr. Das klingt sogar bezahlbar, irgendwie und mittelfristig, doch jede deutliche pauschale Erhöhung des Regelsatzes birgt hohes Verhetzungspotenzial.

Denn Hartz IV steht immer auch im Zentrum horizontaler Verteilungsdebatten. Die Ressentiments schlecht entlohnter Dienstleister, die über ihre Sozialabgaben murren, gegenüber „Hartzern“ sind groß. Jetzt kommen noch Hunderttausende von Flüchtlingen als Leistungsempfänger dazu. Die Empathie der unteren Mittelschicht mit knappsenden Alleinerziehenden mag stark sein, mit jungen migrantischen Männern ohne Job hingegen weniger.

Die Zeiten für sprunghafte Erhöhungen sind also schlecht. Statt eine ritualisierte Armutsdebatte mit Maximalforderungen zu führen, ist Pragmatismus angesagt. Viel wäre gewonnen, wenn man Verelendung und individuelle Notlagen stoppte.

Es ist absurd, aus dem Regelsatz die Reparatur oder Ersatzanschaffung von Haushaltsgeräten finanzieren zu müssen. Zumindest die „Weißware“, also Haushaltsgeräte und deren Reparaturen sollten wie in der alten Sozialhilfe als „einmalige Leistungen“ gewährt werden, so fordern es zu Recht der sozialpolitische Sprecher der Grünen, Wolfgang Strengmann-Kuhn, und die Wohlfahrtsverbände. Auch die steigenden Stromkosten sollten „gesondert von der Regelsatzberechnung“ bezahlt werden, meint Strengmann-Kuhn.

Notkredit für den Kühlschrank

Niemand sollte auch auf eine neue Brille verzichten müssen, weil er sie aus dem Regelsatz nicht finanzieren kann. Auch diese Leistungen müssten nach individuellem Bedarf gesondert gewährt werden.

Die Rückkehr zu einer stärkeren Individualisierung brächte mehr Bürokratie mit sich, das stimmt. Vor einigen Jahrzehnten bewilligten die Sozialämter Möbel und Haushaltsgeräte und deren Ersatzanschaffungen als „einmalige Leistungen“ auf Antrag. Die Abhängigkeit von den Sachbearbeitern war heikel, Klagen der Sozialämter über Missbrauch verbreitet. Doch wie es jetzt läuft, funktioniert es eben nicht.

Tausende von Hartz-IV-Empfängern nehmen bisher schon in Notfällen Kredite bei den Jobcentern auf und müssen dann für eine lange Tilgungszeit einen um 20, 30 Euro geminderten Regelsatz hinnehmen. Die Berechnung dieser Darlehen ist kompliziert, und wer mit dem verkleinerten Regelsatz auskommen muss, gerät schnell in die Verelendung.

Die Rückkehr zu mehr individualisierten Zusatzleistungen, auch für Notfälle, wäre ein Eingeständnis. Und ein Anfang einer Armutsdebatte, die an der Wirklichkeit der Menschen ansetzt. Und nicht darüber diskutiert, ob Schnittblumen, Hamsterfutter und Kindermalstifte zum Existenzminimum gehören oder nicht.

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Barbara Dribbusch
Redakteurin für Soziales
Redakteurin für Sozialpolitik und Gesellschaft im Inlandsressort der taz. Schwerpunkte: Arbeit, soziale Sicherung, Psychologie, Alter. Bücher: "Schattwald", Roman (Piper, August 2016). "Können Falten Freunde sein?" (Goldmann 2015, Taschenbuch).
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28 Kommentare

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  • Ein unterschwellig mitschwingender Grundgedanke bei der Einführung von Hartz IV durch Rot-Grün war ja gerade die Idee, den Kapitalismus zu bekämpfen, indem man den Menschen so viel Geld wie nur irgend möglich vorenthält. So könnte man ja ganz praktisch (Stichwort: Realpolitik) erreichen, dass dem lodernden Kapitalismusfeuer der Sauerstoff entzogen wird, denn Geld, das der Masse gar nicht erst zur Verfügung steht, können sich die Monopolkapitalisten dann auch gar nicht mehr von ihnen nehmen. Damit es dabei möglichst gerecht zugeht, wurde dieses Prinzip auf Mittellose und Erwerbstätige gleichermaßen angewendet. Man kann dieses Prinzip auch sozialbürokratische Kapitalismusbremse nennen und sollte es tunlichst nicht mit Sozialdemokratie verwechseln, denn das ist eine ganz andere Geschichte, von der ich Euch ein anderes Mal erzählen werde, wenn ihr nur jetzt schön fest schlaft.

