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Südafrika beschließt LandreformDas Erbe der Apartheid überwinden

Der ANC beschließt ein Gesetz, das Enteignungen gegen Entschädigung ermöglicht. Weiße Farmer besitzen die Mehrheit des fruchtbaren Landes.

Land fällt vom Himmel: Auftaktveranstaltung des ANC-Kommunalwahlkampfes im April 2016 Foto: reuters

Johannesburg taz | Südafrika will jetzt die Landreform beschleunigen: Nach jahrelangem Hin und Her hat das Parlament am späten Donnerstag ein Gesetz verabschiedet, das die Enteignung von Grund und Boden gegen Entschädigung erlaubt. Der regierende Afrikanische Nationalkongresses (ANC) hat angekündigt, damit die Ungerechtigkeit aus der Apartheid-Ära endlich ausgleichen zu wollen: 22 Jahre nach dem Ende des weißen Minderheitsregimes ist fruchtbares Farmland noch immer hauptsächlich in weißer Hand.

Als historischen Wendepunkt bezeichnet der ANC das neue Gesetz, dass in den nächsten Wochen von Präsident Jacob Zuma unterzeichnet werden soll, und als einen Sieg für Millionen von besitzlosen Südafrikanern.

Es soll nun möglich sein, Land- und Grundbesitz zu enteignen, wenn dies im „öffentlichen Interesse“ liegt. Ein von der Regierung gestellter „Schiedsrichter“ soll den Wert des Grundstücks angeblich fair und gerecht festlegen und Entschädigungen aussprechen. Damit wird das bisherige Prinzip „willing seller – willing buyer“ beendet, die seit 1994 nur die Umverteilung von zehn Prozent des weißen Farmlandes ermöglicht hat – ein Drittel dessen, was sich der ANC als Zielvorgabe gesetzt hatte.

Der Staat hatte unter diesem Prinzip verkaufswilligen Landbesitzern ihr Eigentum abgekauft und es dann an landlose Schwarze verteilt. Es kam aber nur zu wenig erfolgreichen Verkäufen. Viele kleine Farmen leiden derzeit zudem unter den Folgen der bisher größten Dürre in diesem Jahrhundert.

Rechte und linke Opposition dagegen

Das neue Gesetz ist seit 2008 in Arbeit. Fertig wird es nun rechtzeitig vor Süafrikas Kommunalwahlen im August, bei denen der ANC wegen der sich ständig verschlimmernden Korruptionsskandale um Präsident Jacob Zuma und dem Erstarken linker Protestbewegungen wie der neuen linken Oppositionspartei EFF (Economic Freedom Fighters) unter beispiellosem Druck steht.

Die größte Oppositionspartei, die liberale Demokratische Allianz (DA) lehnt das Gesetz ab. Sie kritisiert, der Ausdruck „Grundbesitz“ sei nicht klar definiert – es könnte sein, dass nun mehr als nur Land enteignet werden kann. Auch würden die Entschädigungen möglicherweise ausstehende Rechnungen oder Kredite der zu enteignenden Farmer nicht abdecken, was für diese zu finanziellen Schwierigkeiten führen könne, so die DA, in der auch Südafrikas Weiße organisiert sind.

Die linksoppositionelle EFF hingegen lehnt das Gesetz aus einem anderen Grund ab: Sie lehnt Entschädigungszahlungen ab, weil das Land der weißen Farmer „gestohlenes Land“ sei. Auch die gemäßigte schwarze Oppositionspartei United Democratic Movement (UDM) ist gegen das Gesetz, weil Land, das vor den ersten Apartheidgesetzen von 1913 an Weiße ging, nicht einbezogen ist.

Negativbeispiel Simbabwe

Land und die Umverteilung an während der Apartheid unterdrückte schwarze Südafrikaner ist in den politischen Debatten Südafrikas nicht wegzudenken. Es ist ein gefühlsmäßig beladenes Thema, das oftmals Ängste hervorruft, wonach mit einer entschlossenen gegen Weiße gerichteten Enteignungspolitik Südafrika den Weg des Nachbarlandes Simbabwe einschlagen könnte.

