Sexismus in Kultur und Medien: Der Geniekult ist männlich
Erstmals ist es amtlich: Frauen werden in Kultur und Medien benachteiligt. Eine Studie des Kulturrats empfiehlt eine Quote für Gremien.
Erstmals seit 13 Jahren wurde erhoben, wie viele Frauen etwa Theater oder Kunstmuseen leiten, Kunstpreise und Stipendien erhalten und was sie verdienen. Der Lohnunterschied zwischen Männern und Frauen in der Kunst beträgt demnach 24 Prozent. Besonders hart trifft es Schauspielerinnen, die 33 Prozent weniger verdienen als ihre männlichen Kollegen.
Auch bei Kunstpreisen ist der Geschlechterunterschied frappant: Der höchste deutsche Musikpreis etwa, der Ernst von Siemens Preis, ging in den vergangenen 20 Jahren genau ein Mal an eine Frau, an die Violinistin Anne Sophie Mutter. 22 Prozent der deutschen Theater werden von Frauen geleitet, gespielt werden zu 24 Prozent Stücke von Frauen. Doch nur 11 Prozent der Stücke, die zum Theatertreffen eingeladen werden, stammen von Frauen. Der Deutsche Filmpreis ging nur in einem von zehn Fällen an eine Frau.
Die Ursachen seien vielfältig, heißt es in dem Bericht. Monika Grütters erinnerte daran, dass der Kulturbetrieb ein historisches Erbe des Ausschlusses von Frauen mit sich herumtrage. So wurden Frauen nicht an Kunstakademien zugelassen, und als das Bauhaus dies zum ersten Mal ändern wollte, steckte man die Frauen in eine „Frauenklasse“, die Weberei. Begründung: Frauen könnten nur zweidimensional denken. Noch heute ist ein „Malerfürst“ wie Georg Baselitz davon überzeugt, dass Frauen nicht so gut malen könnten wie Männer. „Der Geniekult ist in einzelnen Fachkulturen noch ausgesprochen präsent“, sagte eine der AutorInnen der Studie, Gabriele Schulz.
„Da muss keiner Angst haben“
Der Geschäftsführer des Kulturrats, Olaf Zimmermann, nennt den Gender Pay Gap einen „Skandal“. „Ich weiß, die Quote ist ein Unwort im Kulturbereich“, sagt er. „Man denkt, sie zerstöre die Kunst.“ Deshalb schlägt er vor, zunächst nur Beratungs- und Auswahlgremien mit einer Quote zu versehen. Jurys, Beiräte und Auswahlkommissionen seien ohnehin nach vielen Kriterien quotiert. Im Bericht selbst heißt es dazu: „Das zusätzliche Einfügen der Kategorie „Geschlecht“ würde eine Quote unter vielen und sollte daher unaufgeregt betrachtet und umgesetzt werden. Zimmermann denkt an eine 30-Prozent-Quote: „Da muss keiner Angst haben, dass er von Frauen überfahren wird.“
Eine Vertreterin des Vereins „Pro Quote Regie“ regte an, öffentliche Zuwendungen zu gleichen Teilen an Männer und Frauen auszuzahlen. Zimmermann und Grütters lehnten das als Eingriff in die Kunstfreiheit ab, zeigten sich aber offen für die Debatte. Monika Grütters kündigte an, einen runden Tisch zum Thema etablieren zu wollen, der über Konsequenzen aus der Studie beraten soll.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Grundsatzpapier von Christian Lindner
Eine gefährliche Attacke
Jüdische Wähler in den USA
Zwischen Pech und Kamala
Geschlechtsidentität im Gesetz
Esoterische Vorstellung
Alkoholpreise in Deutschland
Das Geschäft mit dem Tod
Protest in Unterwäsche im Iran
Die laute Haut
T.C. Boyle zur US-Präsidentschaftswahl
„Halb Amerika schwelgt im Hass“