    • @Rainer B.:

      "sozialbürokratische Kapitalismusbremse"

       

      Schöner Neologismus. Ich nenne Hartz IV lieber die Streckbank des Neoliberalismus, denn es geht gerade bei Geringsverdienern schon lange nicht mehr um deren läppschen Konsum! Es geht darum, den Arbeitnehmern zu zeigen: muckst Du auch, stehst Du mit dem obdachlosen Junkie in der gleichen Schlange.

      • @Jens Frisch:

        Das ist sehr gut möglich, aber nach allem was ich immer so mitbekomme, waren und sind es gerade die Arbeitnehmer, die immer neue Daumenschrauben für die "in der sozialen Hängematte" fordern. Dass man heute schneller auf der Straße stehen kann, als in China ein Sack Reis umfällt, wird den meisten erst bewußt, wenn es sie selbst getroffen hat.

  • Studenten bekommen wesentlich weniger Geld, selbst mit Bafög-Höchstsatz - aber die brauchen wohl keine Kühlschränke, Herde oder gar Wohnungen? Es wird einfach erwartet, dass sie dazuverdienen und was leisten. Ist das von gesunden Hartz-IV-Empfängern nicht auch zu erwarten? Differenzieren gerne, aber nur bei Kranken.

    • @FraMa:

      Ein H4-Bezieher bekommt einen Kühlschrank nur auf Antrag und in einer besonderes Situation: zum Beispiel Rückzug aus dem Ausland oder Ende einer langen Haftstrafe. Sollte der Kühlschrank kaputt gehen und ein H4-Bezieher hat keine andere Möglichkeit, sich einen Kühlschrank zu finanzieren, kann das Jobcenter (JC) einen finanzieren. Das ist aber schwierig und langwierig, weil das JC eigentlich nur eine Erstausstattung (bes. Umstände) finanzieren will. Ich kenne niemanden, der einen Kühlschrank wirklich vom JC bekommen hat. Ich kenne einen Behinderten, der aus einer Anlage in eine Wohnung in eine Anlage gezogen ist und dann die Erstausstattung erhalten hat. Die zugrundegelegten Preise sind aber so niedrig, dass man nur ein oder zwei Geräte zur Auswahl hat und ob die von einer guten Qualität sind? Da wäre ich mir nicht so sicher. Aber selbst da muss jedes Gerät eine Berechtigung haben, gibt es z.B. eine Gemeinschafstwaschküche, wir eine Waschmaschine abgelehnt.

       

      P.S. Ich glaube übrigens, FRAMA, dass die Idee einer Leistung von H4-Empfängern sowieso gegeben ist, weil das Überleben bei solchen Sätzen schon eine Leistung ist, wer sie denn schafft. Viele werden einfach im Untergrund arbeiten und andere Wege gehen (müssen).

    • @FraMa:

      Die wenigsten Studenten, die ich kenne, haben einen eigenen Kühlschrank, um bei dem Beispiel zu bleiben, weil sie in WGs oder Studentenwohnheimen wohnen (und oft sogar auch zu den Eltern pendeln). Und wenn sie einen haben, wird der sicher, wenn er recht neu ist, auch nicht innerhalb der Studienzeit kaputt gehen. Und wenn doch, hat sicher eine Oma noch einen "Ersatzkühlschrank" im Keller stehen, der nur bei Bedarf (z.B. für Familienfeiern) angemacht wird.

       

      Was zu diskutieren wäre, ist auf jeden Fall die Anspruchsberechtigung auf Wohngeld und ALG II auch für Studenten, zumindest, wenn sie Kinder haben und/oder chronisch krank sind.

    • @FraMa:

      Mehr Differenzierung fällt Ihnen da nicht ein ? Vll. AE´s, die abends keine Pizza ausfahren, Regale befüllen können oder des erhöhten Krankenstandes wegen keiner haben will; Das gleiche gilt für Ältere. Vergessen haben Sie auch Aufstocker, für die die Regelsätze auch gelten.

