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Mit Recht gegen Wohnungsnot

VERFASSUNG Bundesbauministerin Barbara Hendricks will das Grundgesetz ändern lassen

Hendricks: Gesetzgebungskompetenz für Wohnungsbau Foto: W. Kumm/dpa

FREIBURG taz | In Deutschland fehlen Sozialwohnungen. Bauministerin Barbara Hendricks (SPD) will deshalb das Grundgesetz ändern lassen. Der Bund soll mehr Einfluss auf die Baupolitik der Länder bekommen. Die Länder wollen jedoch nur, dass der Bund sein Geld gibt.

In vielen Ballungsräumen sind Wohnungen knapp, vor allem bezahlbare. Die Bundespolitik ist sich einig: Pro Jahr müssten 350.000 neue Wohnungen gebaut werden, insbesondere günstige Sozialwohnungen. In den 80er Jahren gab es in der BRD noch 4 Millionen Sozialwohnungen, heute sind es noch 1,5 Millionen. Und jedes Jahr fallen bis zu 100.000 Wohnungen aus der Förderung heraus. Dennoch wurden 2014 nur 12.000 neue Sozialwohnungen gebaut. Nun wollen alle umsteuern.

Jahrzehntelang war der Bund ein wichtiger Akteur beim Bau von Sozialwohnungen. Als Gesetzgeber machte er Vorgaben, zuletzt im Wohnraumförderungsgesetz von 2002. Gleichzeitig gab er den Ländern Finanzhilfen zum Sozialwohnungsbau, die offiziell der Konjunkturförderung dienten. Doch 2006 kam die Föderalismusreform. Die Länder sollten auf vielen Gebieten wieder selbstständiger werden. Auch zum Wohnungsbau darf der Bundestag nun keine Gesetze mehr beschließen. Und dort, wo der Bund keine Gesetze beschließen kann, darf er den Ländern auch keine Finanzhilfen mehr geben.

Letzteres war natürlich nicht im Interesse der Länder. Deshalb wurde im Grundgesetz eine Übergangsregelung eingeführt. Danach muss der Bund den Ländern noch bis 2019 Kompensationsmittel zahlen, als Ausgleich für die weggefallenen Finanzhilfen. Von 2007 bis 2015 zahlte der Bund den Ländern so jährlich 518 Millionen Euro für sozialen Wohnungsbau.

Ab 2014, so die Regelung im Grundgesetz, sollten die Kompensationsgelder abgesenkt werden. Außerdem entfiel die Zweckbindung. Dann aber kam die Flüchtlingskrise. Die Bundeszuschüsse wurden nicht gesenkt, sondern ab 2016 auf eine Milliarde Euro verdoppelt. Ab 2017 stellt der Bund den Ländern sogar jährlich 1,5 Milliarden Euro für den sozialen Wohnungsbau zur Verfügung. Die Länder haben über ihre Bauministerkonferenz zwar versprochen, das Geld auch tatsächlich hierfür zu verwenden. Doch sie müssen dem Bund keine Nachweise mehr bringen.

Für Bauministerin Barbara Hendricks ist das unerfreulich. Der Bund darf zwar zahlen, muss aber den Ländern vertrauen. Wohnungspolitische Vorgaben darf er auch nicht machen. Hendricks hat daher im Sommer vorgeschlagen, dem Bund wieder eine Gesetzgebungskompetenz für den Wohnungsbau zu geben. Hierzu müsste das Grundgesetz geändert werden. Hendricks hat dabei ein gutes Druckmittel. Denn ab Ende 2019 dürfte der Bund laut Grundgesetz den Ländern gar kein Geld mehr für Sozialwohnungen geben.

Die Länder können sich eine Grundgesetzänderung durchaus vorstellen – allerdings nur, damit der Bund auch ab 2020 weiter Zuschüsse zahlen darf. Gesetzgebungszuständigkeit soll er keine mehr bekommen. Bei der Bauministerkonferenz am 20. und 21. Oktober will Hendricks ihr Vorhaben den Landesministern erläutern.

Christian Rath

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