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Kommentar Flugverbotszone über SyrienMoralische Empörung ohne Folgen

Andreas Zumach
Kommentar von Andreas Zumach

Ohne Kooperation mit der Regierung Putin ist eine Flugverbotszone nicht durchsetzbar. Die USA und Russland müssen zusammenarbeiten.

Zerstörung überall: Szene aus Aleppo Foto: reuters

J a, die Forderung nach einer Flugverbotszone über Syrien ist richtig. Nicht nur um die in Aleppo und anderswo bombardierten Menschen zu retten und endlich dringend benötige humanitäre Hilfe in die – überwiegend von Regierungstruppen – belagerten Städte zu bringen. Ohne Flugverbotszone wird es auch keinen funktionierenden Waffenstillstand geben und keine Verhandlungen über die politische Zukunft Syriens.

Doch bei aller berechtigten Kritik an der Rolle Russlands im Syrienkonflikt: Die Forderung nach einer Flugverbotszone und ihrer militärischen Durchsetzung ohne Kooperation mit der Regierung Putin – oder gar gegen den erklärten Willen Moskaus – ist nur folgenlose moralische Empörung. Denn sie ist aus offensichtlichen Gründen völlig unrealistisch: Weder die USA noch irgendein anderes Land werden angesichts der Präsenz russischer Luft-und Bodenstreitkräfte in Syrien zu einem solchen Risiko bereit sein.

Eine Flugverbotszone wird es nur geben, wenn die USA und Russland das dafür erforderliche Mandat des UN-Sicherheitsrates gemeinsam beantragen. Ferner müssten sie das Flugverbot dann auch gemeinsam überwachen und durchsetzen. Die Chancen für eine solche Kooperation mit Moskau würden steigen, wenn die drei ständigen westlichen Vetomächte im UN-Sicherheitsrat – die USA, Frankreich und Großbritannien – Russland, China und den anderen zehn Ratsmitgliedern verlässliche Garantien gäben, dass sie eine Resolution zur Schaffung einer Flugverbotszone nicht zum Krieg gegen Assad missbrauchen werden. Anders als im Fall Libyen/Gaddafi.

Zum Zweiten müssten die westlichen Staaten, statt immer nur Russland zu kritisieren, auch ihr eigenes, durchaus handfestes Eingreifen der letzten Jahre in Syrien und seine negativen Folgen selbstkritisch sehen – und vor allem ändern. Sie müssten die Unterstützung islamistischer Gewaltakteure in Syrien endlich einstellen und dafür Sorge tragen, dass mit Saudi-Arabien und der Türkei auch deren wichtigste Verbündete in der Region dies tun.

Die USA schließlich müssten ihre Zusage aus der Genfer Vereinbarung mit Russland vom 9. September einhalten – und für eine Trennung der von Washington unterstützten „legitimen Oppositionsmilizen“ in Syrien von terroristischen Gruppen sorgen.

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Andreas Zumach
Autor
Journalist und Buchautor, Experte für internationale Beziehungen und Konflikte. Von 1988-2020 UNO- und Schweizkorrespondent der taz mit Sitz in Genf und freier Korrespondent für andere Printmedien, Rundfunk-und Fernsehanstalten in Deutschland, Schweiz,Österreich, USA und Großbritannien; zudem tätig als Vortragsreferent, Diskutant und Moderator zu zahlreichen Themen der internationalen Politik, insbesondere:UNO, Menschenrechte, Rüstung und Abrüstung, Kriege, Nahost, Ressourcenkonflikte (Energie, Wasser, Nahrung), Afghanistan... BÜCHER: Reform oder Blockade-welche Zukunft hat die UNO? (2021); Globales Chaos-Machtlose UNO-ist die Weltorganisation überflüssig geworden? (2015), Die kommenden Kriege (2005), Irak-Chronik eines gewollten Krieges (2003); Vereinte Nationen (1995) AUSZEICHNUNGEN: 2009: Göttinger Friedenspreis 2004:Kant-Weltbürgerpreis, Freiburg 1997:Goldpreis "Excellenz im Journalismus" des Verbandes der UNO-KorrespondentInnen in New York (UNCA) für DLF-Radiofeature "UNO: Reform oder Kollaps" geb. 1954 in Köln, nach zweijährigem Zivildienst in den USA 1975-1979 Studium der Sozialarbeit, Volkswirtschaft und Journalismus in Köln; 1979-81 Redakteur bei der 1978 parallel zur taz gegründeten Westberliner Zeitung "Die Neue"; 1981-87 Referent bei der Aktion Sühnezeichen/Friedensdienste, verantwortlich für die Organisation der Bonner Friedensdemonstrationen 1981 ff.; Sprecher des Bonner Koordinationsausschuss der bundesweiten Friedensbewegung.
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12 Kommentare

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  • Ich schlage vor, Herr Zumach macht sich schon mal Gedanken, wie die Nachfolgeorganisation der UNO aussehen wird. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die UNO die Syrienkatastrophe ueberleben wird.

     

    Der gefaehrlichste Terrorist in Syrien ist offensichtlich Herr Assad und sein Regime die groesste terroristische Organisation im Lande. Aber dies scheint weder Herrn Zumach noch unsere Regierung zu interessieren, so lange nur SyrerInnen und keine “Bleichgesichter” terrorisiert werden. Das war der offensichtliche Fehler von IS im Gegensatz zu Herrn Assad.