       

      Und l.b.n.l, die Motivation zur Askese, wenn das Ende des Zustands absehbar wird, so Studierender abgeschlossen hat. Im Studium geht schlimmstenfalls der Studentenkühlschrank, sogar Containern hat da nen guten Sound. Bei einer Familie mit Kindern mag ich´s mir einfach nicht ausmalen.

    • 1G
      10236 (Profil gelöscht)
      @FraMa:

      Als Student habe ich gearbeitet:

      - WDR ("Geld oder Liebe" - Coaching)

      - Bauerdruck (Druckmaschienenüberwachung)

      - Müllrecycling (6 Wochen!)

      - Post (Nachtschichten - Pakete sortieren)

      und einiges mehr

       

      Als Student kommt man prinzipiell einfacher an bestimmte Jobs (jung, gescheit), der Hauptunterschied allerdings ist der temporäre Charakter der ausgeübten Tätigkeit. Es ist quasi der lästige monetäre Begleiter auf dem Weg nach oben.

      Jetzt zu sagen: 45 Jahre alt und Hartz IV? Ab zum Müllrecyceln für 8,50 die Stunde - das wäre bisschen anmaßend.

       

      Als Allgemeinaussagen sind, entgegen der scheinbaren Logik, die Sätze

       

      - Sozial ist was Arbeit schafft

      - Besser irgendwelche Arbeit als keine Arbeit

       

      falsch.

  • 1G
    10236 (Profil gelöscht)

    "...und staatliche Mehrausgaben von geschätzten 8 Milliarden Euro im Jahr. Das klingt sogar bezahlbar, irgendwie und mittelfristig, doch jede deutliche pauschale Erhöhung des Regelsatzes birgt hohes Verhetzungspotenzial."

     

    Hartz IV war weniger als Sparmaßnahme unf vielmehr als Disziplinierungsinstrument gedacht. Da ist jede Erhöhung Gift. Verhetzungspotential ist auch durchaus willkommen und bei seinem Erschlaffen wird von den entsprechenden Medien nachgeholfen.

     

    Ich vermute, dass die Reise vielmehr in andere Richtung geht und mittels statistischer Tricks die H4-Empfänger in eine noch rein existenzielle Situation gedrängt werden sollen.

     

    Wenn man Vergleiche mit z.B. Nahverkehrspreisen (http://mobilitaetswen.de/wp-content/uploads/2015/06/Fahrpreisentwicklung-Stand-20141.png) oder Preissteigerungen bei Strom oder Dienstleistungen (https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/Indikatoren/Konjunkturindikatoren/Preismonitor/Preismonitor.html) anstellt, dann sieht man, dass Teilhabe, in welcher Form auch immer, schon lange nicht mehr das Ziel ist.

    • 2G
      24636 (Profil gelöscht)
      @10236 (Profil gelöscht):

      "Hartz IV war weniger als Sparmaßnahme unf vielmehr als Disziplinierungsinstrument gedacht."

       

      So ist es. Denn Hartz kam nicht alleine, sondern im Rahmen 1) einer Ideologie (Kranker Mann Europas), 2) einer Steuerreform (Entlastung der Spitzenverdiener und Unternehmen, Mehrwertsteuererhöhung) und 3) dem Rechtsrahmen und der Ausgestaltung des Niedriglohnsektors parallel zum Zwang auf Arbeitslose jede Form der Beschäftigung anzunehmen.

       

      Hartz bzw. die Agenda war ein Disziplinierungsregime für das untere Drittel der Gesellschaft. Und wenn man das nun weiter verlängert, dann landet man 2016 bei Rainer Wendt: „Spätestens wenn Verteilungskämpfe größer werden und die Leistungsfähigkeit des deutschen Steuerzahlers zurückgeht, brechen offene Unruhen und Kämpfe zwischen unterschiedlichsten Gruppierungen aus und werden kaum beherrschbar sein, jedenfalls nicht mit einer kaputtgesparten Polizei.“

  • 6G
    628 (Profil gelöscht)

    Eine Überlegung wäre es auch, z.B. chronisch Kranken pauschal einen etwas höheren Regelsatz zuzugestehen. Häufig gehen chronische Erkrankungen mit hohen Kosten einher, die von der Krankenkasse nicht abgedeckt werden. Und das Improvisationstalent lässt bei körperlicher und/oder seelischer Schwächung auch nach.

