Das Detail: Ritualisiertes Schweigen
Wenn man keinen Ton anhatte, war es schwierig zu erfahren, warum am Mittwochabend beim Spiel Frankreich gegen Albanien eine Schweigeminute stattfand. War’s wegen Orlando? War’s wegen des Terrorakts in Frankreich, der ein Ehepaar das Leben kostete? Es passiert so viel Scheiße neben dem Fußballbetrieb; man muss schon raten, was der Grund sein soll, mal eben nichts zu sagen.
Sportverbände diktieren, wozu man die Fresse hält, und Sportredaktionen, wann man sie aufzumachen hat (bei der Nationalhymne!). Als die Schweden bei der Handball-EM mit einer regenbogenfarbenen Kapitänsbinde auflaufen wollten, aus Solidarität mit den Homosexuellen und als Zeichen gegen Homophobie, hat der Verband ihnen das verboten: Worüber geschwiegen (und deswegen eben auch gesprochen) wird, bestimmt irgendein Hansel in Anzug.
Es war ein Moment großer Leere, die Schweigeminute am Mittwoch in Marseille, wenn man den Ton nicht anhatte. Weswegen trauern wir um das eine, das andere aber nicht? Welcher Hansel entscheidet, dass das eine beschweigenswert ist, das andere aber nicht? Was müssen wir bedenken, bevor wir ohne schlechtes Gewissen ein Fußballspiel sehen dürfen? Warum überlässt es die Uefa nicht den Leuten – Spielern, Trainern, Publikum – zu entscheiden, welche Zeichen sie wirklich setzen wollen?
Darüber immerhin könnte man dann sprechen. Stattdessen bleibt von dieser Minute nur dieser eine Eindruck: Es war ein beredtes Schweigen, das nichts heißt. Frederic Valin
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