: Keine Anklage gegen Clinton
USA Das FBI empfiehlt keine Ermittlungen gegen die demokratische Bewerberin wegen der E-Mail-Affäre. Obama zieht erstmals an Clintons Seite in den Wahlkampf
Von Bernd Pickert
So sollte es auch bei Hillary Clinton sein. Der Dienstag sollte ein großer Tag werden – zum ersten Mal stand sie am Abend gemeinsam mit Barack Obama auf einer Wahlkampfbühne. Zum ersten Mal wollte sie ganz direkt von seinen seit Monaten glänzenden Zustimmungsraten profitieren. Und dann kam James Comey, der FBI-Direktor, und alles kam ganz anders.
Nein, sagte Comey, seine Behörde werde zwar nicht empfehlen, Clinton wegen der Benutzung eines privaten E-Mail-Servers während ihrer Zeit als US-Außenministerin vor Gericht zu stellen. Aber „extrem leichtsinnig“ sei sie mit als geheim eingestuften Informationen umgegangen. Anders, als Clinton es öffentlich bekundet hatte, seien in ihren von ihrem privaten Server aus verschickten E-Mails auch 102 Mails mit klassifizierten Inhalten gefunden worden, von „vertraulich“ bis zu „top secret“.
Dass dennoch keine Anklage empfohlen wurde, liegt offenbar daran, dass man Clinton weder Absicht unterstellen noch irgendein Schaden nachgewiesen werden konnte.
Auch für den implizit während des gesamten Verfahrens mitschwingenden Vorwurf, sie habe bewusst den privaten Server benutzt, um bestimmte Vorgänge vor der Öffentlichkeit oder etwaigen Untersuchungsausschüssen verborgen zu halten, sah das FBI offenbar nicht als erwiesen oder auch nur wahrscheinlich an. Clinton hatte ihr Verhalten – das sie längst als „Fehler“ eingestanden hatte – stets damit erklärt, es sei einfach „praktisch“ gewesen. Justizministerin Loretta Lynch erklärte umgehend, sie werde der Empfehlung folgen, es werde kein Verfahren geben.
Seit Dienstagabend ist Clintons Umgang mit den E-Mails offiziell nicht mehr Gegenstand von Ermittlungen. Aber ihre wichtigsten Trümpfe im Wahlkampf, im Unterschied zum republikanischen Kandidaten Donald Trump verfüge sie über Verantwortungsbewusstein und Vertrauenswürdigkeit, sind dennoch dahin. „Extrem leichtsinnig“ – das klingt anders als „so qualifiziert wie noch nie ein Kandidat“, was ihr Barack Obama beim gemeinsamen Auftritt attestierte.
Trump reagierte prompt auf Twitter: Das System sei manipuliert, schrieb er, Hillary sei nicht geeignet, unehrlich, inkompetent und mit schlechtem Urteilsvermögen ausgestattet. Sie habe „das FBI belogen und das Volk belogen. Sie ist sooooooo schuldig! Aber wartet ab, ihre Zeit wird kommen.“ Typische Trump-Reaktionen.
Clintons Team ging hingegen auf Twitter mit keinem Wort auf den Vorgang ein. Stattdessen sandte @HillaryClinton im Minutentakt lobpreisende Obama-Zitate in die Welt. Man darf getrost davon ausgehen, dass sich Clinton wohl auch in den nächsten Wochen, wie schon bislang, mit Presseterminen, bei denen Fragen gestellt werden dürften, extrem zurückhalten wird.
Tatsächlich ist es gut für sie, dass das Thema jetzt noch einmal hochkocht. Bald werden Trump und sie ihre Vizepräsidentschaftskandidaten benennen, dann kommen die Parteitage und andere Themen werden dominieren. Außerdem scheint Trump nicht in der Lage zu sein, das E-Mail-Thema in einer Weise zu nutzen, die ihn nicht als Verschwörungstheoretiker dastehen lässt.
Clintons parteiinterner Konkurrent Bernie Sanders, dem viele unterstellt hatten, er sei nur deswegen so lange im Rennen geblieben, weil er darauf gehofft habe, gegen Clinton würde ein Verfahren eröffnet, lehnte erneut jede Presseanfrage zum E-Mail-Thema ab. Schon bei einer der ersten Debatten der demokratischen Kandidaten hatte er Clinton gesagt, das Volk habe es satt, „ständig von Ihren verdammten E-Mails zu lesen“. Clinton hatte gelacht und ihm recht gegeben. Jetzt ist sie die Ermittlungen los. Doch der Schaden bleibt.
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