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Bremen macht weniger SchuldenDas bisschen Haushalt

Weniger Flüchtlinge und aufgeschobene Bauvorhaben: Bremen will weniger Schulden machen als geplant. Die Opposition ist dennoch unzufrieden

Freuen sich auf 300 Millionen Euro Konsolidierungshilfe: Finanzsenatorin Karoline Linnert (Grüne) und Bürgermeister Carsten Sieling (SPD) Foto: dpa

Bremen spart im Haushaltsjahr 2016 mehr als gedacht. Der Senat will 116 Millionen Euro weniger Schulden machen als noch vor drei Monaten geplant. Das berichtet die Finanzsenatorin Karoline Linnert (Grüne) dem Stabilitätsrat des Bundes, der aufgrund Bremens drohender Neuverschuldung weitere Sparmaßnahmen gefordert hat. Am Dienstag sagte Linnert: „Das kann sich sehen lassen. Der Stabilitätsrat wird das goutieren.“

Der vom Senat beschlossene Bericht, den Bürgermeister Carsten Sieling (SPD) und Finanzsenatorin Linnert gemeinsam vorstellten, sieht dennoch eine de forma nicht zulässige Neuverschuldung von 163 Millionen Euro vor. Insgesamt nimmt Bremen Kredite in Höhe von 473 Millionen Euro auf. Zulässig sind laut Sanierungsplan des Bundes jedoch nur 310 Millionen Euro. Überschreitet Bremen diese Grenze, könnten dem Land 300 Millionen Euro Konsolidierungshilfe vom Bund verloren gehen. Eine Sanktion, über die der Stabilitätsrat im Dezember beraten und im Frühjahr 2017 entscheiden will. In dem Bundesgremium sitzen sämtliche FinanzministerInnen der Länder, den Vorsitz hat Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU).

Für das Überschreiten der Neuverschuldungsgrenze machen Bürgermeister Sieling und seine Stellvertreterin Linnert geltend, dass „Flüchtlingskosten in dreistelliger Millionenhöhe bei Abschluss der Konsolidierungsvereinbarung nicht absehbar waren.“ Der Senat argumentiert, dass Anlass für diese Ausgaben eine „außergewöhnliche Notsituation“ sei. Und damit wäre es möglich, von einer vertraglich vorgesehen Ausnahmeregel Gebrauch zu machen, die eine höhere Verschuldung ermöglicht. Ein 28-seitiges Rechtsgutachten, das die Zulässigkeit dieses Vorgehens belegen soll, liegt dem Bericht des Senats bei.

Rechne man das Geld für so entstandenen Flüchtlingsausgaben heraus, unterschreite der Senat die vorgegebene Obergrenze gar um 134 Millionen Euro, so Linnert. Zudem sei es eine falsche Annahme, dass Bremen mehr für Flüchtlinge ausgebe als andere Bundesländer. Laut Linnert wirft man das Bremen im Stabilitätsrat immer wieder vor. Eine neue Auswertung zeige jedoch, dass Bremen bei den Nettoausgaben von 7.483 Euro pro Flüchtling bundesweit lediglich den zwölften Platz belege – deutlich hinter Bayern mit 11.047 Euro und Berlin mit 10.766 Euro, aber knapp vor Hamburg mit 6.052 Euro.

„Der Senat kürzt Bremen kaputt“

Die 116 Millionen Euro Neuverschuldung, die der Senat nun doch nicht braucht, lägen daran, dass weniger Schutzsuchende nach Deutschland kommen als erwartet. Ursprünglich habe Bremen 2016 mit 8.000 Flüchtlingen gerechnet, tatsächlich seien jedoch nur 3.200 zu erwarten. Das macht 65 Millionen Euro an Einsparungen. Zudem habe der Senat durch neue Maßnahmen zusätzliche 45 Millionen Euro aus dem Haushalt „gewürgt“, so Linnert.

Für die letztere Summe sei keineswegs politisches Handeln verantwortlich, kritisierte Klaus-Rainer Rupp, finanzpolitischer Sprecher der Linksfraktion. Vor allem Gerichtsgutachten behinderten größere Bauvorhaben wie das Offshore-Terminal Bremerhaven und die Verlängerung der S-Bahn-Linien 1 und 8. Anstatt das gesparte Geld nun anderswo auszugeben, kürze der Senat Bremen kaputt. Rupp sagt: „Oberste Senatspriorität ist, den Stabilitätsrat milde zu stimmen.“

Oberste Senatspriorität ist, den Stabilitätsrat milde zu stimmen

Klaus-Reiner Rupp, Die Linke

Allerdings seien die Flüchtlingskosten für den Haushalt tatsächlich eine „außergewöhnliche Notsituation“, so Rupp. Bremen hätte angesichts der günstigen Kredite gut daran getan, die 134 Millionen, die es abzüglich der Flüchtlingskosten unter der Neuverschuldungsgrenze läge, an anderer Stelle zu investieren.

Für die CDU hingegen ist längst nicht klar, dass der Stabilitätsrat die „außergewöhnliche Notsituation“ überhaupt anerkennt. Jens Eckhoff, CDU-Sprecher für Finanzpolitik sagte angesichts der Überschreitung der Obergrenze: „Die 300 Millionen Konsolidierungshilfe stehen auf wackligen Füßen.“

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