    • @628 (Profil gelöscht):

      Ja, genau so ist es.

      Eine sehr gute Idee!

  • 2G
    24636 (Profil gelöscht)

    Wenn man mit SPD'lern die Hartz-Härtefälle durchdekliniert, dann sind die sofort am Ende mit ihrem (a)sozialpolitischen Latein. Jeder, der dieses System so wie es ist verteidigt, ist kein Sozialdemokrat. Super natürlich, dass es nun sogar eine Schichtung im Prekariat gibt. Deutsche, Europäer, Flüchtlinge. Da können Gabriel & Freunde ein fesches Hauen und Stechen zwischen den Gruppen einleiten, denn bei Hass und Neid geht doch immer was. Dann sich aber ach so schockiert geben, wenn einem die Jahr um Jahr zusammengerührte Scheiße um die Ohren fliegt.

  • Was bei den Sätzen immer übersehen wird: das Geld ist nicht WEG, sondern kommt in den Kreislauf. Gerade, wenn ich NICHT sparen kann, geht ALLES Geld wieder in die Wirtschaft. D.h., mehr H4, mehr Umsatz, mehr Mehrwertsteuer.

    Das ist ja auch die Idee hinter dem Grundeinkommen.

    Immer wieder komm ich auf die Theorie, dass man Arme besser kontrolieren kann, weil deren Handlungsspielraum gegen Null geht...

    • @Mitch Miller:

      "Gerade, wenn ich NICHT sparen kann, geht ALLES Geld wieder in die Wirtschaft. D.h., mehr H4, mehr Umsatz, mehr Mehrwertsteuer."

       

      Genau so ist es, aber das scheinen die meisten wirklich auszublenden. Oft wird ja das Argument "Ich zahle Steuern" von Noch-Nicht-ALG II-Bezieher/innen genannt, aber das zieht auch nicht, denn fast alles, was ein Aufstocker oder ein Komplett-ALG II-Bezieher monatlich an Auskommen hat, geht wieder in den Kreislauf INKL. der Umsatzsteuer (von 19 bzw. 7%). Und er hat dabei meist keine Möglichkeit Steuern zu sparen bzw. über die Einkommenssteuererklärung wieder zu erhalten! Zudem zahlen viel der sog. Auftstocker natürlich auch Lohnsteuer.

  • Zitat:"Mehr ist nun einmal nicht drin".

    Nein, das sagte nicht ein Vertreter der CDU, sondern die "Linke" Nahles, als sie die neuen HartzIV- Zahlen vorstellte und prompt Beifall bekam, von der CDU natürlich.

    Die SPD will den nächsten Wahlkampf mit dem Thema "Gerechtigkeit" angehen, prima.

    Müsste man dann nicht- gerade als SPD-Nahles- irgendwie Stellung beziehen zu der gerade veröffentlichten Erhebung, dass es in D. Haushalte gibt, denen €23MrD zur Verfügung stehen, und eben andere?

    Wobei in aller Regel beide für ihre jeweilige Situation nichts können ?

  • Krasse Sache und ein wahres Mißverhältnis! Auf der einen Seite wird bei den Armen jeder Cent drei Mal umgedreht und man ist ihnen jedes Vergnügen und sogar die Mittel zum Existenzminimum neidig. Wahrscheinlich müsste man, wenn es nach dem Willen rechter Kreise geht, die zumutbaren Regelsätze auf Wasser und Brot herunterschrauben und selbst dann würden sie die Armen immer noch verächtlich behandeln und disziplinieren.

     

    Auf der anderen Seite schiebt man der Klientel der rechten Parteien, dem Kapital, die Milliarden nur so in den Arsch. Da fliessen Milliarden an Steuergeldern in Form von Subventionen und Steuererleichterungen für Firmen an das Kapital. Gleichzeitig nutzen die Firmen jedes kleinste gesetzliche Schlupfloch oder auch illegale Methoden, um die Milliarden an den Steuerbehörden vorbeizuschummeln und in Steueroasen zu verschieben.

     

    Könnt ihr echt stolz drauf sein, dass in einem modernen Industrieland, das eines der reichsten der Welt ist, die Armen zu Wasser und Brot verdonnert und streng diszipliniert und die Reichen mit Steuermilliarden gestopft werden.

