piwik no script img

Geschlechtergerechte LöhneSprechen wir doch mal über Geld!

Die Koalition streitet über den Gesetzentwurf von Frauenministerin Manuela Schwesig (SPD). Die Union warnt vor einer Neiddebatte.

Die Ministerin wirbt für die geschlechtergerechte Arbeitsentlohnung Foto: dpa

Berlin taz | „Über Geld spricht man. Punkt.“ Wo immer Henrike von Platen über Einkommen, Chefinnen oder Frauen als Unternehmerinnen spricht, sagt sie diesen Satz. Doch häufig erntet die Unternehmensberaterin und Präsidentin des Vereins Business und Professional Women nur ungläubiges Schulterzucken.

Zum Beispiel von Unternehmensbossen und -verbänden wie der Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände und des Bundesverbands der Deutschen Industrie. Sie glauben, dass es zu heftiger Unruhe zwischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern führen werde, wenn in den Firmen offen darüber gesprochen werde, wer wie viel verdient. Dieses Argument wiederum hält von Platen für eine Ausrede: „Mit Intransparenz bei den Gehältern wird die Lohnungerechtigkeit zwischen den Geschlechtern legitimiert.“

Derzeit beträgt die Lohnlücke zwischen Frauen und Männern laut Statistischem Bundesamt knapp über 21 Prozent. Damit liegt Deutschland im europäischen Vergleich auf einem der letzten Plätze (siehe Grafik).

Diese sogenannte unbereinigte Lohnlücke ergibt sich aus dem Bruttostundenlohn. Zieht man Faktoren wie Teilzeit, Kinder- und Pflegezeiten ab, die mehr Frauen als Männer in Anspruch nehmen, ergibt sich eine Differenz von 8 Prozent, hat die Antidiskriminierungsstelle des Bundes ausgerechnet. Auch die Tatsache, dass Frauen seltener in Chefsesseln sitzen, trägt zur Einkommensdiskrepanz bei.

Foto: infotext-berlin.de/L. Ziyal

Bei den MedizinerInnen mit 26 Prozent (Männer: 82.000 Euro im Jahr, Frauen: 62.000 Euro) und den JuristInnen mit fast 24 Prozent (Männer: 54.000 Euro, Frauen: 41.000 Euro) ist die Lohnlücke am größten, fand die Hamburger Personalberatungsfirma Compensation Partners (COP) heraus. COP ist ein Onlineservice für Gehaltsvergleich und hat bundesweit rund 245.000 Gehaltsdaten ausgewertet. Dabei stellte COP fest, dass sich die Lücke in jenen Branchen verringert, die Fachkräfte suchen. So liegt die Einkommenskluft bei weiblichen und männlichen Ingenieuren laut COP bei 22 Prozent.

Studien hin oder her, seit Jahren beklagen JuristInnen, Frauenverbände, manche Personaldienstleister und Teile der Politik den sogenannten Gender Pay Gap. Die SPD hat bereits in ihrer Oppositionszeit einen Gesetzentwurf erarbeitet, der der Lohnungerechtigkeit an den Kragen will. Ebenso plädieren die Grünen und die Linkspartei für gleiches Geld für gleiche Arbeit.

Für die aktuelle Große Koalition ist das auch ein Thema. Glaubt man dem Koalitionsvertrag, sind sich die „Koalitionspartner einig, dass die bestehende Lohndifferenz zwischen Männern und Frauen nicht zu akzeptieren ist“. Damit will Familienministerin Manuela Schwesig (SPD) jetzt Ernst machen. Ende des vergangenen Jahres hat sie Angela Merkel ein „Gesetz für mehr Lohngerechtigkeit zwischen Frauen und Männern“ ins Kanzleramt gereicht. Doch seitdem ist nicht viel passiert. Zwar haben sich die Koalitionsspitzen in der vergangenen Woche darauf geeinigt, das Papier nicht mehr länger in Merkels Haus schmoren zu lassen. Nun sollen Schwesig und Kanzleramtschef Peter Altmaier (CDU) miteinander verhandeln.

Der Onlineservice COP hat festgestellt, dass sich die Lücke in jenen Branchen verringert, die Fachkräfte suchen

Doch da fängt das Problem schon an. Schwesig will, dass Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten ihre Löhne und Gehälter offenlegen und darüber regelmäßig berichten. Beschäftigte in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst (außer Beamte der Länder und Kommunen) sollen ein „individuelles Auskunftsrecht“ haben. Stellt eine Frau dann fest, dass sie für die gleiche Arbeit weniger Geld bekommt als ihr Kollege, kann sie sich beschweren. Liegen fachliche Gründe für den Lohnunterschied vor, muss das die Leitung beweisen. Auch soll in Stellenanzeigen künftig „das vorgeschriebene Mindestentgelt“ angegeben werden.