     

    Wenn Menschen auf die Zustimmung der Weltgemeinschaft warten, koennen Menschen in bestimmten Situationen lange warten. Wir wuerden wahrscheinlich immer noch mit den Regimen von Herrn Idi Amin in Uganda und Herrn Pol Pot in Kambodscha leben, wenn sich nicht die Regierungen von Tanzania und Vietnam entschieden haetten, in diesen Laendern einzugreifen und die Terroristen an der Staatsspitze zu vertreiben.

     

    Noch einige Worte zu Russland und Herrn Putin: Herr Putin ist offensichtlich nicht oder wenig an internationalen Gesetzen und Menschenrechten interessiert. Dies sollte Mensch bei allen weiteren Entscheidungen ueber Syrien beruecksichtigen.

  • 6G
    6120 (Profil gelöscht)

    Wieso versteckt sich Andreas Zumach hinter einem UNO-Mandat, welches Russland als Unterstützer des verbrecherischen Assad-Regimes niemals anbieten wird?

     

    Es sind die Positionen von Kerry, Steinmeier oder Zumach, die Aggressoren wie Assad bzw. Putin in die Hände spielen.

    Andreas Zumach hat nichts aus Jugoslawien gelernt. Eine Diplomatie der leeren Worte ist keine Politik. Oder lediglich Eine, die Aggressoren befriedigt.

    Dominic Johnson hat völlig Recht: Die Flugverbotszone in Syrien, z.B. eingerichtet durch die NATO, ist alternativlos. Es liegt an Assad und Putin, dafür zu sorgen, dass ihre Flieger keine unbedachten Sachen machen.

    Sonst werden sie vom Himmel geholt - it's as easy as that.

    • @6120 (Profil gelöscht):

      Menschen, die glauben, daß „der Westen“ dem Rest der Welt grundsätzlich moralisch überlegen ist, reiben sich bevorzugt an Russland. Wahrscheinlich weil das Bild von einer bipolaren Welt im kalten Krieg (schon damals falsch) so schön einfach zu verstehen war. Dabei geraten andere globale „Player“ aus dem Blickfeld. So vegessen Sie zum Beispiel in Ihrem Kommentar, daß außer Russland noch ein weiteres ständiges Mitglied des UN-Sicherheitsrats –China – einer Intervention in Syrien niemals zustimmen würde. Auch andere große Staaten wie z.B. Indien oder Pakistan stehen der westlichen Interventionspolitik durchaus kritisch gegenüber.

      • 6G
        6120 (Profil gelöscht)
        @jhwh:

        Ich schlage vor, Sie äußern sich zu den hinreichend dokumentierten monströsen Verbrechen Assads mit Hilfe Russlands in Syrien. Um deren Beendigung geht es hier.

    • @6120 (Profil gelöscht):

      Es gibt einen großen Unterschied. Herr Johnson lebt in einer Traumwelt und Herr Zumach in der Realität.

       

      Eine Flugverbotszone durch die NATO würde nahezu unweigerlich zum Krieg mit Russland führen. Und dann haben wir Glück, wenn unsere Städte nur so kaputt sind wie Aleppo. Einige scheinen noch in den 90ern zu leben, als die NATO in der Welt schalten und walten konnte, wie sie wollte.

       

      PS: In Jugoslawien hat die NATO keine Probleme gelöst. Sie hält nur zur Zeit den Deckel drauf.

      • 6G
        6120 (Profil gelöscht)
        @warum_denkt_keiner_nach?:

        "Eine Flugverbotszone durch die NATO würde nahezu unweigerlich zum Krieg mit Russland führen."

        No. Diese plumpe Drohung ist schlicht lächerlich.

         

        "In Jugoslawien hat die NATO keine Probleme gelöst."

        Die NATO beendete den Krieg. Selbst Serbien strebt in die europäische Union. What are you talking about?

    • @6120 (Profil gelöscht):

      "Sonst werden sie vom Himmel geholt - it's as easy as that."

       

      Ähm- Deutschland hat gerade eben (August 2016), als Teilnehmer einer UNO-Arbeitsgruppe, gegen die Aufnahme von Verhandlungen zur atomaren Abrüstung gestimmt. Passt auch das, in Ihre hier geäußerte Richtung?

      ---

      Bekanntgabe der deutschen Sektion der „Internationalen Ärzte für die Verhinderung des Atomkriegs“ IPPNW:

      https://www.ippnw.de/startseite/artikel/de/meilenstein-fuer-atomwaffenverbot-er.html

      • 6G
        6120 (Profil gelöscht)
        @H.G.S.:

        Was hat das mit Syrien zu tun???

  • Ihre Einschätzungen kann man kaum kritisieren, Herr Zumach.

    Ich fürchte jedoch, daß Ihre These

    "Weder die USA noch irgendein anderes Land werden angesichts der Präsenz russischer Luft-und Bodenstreitkräfte in Syrien zu einem solchen Risiko bereit sein."

    nur noch bis 8.11. richtig ist.

    • @jhwh:

      Korrektur. Die Amtsübergabe ist erst 2017.

      • @warum_denkt_keiner_nach?:

        ...das ändert natürlich alles ;)

  • Danke für die realistische Einschätzung. Leider sehe ich zur Zeit kaum eine Chance, dass solche Erkenntnisse auch die Köpfe unserer Politiker erreichen.