    • @Rudeboy:

      "Krasse Sache und ein wahres Mißverhältnis!"

       

      Mindestlohn 8,50 mal 160 Stunden machen 1360 EUR. Davon abzuziehen sind KV, RV, AV und PV, (zusammen ca. 22%) und die Miete (in Ballungsgebieten bis zu 50% des Einkommens). Was danach von den 1360 EUR übrigbleibt mal in Verhältnis setzen zu den 409 EUR, die einem Hartz IV Empfänger zustehen.

       

      Nicht nur Hartz IV ist zu niedrig - es sind vor allem die Löhne!

      • @Jens Frisch:

        Ja, das sehe ich genauso. Die Löhne sind deutlich zu niedrig. Da muß sich etwas ändern.

    • 6G
      628 (Profil gelöscht)
      @Rudeboy:

      Es mag müßig erscheinen daran zu erinnern, dennoch: Die Partei, die den Arbeitslosen und Geringverdienern in diesem Land am meisten angetan hat, war die SPD, und keine rechte Partei. Das ist ja gerade einer der wesentlichen Gründe, warum die Rechten wieder so stark sind. Ich sage das schweren Herzens, weil eine 'vernünftige' Sozialdemokratie eigentlich meine Partei wäre.

      Ein weiteres Problem besteht darin, dass die Verachtung von Geringverdienern und Arbeitslosen in linken Kreisen durchaus weit verbreitet ist, wie man hier z. B. immer wieder einigen Kommentaren entnehmen kann.

      Die Linken von heute sind in weiten Teilen nicht mehr die Verfechter der Interessen des kleinen Mannes, das ist leider so. Insofern ist das Beklagen der Unmenschlichkeit rechter Kreise etwas zu kurz gegriffen.

      • @628 (Profil gelöscht):

        Danke für Ihren Einwand, ich stimme Ihnen zum Teil zu. Meine Erklärung mit den rechten Parteien ist natürlich arg verkürzt, aber ich beziehe mich gar nicht so sehr auf rechte Parteien im engeren Sinne, sondern auf rechte Politik. Und diese rechte Politik - im Sinne einer unsozialen und arbeiter-/menschenfeindlichen Politik - wird, wie Sie ja in Ihrem Beitrag schreiben, leider auch von der SPD betrieben. Insofern stimme ich Ihnen völlig zu.

         

        Wo ich Ihnen aber eher widersprechen möchte, ist der Kommentar bezüglich der Distanzierung der Linken von den Interessen der "kleinen Leute". Das würde ich so pauschal sicher nicht sehen. Vielleicht gilt es für manche Teile der Linken, aber nicht für alle. Und die Kommentare in der taz würde ich in diesem Zusammenhang nur sehr bedingt als Indikator für den Zustand linker Debatten heranziehen, denn hier im Forum posten ja inzwischen leider auch schon sehr viele Menschen, die mit linker Politik überhaupt nix am Hut haben.

  • Vor allem Wirtschaftszweige profitieren von diesem System. Ihre wirtschaftlichen Interessen wird der Staat weiter durchsetzen und verteidigen. Dies ist der Grund, warum es keine weiteren Erhöhungen des Regelsatzes gibt, und nicht der so oft zitierte hartarbeitende und immer wütende Kleinbürger, der angeblich Menschen um sich braucht, denen es noch dreckiger geht als ihm.

  • Das ganze System ist kontraproduktiv und in der letzten Konsequenz auch sinnlos: Ohne Arbeit von einem System zu leben, ist nie positiv für einen Menschen, außer er kann nicht mehr arbeiten, ist also krank oder im Rentenalter oder zu jung. Was hier gemacht wird, ist eigentlich nur Makulatur.

     

    Der Regelsatz ist künstlich nach Unten gerechnet und reicht einfach nicht aus. Selbt der Vorschlag vom paritätischen Wohlfahrtsverband führt nicht zur Inklusion, würde aber das Gefühl der Exklusion etwas abschwächen. Ich glaube, es muss auf Dauer einfach ein anderes, humanes System kommen. Solange das Geld in Leistungsabteilungen verbraucht wird, um das konfuse Rechenwesen der Zuteilungen aufrechtzuerhalten, läuft doch was schief. Das Geld wäre viel ökonomischer direkt bei den BezieherInnen angelegt.