Skandinavien als positives Beispiel

Das geht der Union zu weit. Unions-Fraktionschef Volker Kauder schimpft, die SPD möge bitte nicht so tun, als ob die Union keine Lohngerechtigkeit wolle. Marcus Weinberg, familienpolitischer Sprecher der Unionsfraktion, forderte Schwesig auf, „einen geänderten Entwurf“ vorzulegen. Einer, der den Vorgaben des Koalitionsvertrags entspreche. Doch der ist gar nicht so genau formuliert. Da heißt es eher schwammig: „Gemeinsam mit den Tarifpartnern wollen wir die Feststellung des Wertes von Berufsfeldern, von Arbeitsbewertungen und die Bewertung von Fähigkeiten, Kompetenzen und Erfahrungen voranbringen.“

Die Unternehmensberaterin Henrike von Platen versteht den Koalitionsstreit nicht. Sie fragt sich, woher die Angst vor Missgunst und Neid rührt, wenn Gehälter bekannt sind? Von Platen verweist auf diesbezügliche Erfahrungen der skandinavischen Länder, in denen die Steuerdaten aller Steuerpflichtigen im Internet veröffentlicht werden. „Von einer Neiddebatte habe ich dort noch nichts gehört. Die Menschen finden nichts langweiliger als Gespräche über veröffentlichte Gehälter.“

Im Gegensatz zu den TransparenzkritikerInnen glaubt sie, dass offene Gehaltsdaten eher zu „mehr Wohlbefinden“ führen: Diejenigen, die glauben, zu wenig zu bekommen, würden sehen, dass das möglicherweise gar nicht so ist. Und diejenigen, die viel verdienen, könnten sich zufrieden zurücklehnen und sich sagen: So schlecht stehe ich doch gar nicht da.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
  • Frau Schmollack, Sie haben vergessen zu erwähnen weshalb in skandinavischen Ländern so problemlos mit der Transparenz umgegangen wird: Weil sie keine Diskriminierung zeigte/zeigt. In allen skandinavischen Länden die dieses Modell eingeführt haben, hat sich herausgestellt das die (noch immer bestehenden Lohnlücken) tatsächlich mit den Gründen des Statistischen Bundesamt erklärt werden können. Dieses rechnet die Lohnlücke übrigens dann noch weiter auf 3-4% runter und stellt extra klar, das die übrigen Prozentpunkte nicht zwingend durch Diskriminierung zu erklären sind. Noch 2 Punkte die sie, vermutlich unbeabsichtigt, vergessen haben zu erwähnen.

     

    Ich bin für die Transparenz. Sie wird auch bei uns nichts anderes zeigen wie in den skandinavischen Ländern.

    Das aber manche Leute tatsächlich gern die höhe ihres Gehalts verstecken, sehen Sie schon wenn man mal Transparenz im Bundestag versucht. Oder bei JournalistInnen. Alice Schwarzer, zum Beispiel.

     

    Mein Traumszenario ist, das Mann A erkennt weniger zu verdienen als Mann B (ist nicht selten), das Gehalt von Mann A deshalb angehoben wird, dadurch - pauschal betrachtet - Männer noch mehr verdienen und sich bei Frauen nichts tut. Eben weil keine das gleiche wie Mann A oder B arbeitet. Kommt vor. Zum Glück nicht überall aber genug um - bei pauschalen Statistiken wie dem unbereinigten Gap - genau dieses Szenario passieren kann.

  • 3G
    33523 (Profil gelöscht)

    Ich bin definitiv dafür die Gehälter offen zu legen und zwar für alle, nicht nur für Frauen.

     

    Allerdings darf es dann nicht gleich heißen das jeder Lohnunterschied eine Ungerechtigkeit ist. Völlig unabhängig vonm Geschlecht gibt es Mitarbeiter die besonders kompetent, fleißig oder motiviert sind. Es darf nicht sein das diese jetzt durch eine Lohnangleichung bestraft werden.

     

    Wer um Punkt 17:00 den Bleistift fallen lässt, sich nicht weiterbildet und keine Verantwortung tragen möchte darf sich nicht wundern wenn der Kollege der jeden Tag zwei Überstunden macht und neben dem Beruf noch Paukt 30% mehr verdient.

    • @33523 (Profil gelöscht):

      Da Überstunden extra bezahlt werden (sollten), wäre ein Einkommensunterschied tatsächlich nicht überraschend.

       

      Allerdings - wenn sich systematisch findet, dass Frauen weniger als gleichqualifizierte Männer verdienen, fällt dann das von Ihnen vorgebrachte Argument dann eben doch weg.

      • 3G
        33523 (Profil gelöscht)
        @BigRed:

        Da Männer im Durchschnitt deutlich mehr Überstunden machen als Frauen und risikobereiter sind wäre es weder überraschend, noch unangemessen wenn Männer im Durchschnitt auch mehr verdienen.

         

        Frauen genießen dafür andere Vorzüge. Sie haben mehr Freizeit und weniger Druck auf ihren Schultern lasten, weil sie weniger Risiken aushalten müssen.

        Das wird bei dieser Rechnung gerne vergessen. Und es ist ja nicht so das irgendjemand den Frauen verbieten würde länger zu bleiben oder mehr Risiko einzugehen. Das sind persönliche Entscheidungen die jeder für sich selbst treffen muss.