Dort sind unter Präsident Robert Mugabe in den letzten 15 Jahren fast alle weißen Farmer gewaltsam enteignet worden; viele Farmen gingen in den Besitz hochrangiger Parteigenossen über oder ihre neuen Besitzer bekamen keinerlei finanzielle oder technische Starthilfe, und sie liegen jetzt brach. Die Wirtschaft des Landes ist dadurch stark geschwächt.

Mit dem neuen Gesetz versucht Südafrikas ANC nun, entsprechenden Befürchtungen entgegenzutreten: Man wolle eben nicht willkürlich agieren, sondern sich an Gesetze halten und nicht den Weg gewaltsamer Enteignungen gehen.

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8 Kommentare

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  • "Es soll nun möglich sein, Land- und Grundbesitz zu enteignen, wenn dies im „öffentlichen Interesse“ liegt."

     

    Hat in Mugabes Simbabwe schon super funktioniert...

  • Ein Grund für den mäßigen Erfolg bei der Landvergabe nach der alten Regelung (restitution und redistribution) war sicherlich der Umstand, dass die Verfahren zur Anerkennung der Ansprüche sehr aufwendig und langwierig waren. Kleine ländliche Gemeinden mit armen und wenig gebildeten Mitgliedern waren damit z. T. vollkommen überfordert.

    Ob sich mit dem neuen Gesetz, dass ich ansonsten sehr begrüße, daran etwas ändert, bleibt abzuwarten.

  • Bündig, ausgeglichen, informativ. Sehr guter Bericht.

  • Da läuft doch etwas schief wenn wieder in Kategorien Weiße/Schwarze gedacht wird. Klingt für mich als wird ein Sündenbock für die gewaltigen Probleme des Landes gesucht. Südafrika braucht eine wirksame Wirtschatspolitik und Korruptionsbekämpfung. Arbeit und Wohlstand für alle muss geschaffen werden. Was soll es da bringen Land an viele kleine Subsistenzbauern zu verteilen? So erreicht man keinen Fortschritt. Dies wäre auch nicht in Mandelas interesse.

    • @Alfred Sauer:

      Es ist nun mal so, dass es die Kategorie Weiße/Schwarze gibt, weil Weiße sich einst das Land angeeignet haben. Es geht nun darum, Ungerechtigkeiten zu beseitigen, die dadurch entstanden sind. Hat nix mit Hautfarben zu tun, sondern mit Machtverhältnissen, die sich nun geändert haben.

      • @LiebeSonneScheine:

        Richtig, EINST! Das ist Geschichte und sollte ruhen. Wie soll es sonst glaubhaft sein das man aus der Geschichte gelernt hat. Enteignungen sind immer schlecht.

        • @Alfred Sauer:

          Nein.

          Wenn eine kleine, reiche Minderheit aufgrund der rassistischen alten Herrschaftsordnung den größten Teil des fruchtbaren Landes besitzt und eine große Mehrheit deshalb in deren Abhängigkeit und großer Armut gefangen bleibt, dann ist eine Enteignung und Landneuverteilung sehr angebracht und notwendig. Das ist in Südafrika der Fall und mehr noch in vielen Staaten Lateinamerikas.

  • "Es soll nun möglich sein, Land- und Grundbesitz zu enteignen, wenn dies im „öffentlichen Interesse“ liegt. Ein von der Regierung gestellter „Schiedsrichter“ soll den Wert des Grundstücks angeblich fair und gerecht festlegen und Entschädigungen aussprechen."

     

    Nichts anderes ist im Schland seit jeher Gesetz. Obwohl - ich meine, das geht noch etwas weiter... wenn z.B. private Unternehmen Braunkohle abbauen oder Bahnhöfe tieferlegen wollen, um freie Flächen an ebenso private Investoren zu verschachern.