     

    Und Kinder sind teuer, nicht billig und gerade wer arm ist, sollte in dieser Hinsicht anständig versorgt werden. Wer in einen 'Problemstadtteil' geht und sich die Schule ansieht, der findet dort die Kinder dieser von der Politik mit Plan und Absicht abgehängten und die Wirkung ist eine Katastrophe.

     

    Das sollte jetzt Partei eigentlich einsehen, dass das Schaffen von Armut nur Probleme schafft und gerade bei Kindern und Jugendlichen eine schlimme Folge hat. Der Rap solcher Schüler ist eigentlich immer gleich: Ich hab kein Bock, ich gebe auf, bringt eh nichts.

     

    Diese Einstellung kommt von den Eltern, weil so eine Armut zutiefst ungerecht ist und Menschen nachhaltig und für lange aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden. Ob solche Menschen €5 oder €6 bekommen, das ändert nichts an der Fehlerhaftigkeit dieses Systems.

     

    Und überhaupt: Die meisten H4-BezieherInnen führen einen Guerillakrieg, um zu überleben. Wer solche Eltern hat, der hat gestresste und depremierte Menschen um sich rum und denkt nicht mehr an die Politik, die hat das aber geschaffen und sie muss es auch wieder auflösen.

    • @Andreas_2020:

      In der Tat ein fragwürdiges System, bei dem sich eines der reichsten Länder, 2 Millionen Arme Kinder "leistet" (Stichwort: Folgekosten mangelnder Bildung).

    • @Andreas_2020:

      Aber schade, dass der Status Quo gerade als notwendig erachtet wird, um den Niedriglohnsektor anzutreiben und auszuweiten. Sehr kurz gedacht, dass eine noch relativ kinderreiche Schicht als zukünftige Fachkraftquelle quasi aufgegeben wird, wenn Fachkräfte ökonomisch immer bedeutsamer werden( das nur aus rein ökonomischen Gesichtspunkten).

      Man müsste die Regierenden eigentlich aus dem Parlament werfen.

      • @lions:

        Gute Idee, vertreiben wir sie aus ihrem lebensweltfremden, zynischen Parlaments-Paradies.

        Nur wer soll das machen?

        Die 2 Millionen Kinder sind noch zu jung und finden sich ja in der Regel auch mit ihrer Lebenswelt ab. Deren Eltern sind meist mit ihrem täglichen Überlebenskampf oder der Frage beschäftigt, wie sie es schaffen, dass ihre Kinder es mal besser haben. Zudem werden sie in den Medien gerne als stinkefaule, saufende, ihre Kinder vollqualmende und vernachlässigende Menschen zweiter Klasse dargestellt, die ihre Situation selbst verschuldet haben und nun auch noch das Leben ihrer Kinder versauen. Die schämen sich also eher ihrer Situation. Und leider hat sich ausser Pegida und der Afd bisher keiner dieser großen Gruppe angenommen und sie bewegt, auf die Straße zu gehen. Und wenn Pegidafd und Konsortium all diese Menschen nutzt um die Regierenden aus dem Parlament zu werfen, dann ist's aber bald tiefe Nacht im Abendland. Nicht nur für BezieherInnen von Hartz4.

        • @Clara 0815:

          Da gebe ich Ihnen uneingeschränkt recht. Meine Konjunktiv "müsste" ist fern jeder Realisierbarkeit. Das haben die Getretenen der Geschichte meist selbst bewerkstelligt und weil diese auch noch von der Bildung halbwegs ausgeschlossen waren, ging für diese der Schuss idR nach hinten los. Dass das nie Warnung für die Herrschenden war und ist, mag daran liegen, dass diese durch alle Zeiten gut durchkamen. Ein offenbar in seinem Fatalismus schwer zu durchbrechendes Gesetz der "Hochzivilisation".

      • @lions:

        Ja, genau das ist es. Gerade die Armen gehen nicht mehr wählen und sehen in Politik ihr/ein Problem, nicht ihre / eine Lösung. Wenn man es sich genau ansieht, dann interessiert sich nur die Linke für solche Wähler. Die anderen Parteien sind mehr oder weniger mit diesem System einverstanden.